— entgegen allen anderen An-
sprüchen — dieses Werk zur deut-
schen Runstgeschichte rechnen.
Für Lübeck ist es von Bedeu-
tung, weil es eine bervorragende
Stufe in der Geschichte des mittel-
alterlichen Reitermonuments
darstellt. Abgeseben von dem
Reitermonument Karls des Gro-
ßen, das wegen seines Formats
sowobl als auch wegen der späte-
ren Zutaten (das Pferd ist ein
Werk der Renaissance) nur als
Vorläufer gewertet werden kann,
stellt der berühmte Bamberger
die erste und so großartige Ld-
sung eines freiplastischen Reiter-
monuments in der deutschen
Runstgeschichte dar. Doch er
— wie auch sein Magdeburger
Bruder > ist noch unmittelbar
tt testeten: rr Ubb. 6 Zeiliger TMepomuk auf der Rarlsbrücke. Im Sintergrund Zradschin mit St. Veit
J e t
nur ganz frei, sondern bezieht .
auch den Freiraum in die Skulptur ein + und damit bekennt sie sich zu den malerischen Tendenzen des Zaährhunderrs. Wir erkennen dort
die strenge Gebundenheit der staufischen Rlassik in Form und Gehalt, bier das aufgelockert Verbindliche des Ssfischen: Y
Der St. Jürgen MNotkes + halb englische Erscheinung, halb prunkende Rittergestalt —, der bei allem weltlichen Glanz und Unfwand eben
doch nicht kraft seiner eigenen Stärke, sondern kraft seiner göttlichen Sendung siegt, verkörpert die letzte Phase des mittelalterlichen Reicer-
monuments. Ls ist an dieser Stelle nicht nötig, auf den geistigen sSintergrund dieses Werks binzuweisen, das auf der Grezze zweier
Weltalter steht und das Renaissssancegedanken und mittelalterliche Gläubigkeit in so eigentümlicher Weise hereivt: Das gewaltig Meue dieses
Denkmals gegenüber den früheren Formungen dieses Themas liegt + abgesehen von der Erweiterung des ikonographischen Programms —
in der alles erfassenden stürmischen Bewegung, die nicht nur die Gesamtform, sondern auch das Derail beherrscht. Was sich im Prager
Georg in der Torsion des Ritters und im tänzelnd scheuen Schritt des Pferdes keimbaft regte, diese wie von einem linden Windstoß erregte
Bewegung ist bei dem Motkeschen Jürgen zu einem brausenden Sturm geworden. :53 L.
Der St. Jürgen Sennings von der Seide kann, ja, er muß als Gegensatz zum Morkeschen verfanden werden. Mur vom ztsckhotner
St. Jürgen erhalten wir das Maß der schöpferischen Leitung des Zenning. Sein Gesort zt hescheivener im Programm und H: den Ws;
maßen gehört einer anderen Generation an. Ls ist nicht die spätmittelalterliche, sich in sich selost überschlagende Phantastik dér Spätgott ,
sondern der Senningssche Jürgen atmet schon Renaisssancegeist. Sein Georg ist nicht mehr Seiliger, keine überirdische Erscheinung, sondern
ein böchst lebendiger Kämpfer,
der sich kräftig in die Bügel
stemmt, um zu dem entscheiden-
den Schlage auszubholen. Der
Stockholmer ist bei aller Denk-
malbaftigkeit doch „nur“’ Sym-
bol – Versinnbildlichung der
christlichen Legende, der Lü-
becker aber bandelt in selbstherr-
licher Gegenwärtigkeit. Und was
wäre die neue Betonung des
Rörperlichen, diese neue Verge-
genwärtigung der Tat anderes
als — „,Renaissance'’ ?
Wir wollen dabei nicht vergessen.
daß die Formensprache im einzel-
nen noch sehr viel ,„Gotisches“
bat, aber der Gesinnung nach
war hier doch ein Werk geschaf-
fen, das über Notke binaus der
Lübecker RKunst eine ganz neue
Richtung hätte geben können + [ .
aber Lübeck blieb gotisch. Röthel Abb. 7 Zradschin-Auffahrt . Blick über die Stadt