Full text: Lübeckische Blätter. 1911 ; Stenographische Berichte über die Verhandlungen der Bürgerschaft zu Lübeck im Jahre 1911 (53)

606 praktish so gut wie unmöglich, die Tageszeitung widerstandsfähig gegen gefährdende Einflüsse machen wegzuschließgen. Junge Menschen, denen häufiger könnten. solche aus der ganzen Welt zusammengetragene Angesichts dieser Notstände müßten wir verzweifeln, Scheußlichkeiten zu Gesicht kommen, müssen das wenn nicht bereits lebendige Kräfte zu ihrer Hebung Gefühl bekommen, daß das Gräßlichste und Perver- am Werk wären! sesle etwas Häufiges, ja Gewöhnliches sei. Die durch Dank der Mahnungen und Aufrufe, die in den keine Lebenserfahrung korrigierte Phantasie wird deshalb letzten Jahren aus jugendfürsorgerischen Kreisen, aus gar zu leicht in allem Unrat sehen und hinter allem den Reihen der Richter und Ärzte ergangen sind, ist nach ihm spähen. Naturen aber, die auf der die Erkenntnis von der Notwendigkeit prophylaktischer moralischen Wasserscheide stehen, werden durch den Fürsorge durchgedrungen und hat die Blicke der sozial- Anreiz der Vorbilder unrettbar dem Verderben zueilen. interessierten Kreise in viel stärkerem Maße als je Auch bilden diese genauen Berichte für die gewerbs- zuvor auf das Hortwessen hingelenktt. In den letzten mäßigen Verbrecher eine mindestens ebenso gute Jahren ist auch die Zahl der Horte in Deutschland Schule wie der Austausch der „Erfahrungen“ in der bedeutend gestiegen. Verbrecherkneipe. Nach einer von der Deutschen Zentrale für Jugend- Aus diesen Gründen wird eine moralische Sozial- fürsorge herausgegebenen Zusammenstellung bessitzt hygiene, die Ursachen-, nicht Symtompolitik treiben will, Deutschland ca. 930 Horte und verwandte Einrich- ein Gesetz erstreben müssen, das den Zeitungen das tungen in 246 Orten (362 Mädchen-, 342 Knaben-, Recht zur unabsehbaren Weiterverbreitung moralischer 229 gemischte Horte). Infektionsstoffe nimmt. Die Zeitungen dürften also Das wachsende Interesse für die Kinderhort- nicht über die Einzelheiten, die in einer Gerichts- bewegung trat auch auf der Konferenz, die die verhandlung notwendigerweise aus den Schlammtiefen Deutsche Zentrale für Jugendfürsorge im Juni d. J- der Entartung und Verkommenheit heraufgeholt in Dresden unter Leitung ihres zweiten Vorsitzenden, werden müssen, berichten, sondern sie hätten nur kurz des Herrn Prof. D. Freiherr von Soden, veranstaltete, das Urteil und dessen sachliche Begründung, vielleicht in erfreulicher Weise zutage. Die Versammlung, die in der Fassung des Gerichts selber zu bringen. Vertreter der Kinderhorte von Groß., Mittel- und Ein solches Verbot kann den anständigen Zeitungen Kleinstädten aus allen Teilen Deutschlands vereinte, unmöglich schaden, würde von ihnen vielleicht sogar stellte den ersten Versuch zu einer großen Organisation begrüßt werden, da es sie von dem Zwange befreien des gesamten deutschen Hortwesens dar. würde, der ihr durch die Konkurrenz der Sensations. Die erste deutsche Kinderhortkonferenz hatte es presse auferlegt ist. sich zur Aufgabe gemacht, Grundsätze und Richtlinien Auf die ,wirtschaftlichen Jnteressen“ dieser für eine großzügige Entwicklung des Hortwesens zu Presse Rücksicht zn nehmen, liegt aber kein Grund vor. geben. 1065. Eine äußerst rege Erörterung rief die Frage M . Ä der Aus wahl der Kinder hervor, die mit Kinderhortwesen. Recht als das scwierigste Organisationsproblem Aufsichtslose Schulkinder! Wir alle kennen diese angesehen wird. Die Referentin, Fräulein Anna inder, die an den Straßenübergängen spielen oder von Gierke, Leiterin des Charlottenburger Jugend- quf den staubigen eingezäunten Spielplätzen der Grops-. heims, forderte organische Einordnung der Horte tadt nebeneinander – man möchte oft sagen über. in die allgemeine Volkserziehung, auf genauer rinander hocken; Kinder, die sich in ihrer freien Zeit Kenntnis der persönlichen Verhältnisse der Kinder ungezügelt umhertreiben, die niemand aus der Stadt beruhende Auswahl der Hortzöglinge, ständige Fühlung- hinaus ins Freie führt; in Licht und Luft und Raum nahme von Hort, Elternhaus und Schule. Fräulein beengte Geschöpfchen ~ die seelisch und körperlich Hanna Mecke, Leiterin des Evang. Fröbel-Seminars, unterernährte Großstadtjugend! dWir sehen diese Kassel, gab vielseitige Anregungen für die Propaganda Kinder – und die Zahlen der Statistik: und die Verwirklichung des Hortgedankens, insbesondere 54 600 jugendliche Verbrecher in Deutschland, in solchen Orten, wo die Errichtung von Horten auf 49 000 Fürsorgezöglinge in Preußen Schwierigkeiten stößt; auch wies sie neue Wege zur werden zu ahnungsschweren Mahnworten. Anbahnung von Beziehungen zwischen Eltern nnd Hier ist der empfangsbereite Boden für die Ver. Heortleitern. ! breiter psychischer und sittlicher Volkskrankheiten, der Die innere Ausgestaltung der Kinderhorte bildele Herd für die Bakterien der Schundliteratur, der das zweite Verhandlungsthema. Fräulein Lily Droescher Unsittlichkeit. Hier fehlen Sonne und schützende Liebe, vom Pestalozzi-Fröbelhaus, Berlin, und Direktor Pabst, die die schädlichen Keime töten und die Jugend Leipzig, gaben in ihren Vorträgen über die Be-
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