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schwerer Krankheit, körperlicher Gebrechen, geistiger . Stimmklange gerecht wird, wie er sein Organ ein-
Schwäche oder hohen Alters nicht mehr in der Lage, zustellen weiß, um die Personen auch als Sänger,
ihren Unterhalt durch ihrer Hände Arbeit zu erwerben. nicht nur als Darsteller, auseinanderzuhalten. Den
Hart ist oft ihr Los und kümmerlich ihr Leben. Hoffmann sang Herr Kollwitz, als Liebhaber Olympias
Andere stehen allein oder fristen im Armenhause ein nicht immer ganz überzeugend, so warm die Stimme
wenig befriedigendes Dasein. Um hier zu helfen, auch strahlte. Ausgezeichnetes bot der talentvolle
haben sich in fast allen Staaten und preußischen Sänger in den Schlußakten, in denen er aufs neue
Provinzen Taubstummen-Fürsorgevereine. gebildet, die den Beweis erbrachte, daß wir in ihm einen es mit
das schöne Ziel verfolgen, notleidenden Schicksals- seiner Kunst sehr ernst nehmenden Künstler zu schäten
genossen in besonderen Taubstummenheimen Zufluchts- haben. Fräulein Mara, die bestimmt ist, das aus
stätten zu errichten oder doch wenigstens den aller- dem Verbande geschiedene Fräulein Ternitz zu erseten,
bedürftigssten unter ihnen durch regelmäßige Unter- führte sich als Olympia nicht übel ein. Ob sie auch
stützungen ein sorgenfreieres Dasein in ihrer gewohnten anspruchsvollen Koloraturpartien gewachsen sein wird,
Umgebung zu verschaffen. Auch in Lübeck haben sich möchte man nach diesem Gastspiel nicht entscheiden.
die erwachsenen Taubstummen zu einem solchen Verein Im Legatogesang ließ die Ausbildung recht merkbare
zusammengeschlossen, der nach § 1 seiner Saßung die Mängel, die sich vor allem in der Unsauberkeit mancher
Förderung des religiösen, sittlichen und geistigen Passagen und einer nicht immer präzisen Rhythmik
Lebens seiner taubstummen Mitglieder sowie die An- äußerten, erkennen. Recht gut war Fräulein Widhalm
sammlung eines Kapitals zur Unterstützung notleidender als Giuletta, prachtvoll Frau Kruse-Tiburtius, die die
Taubstummer bezweckt, und dem nach § 2 auch Antonia zu ergreifender Wirkung brachte. In den
hörende Personen als unterstütßende Mitglieder bei- kleineren Rollen fügten sich Fräulein Voß, Fräulein
treten können. Arkadij und die Herren Holmquist, Fabian und Schorn
Die Leitung des Vereins liegt in der Hand eines dem Ensemble aufs beste ein. Der Gesamteindruck
Vorstandes, der aus fünf Mitgliedern besteht, von der Vorstellung, in der auch der Chor im Vor- und
denen drei dem Lehrerkollegium der Berend Schröder- Nachspiel sein Bestes gab, war dank der temperament-
schen Schule angehören müsssen. vollen musikalischen Leitung durch Herrn Kapellmeister
Möchten diese Zeilen dazu dienen, die Aufmerk. HBlumann so günstig, daß man der Oper eine Reihe
samkeit weiterer Kreise auf das Bestehen des Vereins von Aufführungen wünschen möchte. Die Direktion
zu lenken und den Taubstummen neue Freunde zu täte gewiß gut daran, wenn sie ihre Chancen ausnütte,
gewinnen. Str. um so mehr, da dieses Offenbachsche Werk zu den
T Rc, ZJI Lieblingsopern unseres Publikums gehört, seitdem wir
Theater und Musik. es zum erstenmal im Stadthallentheater hörten.
Hoffmanns Erzählungen. Oper von I. Offen. Der Troubadour. Oper von Verdi.
bach. Als Azucena gastierte am Freitag Frl. Kallenbach
Es war eine prächtige, bis auf einige Kleinigz,. vom Krefelder Stadttheater. Ich nehme nicht an,
keiten im ersten Akt fein ausgefeilte Aufführung von daß das Gastspiel zu einer Verpflichtung der Sängerin
Offenbachs phantastischer Oper, die uns am Sonntag für die nächste Spielzeit führen wird Daß es dem
geboten wurde. Ich liebe diese charaktervolle Musik, Gaste an dem satten Klange der echten Altstimme
an der nichts an den Parodisten und Satiriker aus gebricht, soll für meine Ablehnung nicht den Grund
der Zeit des zweiten Kaiserreiches erinnert, sehr, und bilden, obgleich er immerhin stichhaltig genug erscheinen
mehr noch, wenn die äußere Aufmachung des Werkes dürfte. Viel schwerer wiegt mir die Verbildung des
auf den farbenfrohen Ton abgestimmt wird, an dem Organs, die jede ruhige Kantilene wie überhaupt die
man sich, namentlich im zweiten Aufzuge, erfreuen gleichmäßig strömende Tonbildung ausschließt, von
durfte. In der Beseßung der Hauptrollen begegneten den nicht minder schweren Mängeln der Vokalisation
wir in den Herren von Schenck (Spalanzani) und und der oft verschwommenen Rhythmik ganz zu schweigen.
Langefeld alten Bekannten aus den Aufführungen der Ich erblicke nicht einmal eine Notwendigkeit darin,
Oper im Vorjahre. Daß unser Heldenbariton die die Sängerin noch in einer anderen Rolle zu hören.
besten Vorzüge seiner Gestaltungskraft in dämonischen. Haß sie eine gewandte Schauspielerin ist, will ich ihr
Partien entfaltet, durfte man auch hier wieder beob- gern zugestehen, wenn ich auch den Eindruck nicht
achten. Sowohl sein Coppelius als der Dapertutto bannen konnte, daß es sich weniger um eine von innet
und der Doktor Mirakel waren außerordentlich heraus gewordene Gestaltung dieser beliebten Paraderolle
charakteristische Nachschöpfungen, packend in jeder Phase. handelte. Für den erkrankten Herrn Pistori sprang per
Vielleicht ist es auch andern aufgefallen, wie vollendet Heldentenor der Rostocker Bühne, Herr Fredy Busch, eit
der Künstler diesen phantastischen Gestalten auch im der den Manrico mit 'anerkennenswertem Bemihen