Full text: Lübeckische Blätter. 1911 ; Stenographische Berichte über die Verhandlungen der Bürgerschaft zu Lübeck im Jahre 1911 (53)

769 des lezten Stückes der Torstraße von der Dankwarts- gibt es ja schließlich überall, aber dieser eckige brücke an motiviert ? Da die Wallstraße nicht eingehen Straßenbaugedanke leistet doch eigentlich des Guten kann und zwei Straßen zu teuer sind, muß eben zu viel Nun, nomina sunt odiosa. Nur auf eines die Torstraße eingehen, so scheint die eine Moti-. müssen wir hinweisen. Wir glauben nicht, daß dieser vierung zu lauten. „Der Plat ist so wertvoll“ usw. Gedanke aus unserem Bauamt stammt oder über- Das Gerede vom Werte jedes Quadratmeters städtischen haupt einen Techniker als Vater oder Anwalt hat. Bodens und den Versuch, möglichst alles zu ver.. Ein Techniker, der Verkehrsfragen so unfrei und kaufen oder zu bebauen, kennen wir jetzt allmählich. unselbständig gegenüberstände und in das Wesen der Wer aber richtiges Verständnis für eine gesunde Städte- und Straßenbaukunst so wenig eingedrungen kommunale Bodenpolitik besitt, der weiß, welche wäre, daß er in diesem Falle lieber über Eck als Bodenwerte gerade durch die Anlage geradliniger, geradeaus die Straße führen wollte, wäre ja über- möglichst bequemer Straßen für den Verkehr ge. haupt nicht an seinem richtigen Platze. Hier gibt schaffen werden. Damit ist es also nichts. Und es für den Techniker, selbstverständlich auch den, der der Verkehr selbst, der am Holstentor heute schen mit Nachdruck und Berechtigung ästhetische Inter- fast lebensgefährlich wird, hat der kein dringendes esssen vertritt, nur eine, die gerade, sonnenklar Recht auf Berücksichtigung und kürzeste Führung? vorgezeichnete Richtung der großen künftigen Ver- Freilichh Er muß so schlank wie möglich durch, kehrsader. Den Ausdruck „Prachtstraße“, den man geführt werden. Heute stößt er sich bei uns leider gelegentlich hierfür hört, haben wir absichtlich nicht schon an unendlich vielen Ecken. Und sollen wir verwandt. Der Verkehr allein ist das Wesentliche, künstlich noch neue Ecken und Wegeverlängerungen die Pracht ist nebensächlich. schafen? Was für Anschauungen! Man kann Lübeck hat für den mustergültigen Ausbau seines nur staunen und — nicht begreifen. Ein großer HWasserstraßennetzes große Summen ausgegeben, Platz soll dort geschaffen werden. Soll er mit üùlerall haben wir verlegt und begradigt. Es scheint, inonumentalen Gebäuden später einmal besett werden, als wenn darüber in den lezten Jahrzehnten das [o kaun man ihn auch von allen Seiten mit Straßen Land-. und Stadtstraßenneyt und sein Verkehr zu umrahmen, d. h. die Torstraße auf der einen Seite wenig berücksichtigt sind. Ein Blick auf den Stadt- durchführen und die Wallstraße auf der andern lassen. plan und die Umgebung, insbesondere die Vorstadt- Es sollen sogar ästhetische Momente, nämlich die im verbindungen, lehrt, wie der Landverkehr, der durch heutigen Städtebau übliche Krümmung der Straßen das Aufkommen des Automobils doch schlanke, gerade zur Begründung des unglaublichen Straßenzuges ins Führungen verlangt, sich hundertfältig eckt und stößt. geld geführt sein! Das wollen wir zur Ehre der. Er lehrt auch, wie überall noch die so notwendigen lenigen, die es angeht, nicht glauben. Wer sich mit kürzeren Verbindungen der Vororte mit der Altstadt städtebaulichen Fragen beschäftigt, muß wissen, daß über das Wasser hinweg fehlen. St. Lorenz-Nord die Hauptverkehrszüge die kürzesten Wege fehlt die Verbindung mit St. Gertrud, St. Lorenz- führen; daß alle ins Freie strebenden Hauptstraßen Süd diejenige mit St. Jürgen, einzig Marli hat ge- so schnell wie möglich den Verkehr hinauslassen, nügende Verbindungswege. Wenn in der Stadt selbst alle Hauptverbindungslinien geradlinig führen müssen, duns die Rücksicht auf das historische Stadtbild manches wenn die Ebenheit des Geländes es gestattet. Die erhalten läßt, was dem Vertehr sonst zum Opfer Straßenkrümmungen in den Wohn- und Nebenstraßen fiele ~ in den wenigen Hauptstraßenzügen wird sind außer durch ästhetische Rücksichten auch noch dennoch eine Verbesserung bald nicht zu umgehen durch Vindschuy, Geländeverhältnisse u a. bedingt. sein , so sollen wir Menschen von heute doch nicht Mit feinem Gefühl haben unsere Altvordern die aus eitel Unverstand oder kleinlichen Erwägungen Alleen vor den Toren möglichst gerade gezogen. zuliebe dem Verkehr der Zukunft Hemmnisse bereiten. Vir haben an dieser wirtschaftlich richtigen Anlage Das würde aber die Verlegung der Torstraße heute auch uneingeschränkten ästhetischen Genuß. Mit in die Erste Wallstraße bedeuten. Sie kann der sozenannten StädtebauÄsthetik ist es also auch nur so gebaut werden, wie das Gleis es vorschrieb, nichts, D gerade die Rücksicht hierauf sollte vor dem das andere wäre eine unglaubliche Torheit, unsere Schildbürgerstreich der eckenden Torstraße bewahren. Nachkommen würden den Namen Torstraße mit , Schließlich wird man auch fragen, von wem denn Recht in Torheitstraße umtaufen. Dagegen können c!gentlich die merkwürdige Idee stammt, von der so wir uns heute noch schützen, und wir hoffen, daß klar gegebenen Straßenroute abzugehen und die doch dies geschieht ! 62. sonst in unserm freien Staate nicht beliebte ~e „Schwenkung nach rechts" vorzunehmen. Torheiten
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