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einandergehalten. Man darf aus so wenigen Zahlen Probe gegeben hatte, voll zu entfalten. Eine sym-
natürlich nicht ohne weiteres verallgemeinern,’ dennoch pathische Erscheinung mit weichem, modulationsfähigem
reden die Weiskopfschen wohl recht deutlich von dem Organ und harmonisch ausgeglichenen Bewegungen,
engen Zusammenhang zwischen den Schulnöten und gebietet sie über Töne von ganz wunderbarer Innig-
den sozialen Zuständen. Selbst die gründlichste Schul- keit, deren echter Klang nicht bloß unser Ohr um-
reform wird keinen genügend festen Boden unter den schmeichelt, sondern zu Herzen dringt; und nur —
Füßen gewinnen können, wenn nicht eine Besserung um auch eine Grenze ihrer schönen Gaben anzudeuten
der Verhältnisse, in denen die Eltern leben, zugleich — im höchsten Affekt scheint das Organ. nicht ganz
erzielt werden kann. (Kunstwart.) auszureichen. Zu Beginn des Stlickes denke ich mir
t die Hero mehr in einem seelischen Dämmerzusstand
Theater und Musik. befangen, in dem die mit ihrem kleinen Reich des
Des Meeres und der Liebe Wellen. Trauer- Tempeldienstes Verwachsene etwas weniger beweglich,
spiel von Grillparzer. etwas schlichter und herber in Wort und Gebärde
Grillparzers Herotragödie ist nach der ziemlich sein könnte. Sehr schön dagegen kam die durch das
allgemein herrschenden Anschauung die vollendetste Erscheinen Leanders erweckte Leidenschaftlichkeit zum
deutsche Liebestragödie. Vielleicht ist. das trotzdem Ausdruck, die die eigentliche Natur Heros erst zutage
richtig. Denn obgleich es mir als. ein Ausdruck treten läßt: jene keusche Sinnlichkeit, die sich mit
überschwenglicher Begeisterung erscheint, wenn einzelne naiver Selbsstverständlichkeit gibt „Komm morgen
Stimmen dieses tragische Idyll dem jauchzenden und denn!“. Die lyrische Szene im Turmgemach bedeutete
schluchzenden Nachtigallenlied von Verona gleichsetzen, den Höhepunkt der Darstellung. Doch auch in der
so birgt es doch eine solche Fülle von echter Poesie Wiedergabe der tragischen Erschütterungen der Ent-
und bester Stimmungslyrik, daß man dadurch für täuschung, des Schmerzes, der Reue zeigte Fräulein
eine gewisse Armut an dramatischer Bewegung reichlich Wuttke eine beachtenswerte Mannigfaltigkeit im Aus-
entschädigt wird. Auch machen sich hier weniger als druck, und eine folche ist um so notwendiger, als Hero
in andern Werken des Dichters die Auswüchse der ja nicht von der elementaren Gewalt des Liebes-
Grillparzerschen Verssprache bemerkbar, jener immer schmerzes überwältigt an der Leiche des Geliebten prima
ein wenig auf Stelzen gehenden Sprache, die so vista entseelt hinsinkt, sondern einen, wenn ich so sagen
beladen mit Tropen, prunkenden Bildern und pathe- darf, fraktionierten Tod erleidet, der die dramatische
tischen Wendungen ist, daß der Hörer, über den sich Wirkung notwendigerweise abschwächen muß. Schon
der Strom der Rede ergießt, gar nicht Zeit hat, das jetzt läßt sich erkennen, daß wir in unserer Sen-
Gehörte geistig zu verarbeiten, zumal. seine Ver- timentalen eine Krast erworben haben, zu der wir
standestätigkeit durch den gleichmäßig melodischen uns beglückwünschen können.
Fluß der Verse in eine Art süßer Lethargie gelullt Herrn Schürers Leander entsprach den Absichten
wird, die dem Denken nicht förderlich ist. des Dichters: „Unentwictelte Dumpfheit, schüchtern.
Bei Shakespeare ist der Mann der Held, bei Im dritten Akt soll sich Heros Leideuschaft mehr
Grillparzer ists das Weib. Wie Heros bei aller selbsttätig entwickeln, als daß sich Leander besonders
jungfräulichen Herbheit ganz naiv-sinnliche Mädchen- tätig dabei erwiese. Frisch, tatkräftig soll Leander
seele aus den sicheren Bahnen ihrer Selbstgenügsam- nur im vierten Akt sein." Das war alles im ganzen
keit herausgeworfen wird, wie sie, vom Schwindel richtig getroffen. Ob die Beschränkung bewußte
einer leidenschaftlichen Liebe erfaßt, alles um sich her Absicht oder aus der Not geborene Tugend war, läßl
vergißt und mit allen Fasern ihres Denkens und sich noch nicht entscheiden, ein Urteil über den jungen
Fühlens allein an dem Gegenstand ihrer heißen Zu- Darsteller werden wir erst nach andern Proben seines
neigung hängt, wie sie, um das ersehnte Liebesglück Könnens gewinnen. – In so gemessenen Rollen,
betrogen, die Tragik des „Zwiespalts zwischen Gemüt wie dem Oberpriester, sehe ich Herrn Brunow am
und Leben“ erfahren muß und daran zugrunde liebsten, weil da seine schönen Mittel am reinsten
geht, das alles wird mit der tiefen Kenntnis der zur Geltung kommen. Gelänge es ihm, an einzelnen
weiblichen Psyche behandelt, die Grillparzer eigen ist, Stellen das deklamatorische Pathos noch ein wenig
wird in den zartesten Tönungen ausgemalt und mit mehr zurückzudämmen, könnte die von ihm geschaffene
dem duftigsten poetischen Zauber umkleidet. Gestalt an Wahrheit und Würde noch gewinnen.
Die Gestalt der Hero restlos auszuschöpfen isl Mit seiner Regie durfte man, abgesehen von einigen
keine leichte darstellerische Aufgabe und verlangt eine Äußerlichkeiten, einverstanden sein. +~ Von den übrigen
recht umfangreiche Skala von Kunstmitteln. Sie bot Mitwirkenden seien noch Herr Hoß als etwas burschikos
Fräulein Wuttke Gelegenheit, ihre Fähigkeiten, von angelegter Naukleros und Herr Nowak als Heros greisetr
denen sie schon als Skules Tochter eine vorläufige hast geschwätziger Vater mit Anertenuung genannl.