711 . Verhandl. d Bürgerschaft am 20. Novbr. 1911.
hingewiesen, daß jeder Arbeitgeber seine Arbeiter irgendwelche Beschwerden kommen, sagt, man
recht lange zu behalten sucht. Ich bezweifle wolle sie zunächst nicht weiter verfolgen.
das in diesem Falle, denn man hat bei der Dann möchte ich noch eine Anfrage an den
Straßenbahn einen Mann entlassen, nach meiner Herrn Senatskommissar richten. Sie geht dahin,
Meinung zu Unrecht, und hat ihm dann das wie lange man noch die Zahlkasten, diese ver-
Gehalt für einen Monat gezahlt, ohne ihn nagelten Dinger, beibehalten will. Welchen
weiter zu beschäftigen. Ich weiß nicht, ob sich Zweck hat es, daß wir sie jetzt noch beibehalten
daraus schlußfolgern läßt, daß man die Leute wollen? Vielleicht kann ich darüber eine Aus-
sehr gern behält. (Zuruf.) Warum dieser ent- kunft bekommen. In den alten Wagen der
lassen worden ist? Weil er nicht seinen Wagen Berliner Bahn sind noch diese Zahlkasten. Ich
zur Kaserne hat führen wollen. Er hatte keinen will nicht sagen, daß sie verkehrshinderlich sind,
Fahrgast mehr im Wagen, und dann geht die aber sicherlich sind sie außerordentlich hemmend,
Instruktion dahin, daß der Mann in die Halle insbesondere dann, wenn die Schienen mit
fahren kann. Es handelte sich dabei um seinen Sand bestreut sind und arge Stöße vorkommen.
lezten Wagen. Daß sie dann hindernd wirken, wird jeder zu-
Dann möchte ich weiter die Anfrage an den geben müssen. Vielleicht bekomme ich ja dar-
Senat richten, ob ihm bekannt ist, wo denn über eine Auskunft, warum die Zahlkasten
eigentlich diese verfallenen Kautionen und wo nicht entfernt werden.
die Strafen bleiben? Allerdings heißt es in Senator S t r a ><: Lassen Sie mich mit dem
den Anschlägen, die häufig erfolgen, daß diese Letzten anfangen. Die Zahlkasten sollen nicht
Strafen und die Kautionen einer Unterstützungs- herausgenommen werden, weil man nicht weiß,
kasse zugeführt werden sollen. Wenn heute bei wozu man sie noch einmal gebrauchen kaun.
der Straßenbahn eine Unterstützungskasse ein- (Sehr richtig. Heiterkeit.) Was das Mitbe-
geführt worden ist oder wenn sie schon seit stimmungsrecht über den Unterstützungsfonds
längerer Zeit besteht, muß zum mindesten den betrifft, so ist bereits beschlossen, daß in der
Angestellten jeder Charge ein Mitbestimmungs- nächsten Ausschußsitzung mitgeteilt werden wird,
recht eingeräumt werden. Dieses Recht besteht daß dem Arbeiterausschuß dieses Recht zusteht.
aber bei unsrer Straßenbahn nicht, ich betone Ich komme nun zu den einzelnen Fällen von
das ausdrücklich, troßdem dort ein Arbeiter- Unregelmäßigkeiten, welche vom Herrn Vor-
ausschuß vorhanden ist, troßdem man gewisser- redner angezogen sind. Der Mann, der seinen
maßen eine Körperschaft hat, mit der man Wagen ins Depot hat hineinfahren wollen
unter Umständen die Verwaltung gemeinsam anstatt bis zum Endpunkt der Marlilinie, hatte
regeln könnte. Unterstützungen sind, soweit ich Fahrgäste in seinem Wagen. Diese mußten
informiert bin, seit längeren Jahren nur in ausskteigen, weil der Wagen direkt in die Wagen-
einem einzigen Falle bezahlt worden, ohne daß halle fahren wollte. (Widerspruch.) Es ist aber
die Leute jedoch mitzubestimmen hatten. Ich auch ganz gleichgültig, ob der Wagen Fahrgäste
bin der Meinung, daß eine Änderung in dieser hatte oder nicht, denn es handelte sich hier um
Beziehung dringend notwendig ist. Es ist zum eine Anordnung des Kontrolleurs, und dieser
größten Teil das Geld der Leute, zum Teil mußte der Wagenführer nachkommen, wenn er
auch das Geld derjenigen, die unter Umständen sich nicht eines direkten Ungehorsams schuldig
Entschädigungen, die sie aus der Staatskase nmachen wollte. Es ist selbstverständlich, daß
erhalten, in diese Unterstützungskasse abführen. wir auf Ordnung im Betriebe halten müssen.
Den Angestellten soll dieses Geld zugute kommen, (Lebhaftes Sehr richtig.) Nun der zweite Fall,
und deshalb ist es auch notwendig, daß die in dem Herr Direktor Jähnke einem Manne
Verwaltung durch die Angestellten mit erfolgt. gesagt haben soll, er sei ein Betrüger. Dieser
Im übrigen ist hier mehrfach betont worden, Fall ist mir ganz genau bekannt. Wir haben
die Angestellten usw. seien so sehr zufrieden. die Praxis, daß, wenn jemand bei einer Un-
Ich glaube, wenn man in diesem Sinne weiter- redlichkeit abgefaßt wird, er nicht gleich dem
arbeitet als bisher, dann wird man bald von Gerichte angezeigt wird, sondern es wird ihm
der Zufriedenheit nichts mehr merken. Ich zunächst Gelegenheit gegeben, seine Unschuld
möchte insbesondere die Verwaltung bitten, nachzuweisen oder seine Schuld einzugestehen.
daß sie den bescheidenen Wünschen der An- Tut er dies letztere, so kommt er mit einer Ord-
gestellten Rechnung trägt und sich nicht auf den nungssstrafe davon und wird im Betriebe be-
Standpunkt stell, das man einfach, wenn halten. Diesem Manne war diese Möglichkeit