users Museen können in diesem Jahr auf eine 150jährige Geschichte zurückblicken. – Wir dürfen bei
dieser Gelegenheit mit Genugtuung und Stolz feststellen, daß hier in Lübeck der Museumsgedanke schon früh-
zeitig ~ schon 1800 – und damit früher als in den meisten anderen Städten Fuß gefaßt hat. ~ Durch eine
großherzige Stiftung der Dr. Walbaum’schen Erben wurde 1800 der Grundstock zur „Kunst- und Naturalien-
Sammlung der Gesellschaft“ gelegt. - Bis zur napoleonischen Zeit waren Bildergalerien und Kunstkabinette
fast ausschließlich Angelegenheit fürstlicher Persönlichkeiten; erst im 19. Jahrhundert begannen dann Länder,
Provinzen und Städt. zz sammeln. So wurde, um einige Beispiele zu nennen, die Hamburger Kunsthalle
erst 1850 eröffnet, das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg 1853 geschakken, und die berühmte
National Portrait Gallery in London 1856 gegründet. — Daß in Lübeck dieser Museumsgedanke schon so
früh zur Tat wurde, verdanken wir neben der Opferwilligkeit der Walbaum'schen Erben der tätigen Anteil-
nahme einer großen Anzahl von Männern aus dem Bürgertum, deren beste Kräfte sich in der 1789 gegründeten
Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit zusammengefunden hatten. — Aus dieser reichen,
fast unerschöpflichen Quelle flossen jene Kräfte, die es ermöglichten, die Lübecker Museen in jahrzehntelanger
Arbeit aufzubauen, und zwar als ein privates Institut, das fast 117 Jahre allein und ausschließlich getragen
wurde durch die Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit. – Erst nach der 1923 eingetretenen
Geldinflation, erst mit dem immer wachsenden Umfang der Sammlungen und den dadurch gesteigerten An-
forderungen gewährte auch der Staat eine zunächst begrenzte Beihilfe, bis schließlich im Jahre 1934 die
Verwaltung und auch das Eigentum an den Sammlungen selbst in die Hände der Stadt Lübeck überging. ~
Das war eine schon lange als notwendig erkannte Entwicklung, die das gute und enge Verhältnis zwischen
der Gesellschaft und den Museen in keiner Weise gestört hat. — Die Museen sind geblieben, was sie seit
ihrer Gründung immer waren. Wir dürfen auf ihre weitere glückliche Entwicklung durch Anteilnahme der
ganzen Stadt hoffen. - Nach der Zerstörung so vieler Zeugen des alten Lübeck sind wir dankbar, wenigstens
denjenigen Teil gerettet zu haben, der uns heute am meisten am Herzen liegt, die kulturgeschiehtliche Sammlung
des St.-Annen-Museums mit dem Behnhaus und dem Holstentor. Durch sie ist Lübeck heute immer noch reich;
Lübeck wird diese Schätze weiter pflegen im Sinne seiner großen hanseatisch-bürgerlichen Tradition.
H. G. Stolterfokt
Vorsitzender des Mus eum s b e ir ate s
Hundertfünfkzig Jahre Lübecker Museen
Mit 3 Abbildungen
Als die Erben des Arztes und Forschers J. J. Wal- philanthropischen Neigungen der Zeit. Sicher geschah
baum im Jahre 1800 das Naturalienkabinett ihres es in seinem Sinne, wenn die Nachkommen seine
Familienhauptes der Gesellschaft zur Beförderung Sammlung „zum gemeinen Besten“ der Gesellschaft
gemeinnütziger Tätigkeit schenkten und damit den stifteten.
Grund zur Entwicklung der Lübecker Museen legten, Die Gesellschaft ihrerseits entsprach sofort dem
wurde in Lübeck ein Gedanke verwirklicht, der den sStiftungsgedanken und bestellte zu Pflege und Ausbau
Museen im modernen Kulturleben einen neuen Sinn der Sammlung Walbaums Schwiegersohn Dr. Breh-
geben sollte. Statt der privaten Kunst- und Wunder- mer und den Senats-Syndikus Dr. C. G. Curtius,
Eammern, wie die ältere Zeit sie auch in Lübeck hatte heide Träger führender Namen des lübeckischen
entstehen lassen, verlangte man nun Sammlungen, die Bürgertums jener Zeit. Sie sind die ersten in einer
Belehrung und Genuß für alle bieten, nützliche langen Reihe von ehrenamtlich tätigen „Vorstehern“,
Kenntnisse verbreiten, der Aufklärung dienen sollten. ~ die für die verschiedenen Museumsabteilungen sich
Das Bürgertum war Träger der neuen Idee; der bürger- einsetzten. Die jährlichen Berichte, die sie der Ge-
lichen Welt des neuen Jahrhunderts gehört die sellschaft erstatteten, sprechen anfangs von manchen
moderne Form des Museums als Bildungsstätte des Stockungen, Raumnot vor allem und mangelnder
Volkes. „„For the general use and benefit of the Möglichkeit geeigneter Aufstellung der Objekte. Denn
public“ war schon 1759 das British Museum geöffnet der Bestand vermehrte sich schnell. Schon im
worden. Doch gab erst die Eröffnung des Louvre nächsten Jahre, 1801, schenkte der Pastor an der
als Museum 1793 das weithin wirkende Beispiel, das Burgkirche, G. N. Stolterfkoht, das , Voigtsche
auch im deutschen Bürgertum beachtet werden Kabinett von Gebirgsarten““, 1802 ist auch von einer
mußte. immer mehr anwachsenden ,„Modellsammlung““ die
In Lübeck war dafür der Boden besonders günstig, Rede, und man erwog bereits den Ankauf einer Vogel-
denn in der Gesellschaft zur Beförderung gemein- sammlung aus Lübecker Privatbesitz — seit 1804 gab
nütziger Tätigkeit, seit 1789 Sammelpunkt aller die Gesellschaft jährliche Zuschüsse. An eine Beihilfe
geistigen Bestrebungen, war hier ein Kreis Gleich- aus öffentlichen Mitteln dachte man damals nicht.
gesinnter vereinigt, bereit, sich für den neuen Ge- Indessen blieben die Naturwissenschaften nicht
Janken einzusetzen. Zu den Gründern der Gesellschaft lange das einzige Tätigkeitsfeld des Museums. Neben
gehörte Walbaum, ..der Tätigsten einer“, wie ihn die jene auf Belehrung und Wissen gerichteten Interessen
Inschrift seines Bildnisses nennt. Auf der jungen, traten die Bestrebungen nach geistiger Erneuerung,
fortschrittlichen Universität Göttingen gebildet, war die damals die deutsche Jugend ergriffen und eine
er ein eifriger Förderer der wissenschaftlichen und Miederbelebung der Mächte der Religion, Geschichte
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