Full text: Lübeckische Blätter. 1911 ; Stenographische Berichte über die Verhandlungen der Bürgerschaft zu Lübeck im Jahre 1911 (53)

7192 durch die wie schwerer und unnötiger Ballast sich an leicht hingeworfene Schlußduett. Vor allem ist die einzelne Szenen hängenden Längen, durch die die Musik viel durchsichtiger geworden, als wir sie in der Einheitlichkeit namentlich des ersten Aktes jäh zer- auch hier aufgeführten „Salome“ kennen lernten, so rissen wird. Lag für den Dichter ein inneres Muß wenig Strauß auch im ,Rosenkavalier“ darauf ver- vor, einen großen Teil des Aufzuges durch die wenig zichtet, alle Klangwirkungen des modernen Orchesters übersichtliche Szene der antichambrierenden Morgen- auszunüßgen. Daß es Richard Strauß besonders besucher so unnötig in die Länge zu ziehen? Und reizen mußte, die Musik zu einem Lustspiel zu schreiben, vor allem: gab es denn keine andere Lösung als die, erklärt sich nicht nur daraus, daß er kurz vorher ein den letzten Aufzug zu einer Burleske zu gesstalten, musssikalisch so schweres Werk wie „Elektra“ ge- der man nicht einmal den Vorzug besonderer Witigkeit schrieben hatte, wir können gleiches ja auch in dem zusprechen kann? Enmpfindlicher hat mich nichts Entwicklungsgange Wagners verfolgen, sondern mehr gestört als dieser Akt. Und dazu kommt noch eins. noch aus der reichen Begabung des Komponisten für den Ich habe über Hugo von Hoffmannsthal nichts gelesen, Humor. Ihn haben wir vor allem in seiner genialen aber ich halte ihn für einen unmusikalischen Dichter. Humoreske ,„Till Eulenspiegel“ empfinden dürfen, und Wer das Textbuch, das übrigens manche witzige, in gleichem Maße, wenn auch nicht in der konzentrierten durch die Musik aber verdeckte Pointen enthält, liest, Form, tritt er uns in „Don Quixote“ und einzelnen wird sich des Eindrucks nicht erwehren, daß ihm, ich Episoden der „Bymphonia domestica“ entgegen. Wie möchte sagen, die Melodie fehlt, die Rhythmik der fköstlich zeichnet Strauß den Ochs von Lerchenau, Mugik, die befruchtend auf die Phantasie des Kom-. welch entzückende Parodie voll Geist schenkt er uns ponisten einwirkt. Um so staunenswerter ist, was in der Bravourarie des italienischen Tenors und dem Richard Strauß in diesem Werke geschaffen hat. Zum Terzett der adeligen Waisen. Das alles ist so un- Musikdrama hat es ihn schon frühzeitig hingezogen, übertrefflich charakteristisch, daß man versöhnt wird zuerst in seinem op. 25, der dreiaktigen Oper „Gun- auch mit den Partien der Komödie, die musikalisch tram“. Wie er in seinen sinfonischen Dichtungen auf als weniger bedeutungsvoll anzusprechen sind. Man Franz Liszt fußt, dessen Jdeen dann allerdings bis zu den sollte meines Erachtens dem Tondichter daraus keinen lezten Konsequenzen ausbauend, so lehnt er sich in seinem Vorwurf machen, daß er in der Zeit Maria Theresias Erstlingswerke auf dramatischem Gebiete an Richard den Walzertakt so auffallend bevorzugt, aber darüber Wagner an. Alber schon in seinem Sinngedicht kann man immerhin verschiedener Meinung sein, [U „Feuersnot“ ist es der ganze Richard Strauß, dessen dieser unverkennbar populäre Einschlag der Musik mit Sein uns aus der Partitur entgegenleuchtet, und in ihrem Anklang an den Operettensstil zu ihren Vor- noch erhöhterem Maße trifft das für „Salome“ und zügen gerechnet werden darf. Ich habe es nicht „Elektra“ zu, Dramen, denen man einen spezifischen. empfunden, um so weniger, wenn man das Gefühl nicht J Stil zusprechen muß. Natürlich wird man Richard zu bannen vermag, daß in den Walzern eine Kon- ; Strauß nicht losgelöst von der ganzen neuzeitlichen gßession an die Masse gemacht ist, ganz abgesehen da- Ä Entwicklung der Musik betrachten dürfen. Daß ers von, daß Johann Strauß seinem Namensvetter in a sich in seinen Ausdrucksmitteln auf dem Boden des diesem Punkte doch überlegen iste. Aber was man d Gewordenen bewegt und bewegen muß, liegt auf den auch gegen den ,Rosenkavalier“ im einzelnen ein- il Hand. Aber keiner kommt ihm gleich in dieser einzig- wenden mag, eine künstlerische Tat von eminenter x artigen Steigerung des Ausdrucks, dieser Realistik, Kraft bleibt diese Komödie doch, und wir können der I die auch vor dem Gewagtesten nicht zurückschrickt, dern direktion unseres Stadttheaters nur zu Dank ver Treffsicherheit, mit der er jede Situation musikalisch pflichtet sein, daß sie an dem Werke trotz aller zu malen weiß. Was uns ihn schwerer verständliehh Schwierigkeiten desselben und trog der gewaltigen . macht, ist die Kompliziertheit seiner Ausdrucksformen, Kosten nicht vorübergegangen ist. Möge ssie unser : das Fehlen der einfachen Linie, wie wir sie bel Publikum nun auch weiterhin so tragen, wie es bei ( Richard Wagner in ihrer unübertrefflichen Schönheit. der Erstaufführung durch ein erfreulicherweise aus. s verfolgen können. Ich habe vom , Rosenkavalier“ verkauftes Haus geschah. Hat die Direktion sür sich den Eindruck gewonnen, als ob Strauß von dem| die künstlerische Verpflichtung eingesehen, uns dieses I. Wege, den er in „Salome“ einschlug, zurückgekehrt issNn. Werk zu bieten, sollte man sie auch so unterstützen, . In der Tragödie Jochanaans eine motivisch kurzatmggen. wie es von unserm musikalisch interessierten Publikum . Musik, bunt schillernd in ihrer oft kalten Farbenpracht, in erwartet werden muß. S der Rokokokomödie „Der Rosenkavalier“ warm quellende Die Aufführung des ungemein schwierigen Werkes ke Melodik von all der Eindringlichkeit, wie wir sie aus" war geradezu glänzend und in jeder Beziehung seinet zr den schönsten Liedern des Komponisten kennen. Ihr würdig. An dieser Vorstellung hätte auch der durch fi verdanken wir die entzückende Frühstücksszene in ihrem die glanzvollen Darstellungen an den Kunstzentren an Mozart erinnernden Stil, das herrliche Terzett. unseres Vaterlandes verwöhnte Komponist eint des letzten Aufzuges, die Krone des Werkes, und das ß Freude gehabt. Wenn uns alle Schönheiten dieses
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