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992/6
reichen plastischen Bildnisköpfe, sonst
selten oder niemals in der Öffentlichkeit
gezeigt. Eine exzellente frühe Arbeit
von Rolf Goerler findet sich darunter,
das „Portrait Enrico“, unübertrefflich in
seiner zurückgenommenen Strenge, ein
„Bildnis Hildegard Osten“ wie in visio-
närer Schau, geschaffen von Georg Wei-
land, eine Dreiergruppe schließlich, mit
der Karlheinz Goedtke seine Potenz als
Schöpter von Bildnissen nachdrücklich
unter Beweis stellt, „Frau W. G.“, die
„Akfrikanerin“ und der „Knabe“, sensi-
bel in der Wahl des Materials und makel-
los in der Ausführung. Arbeiten aus 50
Jahren sind versammelt, außer ganz neu-
en, zum Teil eigens für die Ausstellung
geschaffenen auch solche, deren Entste-
hungszeit weit zurückreicht, bis in die
Kriegszeit und in die fünfziger und sech-
ziger Jahre. Realistisches und Phantasti-
sches wird geboten, Neusachliches und
Expressives, Surreales neben Informel-
lem, Wilde Malerei neben einer der Tra-
dition verpflichteten kultivierten Zei-
chenkunst, wie sie etwa Karl Gieth im
Anschluß an Hans Peters zeit seines Le-
bens gepflegt hat, mit dem höchst be-
achtlichen Ergebnis der Selbstbildnisse
von 1946 und 1990. Ein halbes Jahrhun-
dert Kunstgeschichte mit ihren unter-
schiedlichen Strömungen passiert Revue
Der Ausstellungstitel kündigt Portraits
an, in altertümlicher Schreibweise, die
Präsentation gewissermaßen einer inzwi-
schen historisch gewordenen Gattung.
Die Ausstellung selbst jedoch macht an
vielen Stellen deutlich, daß die über-
kommene Porträtkunst ihren Platz ne-
ben der Photographie ohne weiteres be-
hauptet hat, vor allem wohl, weil der bil-
dende Künstler über vielfältigere Gestal-
tungsmöglichkeiten verfügt als der auf
den Blick durchs Objektiv beschränkte
Photograph und sich deshalb niemals mit
dem bloßen Abbild begnügen muß oder
mit der Dokumentation eines jeweils ak-
tuellen Moments. Zahlreiche Beispiele
einer Kunst, die mit der Kamera nicht zu
leisten wäre, fallen ins Auge: Peter
Kleinschmidts „Bildnis G. K.“ etwa, im
Antlitz einer noch jungen Frau bereits
die harten Züge des Alters aufspürend,
Uwe Bangerts „Bildnis Peter“, das in der
angestrengten Haltung des Knaben vor
dem einschüchternden Hintergrund ei-
| nes penibel geordneten Ateliers einen
Lebensweg vorzuzeichnen scheint,
Klaus Dieter Schweitz’ „Bretone“ und
„Bretonin“, die - zeichnerisch freilich
nicht in allen Partien gleichermaßen be-
| wältigt -in der Darstellung eines charak-
teristischen Moments Rückschlüsse auf
die Mühseligkeiten eines ganzen Lebens
gestatten. Auch die ins Visionäre hin-
überspielenden charaktervollen Bildnis-
köpfe von Gunther Fritz wären in diesem
Zusammenhang zu erwähnen und die
Lübeckische Blätter 1992/6
liebevoll und engagiert durchgestalteten
collagierten Zeichnungen von Christa Fi-
scher mit ihren ausdrucksstarken Acces-
soires. In welchem Maße es dem Porträ-
ttsten von heute ein Anliegen sein mag,
dem Betrachter auch den Blick ins Inne-
re des Porträtierten zu öffnen, machen
neben den plastischen Arbeiten beson-
ders die an der Pop-art orientierten Kin-
derbilder von Rainer Wiedemann deut-
lich; es läßt sich aber auch ablesen an
Karlheinz Meyers offenbar als Selbst-
bildnis konzipiertem „Poseidon“, Zeug-
nis einer immerwährenden Beschäfti-
gung des Künstlers mit seinem bedauer-
licherweise niemals erreichten Vorbild
Arcimboldi ...
Mit den „Köpfen“ im Ausstellungstitel
sind anscheinend jene Arbeiten LE-
meint, die ihre Entstehung anders als die
„Portraits“ nicht der Auseinanderset-
zung mit einem individuellen Gegenüber
verdanken, sondern die Gestaltung all-
gemeiner Sachverhalte zum Ziel haben.
Edith Holtz-Rabers Radierungen dürf-
ten mit ihrer rätselhaften Spiegelschrift
dazu zu rechnen sein, Uwe Boschens ein-
drucksvolle Köpfe, ohne Titel belassen
und ohne individuelle Merkmale, Ulrike
Obals Temperabilder mit ihren konse-
quent zu Schemen verflüchtigten ge-
sichtslosen Gestalten. Man geht wohl
nicht fehl, wenn man alle diese Arbeiten
als Dokumente einer Zeit interpretiert,
in der das Individuelle nichts mehr zu
gelten scheint.
Am Schluß noch ein Hinweis auf Zwei
der Bilder, die Hildegund Peters wäh-
rend der Vorbereitung der Ausstellung
gemalt hat: „Maske“ und „Kopf“. Im
scheinbar absichtslosen Spiel mit der
Farbe entstanden, verdichten sie sich am
Ende zu Gesichtern, die man als Selbst-
bildnisse der Künstlerin auffassen könn-
te, mahnend und zweifelnd und viel-
leicht ein bißchen traurig.
(BfG:Bank, Moislinger Allee 1-3, bis
20. März; zugänglich während der Ge-
schäftszeiten) Horst Hannemann
Darstellende Kunst
Zazou und die Swingboys
Nach der so erfolgreichen Opernpremie-
re „Salome“ konnten die Bühnen der
Hansestadt Lübeck den guten Kurs auch
bei der heiteren Muse halten. .Die
Swingboys der 40er Jahre aus Paris“
schafften das leicht, obwohl die Ge-
schichte so heiter gar nicht ist.
Verschiedene rote Fäden ziehen sich da
durch die Handlung, die in wirren
Kriegszeiten beginnt und mit dem düste-
ren Gedanken an den furchtbaren Indo-
chinakrieg endet. Die Zazous wollen in
dem besetzten Paris ein Stückchen Frei-
heit genießen, dazu verhilft ihnen der
Swing. Deutsche Besatzer, aber auch die
ältere französische Generation können
mit diesen Jugendlichen, die auch durch
ihre äußere Erscheinung auffallen wol-
len, nicht fertig werden. So muß es zu
Konflikten kommen, die im Eingreifen
der gefürchteten Geheimpolizei gipfelt.
Daß es nun gerade einen jungen Vater
trifft, der sein Kind noch nicht einmal LE-
sehen hat und nach Deutschland als
Fremdarbeiter gehen muß, wird ein we-
nig klischeehaft mit Hilfe des Schaftstie-
fkel-SS-Mannes, aber auch der deutschen
Dirndlkleid-Bäuerin und der symbolhaft
eingesetzten Kuckucksuhr erzählt. Das
Ende des Krieges - der Amerikaner in
Paris - und die Nachkriegszeit im Jazz-
Keller-Milieu runden das Bild ab.
Das alles wird mit Tempo in der Regie
Wolfgang Kolneders, der Choreogra-
phie Rhy Martins, in das Bühnenbild
Thomas Richter-Forgächs umgesetzt.
Ein Ensemble aus Schauspielern, Tän-
zern und mit der Musik vertrauten In-
strumentalisten spielt unter der versier-
ten Leitung Jörn Brandenburgs, der
auch für die Arrangements verantwort-
lich zeichnet.
Nun ist zwar nicht alles Swing, was es zu
hören gibt, es sind Chansons dabei. der
unvergessene George Brassens ist zu
vernehmen wie Evergreens Duke EHlling-
tons (Mood indigo). Gershwins, Woody
Hermans, der Schlager „Valencia“, das
„Premier Rendez-Vous“ wie das senti-
mentale ,„J’attendrai“, das noch vielen
aus deutschen Reichssenderzeiten be-
kannte „Komm zurück“.
Auch darf ein wenig Kritik angemeldet
werden wegen des häufig etwas aufdring-
lichen Schlagzeugs und der gelegentli-
chen Übersteuerung des Verstärkers.
Aut unserem Platz wurde zum Beispiel
das Schlagzeug mit störendem Echo aus
den verschiedenen Lautsprechern ver-
nommen.
Es kann hier bei der großen Anzahl der
Mitwirkenden keine Einzelleistung ge-
würdigt werden. Es muß aber gesagt
werden, daß alle in ihren so unterschied-
lichen Rollen, einige mußten gleich zwei
und mehr übernehmen, ihr Bestes ga-
ben. Eine besondere Anerkennung aber
soll dem Gast des Abends zuteil werden;
wenn der schwarze Amerikaner Robert
Coverton auf der Bühne war, dann war
der Swing perfekt.
Kann es anders sein, als daß der Abend
bejubelt wurde? Da konnten sich die
Spieler, die Tänzer und die Musiker der
Combo erst nach vielen Wiederholungen
zur verdienten Premierenteier begeben.
Der anwesende Autor des Stückes, Jero-
me Savary, war mit dieser deutschen
Erstaufführung sichtlich zufrieden.
Hans-Jürgen Wille
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