Full text: Lübeckische Blätter. 1935-41 Beilagenband (77-83)

Bau, Möbel, Gerät bewußt auf jegliche Tradition ver- Weil er nicht von persönlichem Ehrgeiz und falschem zichten zu sollen, ohne sich klarzumachen, daß damit Kunststreben verleitet wird, weil er gewohnt ist, hinter verzichtet wird auf die gesamte Vorarbeit, die die seinem Werk zurückzutreten, sieht er keinen Anlaß, um Menschheit auf normalem Gebiete geleistet hat, weil der sogenannten persönlichen Note willen eine Form man auf Grund eines falschen Auswahlprinzips nicht willkürlich zu verändern. Deshalb kommt ihm, vom ahnt, wie nahe Vergangenheit und Gegenwart sich oft höheren Standpuntt betrachtet, eine sehr viel größere berühren. Immer wieder stoßen wir in modernen Ver- Bedeutung zu als dem Kunstgewerbler, der den öffentlichungen auf etwa folgenden Gedankengang: modischen Artikel erzeugt, der in all seinen Außerungen „Müssen wir nicht stolz sein, daß wir in der Zweckform ständig zu veralten bestimmt ist. Auf dem weiten Ge- etwas geschaffen haben, was wirklich unser eigenstes biet des Kunstgewerbes gibt es wenig ruhiges und ge- Eigentum ist, was wir nicht von früheren Zeiten ent- sundes Wachstum. Wir sehen viel ratloses Herum- lehnt, was wir nicht übernommen, nicht nachempfun- tasten, modische Spielerei, ein Bedürfnis, neues und den haben. Derartige Gedanken konnten nur ent- immer andres zu bringen, statt Vorhandenes weiter stehen, weil die Zweck- und Gebrauchsformen der Ver zu entwickeln und eine Sucht zu „entwerfen“, die selbst gangenheit bis heute fast völlig unbekannt geblieben nicht weiß, wie sehr sie im Grunde auf Nachahmung sind. Eine bedauerliche Folgeerscheinung ist die grund- beruht. sätzliche Ablehnung der Tradition überhaupt. Die Vergangenes läßt sich nicht zurückrufen, wohl aber verunklärende Wiedergabe des Kulturgutes früherer müssen wir anstreben, auch in unserer Zeit Bedin- Zeiten durch einseitige und falsche Auswahl hat das gungen zu schaffen, die früher ein derart organisches Band zwischen dem heutigen vorwärtsgerichteten Men- Wachstum der Formen ermöglichten. Dem ist die schen und seiner Vergangenheit durchschnitten und hat Maschine nicht feindlich. Nicht die Maschine macht viel unnötiges Kampfgeschrei und programmatischen Formen steril, und nicht die Handarbeit allein gibt ihr Unsinn verschuldet. Wohl war es nötig, die öde Stil- Leben. Das geheimnisvolle Leben der hier gezeigten imitation des 19. Jahrhunderts zu bekämpfen und zu Dinge beruht darin, daß der Strom der Jahrhunderte beseitigen, doch ist es ganz abwegig, damit auch die sspürbar durch sie hindurchgeht. Dieser Strom des echten lebendigen Werte der Vergangenheit ungenutzt Werdens ist seit Generationen versiegt, aber die Er- zu lassen. Es ist eine wichtige Aufgabe, diese Irrtümer neuerung des Geistes, der einmal diese vorbildlichen zu klären und die verlorenen Entwicklungszusammen- Erzenugnisse schuf, muß möglich sein, ebenso möglich hänge neu zu knüpfen. Sammlung, Sichtung und eine gleich strenge Schulung der Handwerkerhände, wie Ordnung der Formwerte der Vergangenheit sind wich- sie früher selbstverständlich war. tige Vorbedingungen, zum mindestens wertvolle Hilfs- Das alles kann jedoch nicht gelingen, solange wir mittel einer neuen und gesunden Handwerkserziehung. das schlichte, formschöne Gerät der Vergangenheit miß- Erziehung des Auges und Schulung des Untersschei- achten und übersehen und das pruntvolle, überzüchtete, dungsvermögens bilden nun einmal die Grundlagen innerlich unechte Erzeugnis beispielgebend zur Schau jeder handwerklichen Kultur. Es ist erfahrungsgemäß stellen. Eindeutig gilt es klarzumachen, daß das Werden sehr schwierig, die erforderlichen einwandfreien Vor- des Einfachen viel mehr Geist, Willen und Arbeits- bilder, sozusagen Mutterbeispiele, ohne die ein unter- disziplin erfordert, als das Anbringen von Schmuck- scheidungsvermögen Jich nicht entwickeln kann, dem formen, dem mechanische und nicht schöpferische Vor- Schaffen der Gegenwart zu entnehmen, weil diese gänge zugrunde liegen. naturgemäß immer umsttritten ist und in der Auswahl Die Schöpfer des Alltagsgeräts, die schlichten, wirk- dem Geschmack oder Ungeschmack des Erziehers allzu lichen Handwerker, verrichten ihr Leben hindurch die Urte. pickt lst. Fetus! hd tt the ct; s pu fut . Â: die Jahrtausende hindurch im Gebrauch bewährt sind, mit der Kunst, die dem Handwerk selten gut bekommen die sich nicht verändern brauchten, weil sie unüber- ist, blieb ihnen erspart. In geduldiger Hingabe an die trefflich sind, sind berufen, den natürlichen Ausgangs- Arbeit, die sie beherrschten, schufen sie anspruchslose, punkt zur Aneignung von Formbegriffen zu bilden aber in sich vollendete Dinge. Im Gebrauch bewährte, auch für unsere Zeit. Das Wachstum dieser Formen zweckvolle schöne Formen, deren Herkunft sich zuweilen war ja kein künstliches, sondern war ein organisches um Jahrhunderte zurückverfolgen läßt, dienten ihnen über die Jahrhunderte fortseßendes, natürliches Ge- als Ausgangspunkte ihres Tuns. Unmertlich und schehen. überlegt wurden die Veränderungen, die Verbesse- Das unbekannte, das namenlose, das schlichte Hand- rungen vorgenommen, wenn Verhältnisse eintraten, werk, das nicht im einzelnen Menschen, sondern in der die diese möglich oder nötig machten. Gemeinschaft schöpferisch ist, ist Träger dieses natür- Hingabe an das Werk der Hände, Achtung vor der lichen Geschehens. Dieses unbekannte Handwerk be- überlieferten Form, uralte Erfahrung, sichere Schu- wahrt und überliefert den ewigen Formbesit, der lung und werkgerechte Arbeit, die unechte Zutat ver- Menschheit. Der echte Handwerker hegt immer schmähte, wirken zusammen, um die vorbildlichen Achtung vor der gewachsenen und bewährten Form. Leistungen des unbekannten Handwerks zu erzeugen.
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