ihn hinauszukommen. Vaget setzt sich the-
senartig ab von der allgemeinen Auffas-
sung., daß Thomas Mann als skeptischer
Bewunderer W: agners immun gegen den
Geist von Bayreuth sei, sich aufgeklärt,
ironisch abwende. dem reinen ästhetischen
Wagnerismus huldige. Er vertritt vielmehr
die Auff: assung, die er im folgenden dar-
legt, daß der Wagner- Kult des jungen Tho-
mas Mann ung leich verwickelter sei.
Franz Wilhelm Beidler. Enkel Richard
Wagners, politisch unbelastet, trägt Tho-
mas Mann - in der Endphase des Doktor
Faustus - die Ehrenpräsidentschaft im
Stiftungsrat für eine Neuorganisation der
Bayreuther Festspiele an. Thomas Mann
antwortet am 27.1.1947 hinhaltend. sagt
nicht ab. Im Tagebuch vom 25.1.1947 g gibt
er seinen widerstreitenden Empfindung Jen
Ausdruck; ihn bewegt die Sorge um die
politische Entwicklung wie die phantasti-
sche Erfüllung eines Jugendtraums und
einer Jugendliebe. Er will zunächst die
Angelegenheit bei sich abklären. Die Erin-
nerung an Lohengrin, die träumerischen
Gedanken seiner Jugend bezieht er auf
Bayreuth, nicht auf Wagner.
Die Bayreuth-Komponente in
Thomas Manns Wagnerismus
Vaget stellte fest, daß Thomas Mann nur
einmal, im August 1909. tatsächlich in
Bayreuth war. Vordergründig waren die
vielen Aufführungen sowie die Opernkest-
spiele in München ausreichend. Hier gibt
er sich rauschhaft der Wagner-Musik hin.
insbesondere, als die Beziehung zu Paul
Ehrenberg ihren Höhepunkt hatte. Homo-
sexualität als geistige Lebensform findet
im Wagnerismus ihren intellektuellen Ur-
grund. Thomas Mann kannte wahrschein-
lich Panizzas Bayreuth und die Homose-
xualität. Eine nicht erfolgreiche Distan-
zierung sucht Thomas Mann in seiner
Auseinandersetzung mit Wagner im Tod
in Venedig. Parsifal allerdings wurde nur
in Bayreuth gegeben. Das erste Notizbuch
spricht von „Bayreuther-Billette(n)“. Im
Sommer 1902 will Thomas Mann nach
Bayreuth. Während der Arbeit an Fioren-
za schreibt er an Kurt Martens. ob Bay-
reuth diesen nicht eingeschüchtert und
seiner Kräfte beraubt habe. Gleichzeitig
findet er nichts so stimulierend wie W: ag
ners Musik. Im Sommer 1904 fällt ein
anvisierter Bayreuth-Besuch durch K: atjas
Ankunft aus.
1907, erst recht 1908 in der Auseinander-
setzung mit Geist und Kunst., will Thomas
Mann - inzwischen Familienvater - weg
vom Neuromantischen. will von W: agner
unabhängig werden, favorisiert die klassi-
294
steht Pate für Tnomas Manns Auffassung,
man müsse erst Wagnerianer sein. um über
sche Suche nach Repräsentanz. Mittler-
weile empfindet er das Theater als unrein,
sinnlich, eine Addition von Kunstformen:
statt des grünen Hügels ist er auf dem Weg
zu Goethe. Thomas Mann kommt als skep-
tischer, zum Abschwören bereiter Mann
am 4.8.1909 nach Bayreuth. Glauben wir
dem von Vaget vorgestellten unveröffent-
lichten Briek an Ewers aus dem Archiv der
Hansestadt, war Thomas Mann begeistert.
Statt „suggestivem Schwindel“ empfindet
er die Musik als unwiderstehlich. von
kurchtbarer Ausdruckskraft, den Gipkel der
Modernität, Tristans Sehnsucht überbie-
tend, fragt sich jedoch gleichzeitig: „Ob
dieser Geist und Geschmack noch eine
Zukunkt hat?“ Der nüchterne Kenner gibt -
sO begeistert er ist - dem Parsifal keine
Überlebenschancen. glaubt vielmehr, dals
die jüngste Gener: ation mehr für Whitman
als für Wagner schwärme. Ausdruck einer
Art von Pe ndelbewegung im Denken Tho-
mas Manns ist sein Brief vom September
1911 an Julius Bab, in dem er seine Angst
vor der Bayreuther Orthodoxie formuliert:
„Sollte nicht doch vielleicht jeder Deut-
sche im Grunde seines Herzens wissen,
daß Goethe ein unvergleichlich vereh-
rungs- und vertrauenswürdiger Führer und
Nationalheld ist, als dieser schnuptende
Gnom aus Sachsen mit dem Bombentalent
und dem schäbigen Charakter?“ Schon in
diesem Brief artikuliert Thomas Mann sei-
nen Rückzug auf den wahren Wagner ge-
gen das Bayreuther Wesen, dessen
Schwärmerei ihm unangenehm ist, und
dessen eifrigste Anhänger ihm Banausen
und Eikerer zu sein scheinen. Gegen diese
Menagerie wie gegen die Meistersinger-
Demagogie reklamiert er seinen Wagner
für sich.
Abgrenzung und Identifikation
Die entscheidende Abgrenzung von Wag-
ner erfolgt dann im gleichen Jahr am Lido.
Sein Wagner-Essay stellt den wahren
Wagnerin Frage, spielt die Karte der ästhe-
tischen Moderne aus gegen dessen barock-
kolossale Kunst. die die Schönheit im Rau-
sche sucht. Eine neue Klassizität strebt er
an, logisch, formvoll, klar, streng und hei-
ter. Thomas Manns Wille. den Wagneris-
mus hinter sich zu lassen. ist zeittypisch kür
die Jahre 1910 - 1913. Die Neuklassik
bricht sich spätestens 1905 in E. Ludwigs
Wagner und die Entzauberten ihre Bahn
wie bei Strauß.
Bei Kriegsbeginn schlägt das Pendel zu-
rück. Die rauschhafte Identifikation der
Betrachtungen eines Unpolitischen dek-
ken die Differenz zwischen Wagner und
Bayreuth zu. wenn Wagner als Kronzeuge
für die deutsche Kultur beschworen wird.
Daß die Affekte für Wagner überästheti-
scher Natur sind, zeigt nicht nur das Kapi-
tel „Einkehr“. Der Geist des Lohengrin-
Vorspiels wie die Trauermusik für Sieg-
fried lassen Wagner für ihn im Krieg zur
„Heimat meiner Seele“ ebenso werden
wie er vom Wagner-Erlebnis seiner Ju-
gend zehrt. Eine Vignette im Einkehr-Ka-
pitel gäbe, so Vaget, gleichsam die Ur-
Szene seiner Wagner-Begeisterung in
nuce preis: Rom. Piazza Colonna. Ein rö-
misches Munizipal-Orchester führt Wag-
ners Totenklage auf Siegfried auf. Hz;
Nothung- Motiv kührt zum Straßenkampt,
in dem letztlich durch das „Triumphge-
heul“ auch Oppositionelle überzeugt wer-
den. Deutsche triumphieren international.
Hier liegt die Quelle für nationale Gefüh-
Ie. Die Genealogie seines Nationalismus
findet sich in dieser Ur-Szene. Vaget zeigt
im Detail die ideologische Befrachtung
seines Wagner-Kultes, auch die Juden.
keindschaft Wagners, die Thomas Mann
für sich ins philosemitische übersetzt,
läuft mit.
War also doch mehr Bayreuth im
krühen Thomas Mann als geahnt?
Zwischen 1914 und 1918 nutzt Thomas
Mann das Lohengrin- wie das Nothung-
Motiv ebenso als Siegeszeichen im kultur-
chauvinistischen Sinne wie Wilhelm Il und
alle anderen. Hitler folgt ihm nach. Alle
lasen Wagners Zeichen verkehrt, handelt
es sich doch nicht um Siegeszeichen, son-
dern um Symbole des Scheiterns. Hat nicht
die Berufung Thomas Manns in den Be-
trachtungen auf Wagner, die Siegeszuver-
sicht eine unterschwellige Tendenz zum
Untergang? Wie beim Nationalismus und
Antisemitismus stimmt Thomas Manng
Bild zum Beil mit Bayreuth überein. Es
scheint nunmehr nicht besonders erstaun-
lich, wenn der deutsche Bildungsbür Er
nicht weiter ist als Thomas Mann. Von den
Betrachtungen zur Rede von deutscher
Republik zeigt Tnomas Mann in politischer
Hinsicht eine flexible Kontinuität, keine
Wende.
Ab 1923/1924 kann man aber von Wende
in Bezug auf Bayreuth sprechen. Schon im
Juli 1923 hat er Hitlerund seine Bewegung
bemerkt, wovon zum Beispiel der Kultur-
briek an The Dial Kunde gibt. der München
als „Stadt Hitlers“ kennzeichnet. was
Mann unter anderem an der Vertreibung
Walters klargeworden ist. Als Hitler sich
im Sommer 1925 das erste Mal in Bz ayreuth
aufhält. beginnt die Auseinandersetzung
Thomas Manns, die mit der nationalen B
kommunikation 1933 endet.
Damit sei für die Anfrage von 1947 bezüg-
lich der Ehrenpr üsicetuschatt, so Vaget
abschließend, Thomas Manns frühe Oppo-
sition von 1927 und 1933 verantwortlich.
APH
Lübeckische Blätter 1995/18
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