dem Standpunkt, daß aus der Geschäftslage manchmal, ich komme nicht sehr viel ins Gericht,
des Gerichtes kein Grund dafür entnommen Gelegenheit hat, an der Beweisaufnahme vor
werden darf, daß die Beweisaufnahme, anstatt. dem Amtsgericht oder dem beauftragten Richter
vor dem Prozeßgericht sstattzufinden, einem des Landgerichtes teilzunehmen, tut einem
einzelnen Mitgliede als beauftragten Richter zu- wirklich der Richter leid und die Kollegen und
gewiesen wird. Als wir damals die dritte jeder, der solchen Beweisaufnahmen beiwohnen
Zivilkammer bewilligten, ist zwar in Aussicht und dadurch seine Zeit, ich kann es nicht anders
genommen und versprochen, daß auf diesem nennen, vergeuden muß, troydem die moderne
Gebiete Wandel geschaffen werden soll; aber geit uns technische Hilfsmittel an die Hand gibt,
dieses Versprechen ist nicht in Erfüllung gegangen. die solches vermeidbar machen. Wenn der Richter
Es ist ganz genau beim Alten geblieben, und ich das Protokoll einem Stenographen diktiert,
glaube, es ist auch quantitativ in der Beziehung dann kann dieser das Stenogramm sofort mit
kein Unterschied gegen früher eingetreten. Ich der Maschine in dreifacher Ausfertigung über-
will hierfür niemand verantwortlich machen. tragen. Während er das tut, kann der Richter
Es mag sein, daß durch die Maßnahme vom den zweiten Zeugen oder Sachverständigen
Jahre 1906 dieser Übelstand vielleicht gar nicht vernehmen. Wenn er damit fertig ist, bevor
beseitigt werden konnte. | der Maschinist die Übertragung des ersten
Damals oder später ist in der Bürgerschaft, Stenogramms fertiggestellt hat, diktiert er einem
insbesondere in der Sißzung vom 24. März 1909, zweiten Stenographen. So hat er in kurzer
von verschiedenen Seiten gefordert worden, daß Zeit, ich übertreibe nicht, wenn ich das sage,
man im Gericht die Stenographie verwenden mindestens in dem vierten Teil der Zeit seine
möchte. Das ist bis heute in keiner Weise ge- Protokolle fertig, die sonst erforderlich wäre.
schehen. Es mögen Erwägungen angestellt sein, Dann haben Sie außerdem den Vorteil, daß
aber nach außen hin in die Tat umgesetzt it. gleichzeitig auch die beiden Protokollausferti-
jedenfalls nichts. Nun bin ich der Meinung, gungen für die Parteien fertig sind. Der
daß wir in einer Zeit, wo hier so oft ausgesprochen Stenograph, der das Protokoll mit der Maschine
ist, daß wir nicht ohne Not neue Beamtenstellen überträgt, schlägt gleich zweimal durch. Ein
schaffen wollen, zu dem jeßt von dem Senat Exemplar bleibt für die Gerichtsakten, die beiden
vorgeschlagenen Mittel nicht greifen sollen, andern sind für die Parteien bestimmt. Diese
wenn and er e Mittel gegeben sind, um können sofort weiterexpediert werden; dadurch
einer Überlastung des Gerichtes vorzubeugen. wird eine Verschnellerung des Prozesses herbei-
Ich will ohne weiteres zugeben, daß der Bericht geführt. Vor allen Dingen aber entsteht hier-
des Landgerichtspräsidenten in sich durchaus durch der große Vorteil, daß die Beweisauf-
schlüssig ist und daß, wenn wir nicht andere Mittel nahmen, weil sie so wenig zeitraubend sind,
anwenden, wohl die neunte Richterstelle beiaim dann auch von dem Landgericht, dem vollbe-
Amtsgericht notwendig wäre; aber ich bin der setztten Prozeßgericht selbst vorgenommen werden
Meinung, daß sich eben durch andere Mittel können. Das fordert die Rechtspflege: alle
diesen Übelständen abhelfen läßt. Dieses andere drei Richter hören den Zeugen selbst sprechen,
Mittel will ich deswegen wählen, aber auch und sie sind nicht angewiesen auf das manchmal
darum, weil wir, wenn wir dieses andere Mittel unvollständige und lückenhafte Protokoll des
anwenden, noch nach anderer Richtung hin beauftragten Richters. Der Eindruck für die
bedeutende sachliche Vorteile für unsere Justiz Urteilsfindung wird und bleibt ein viel mehr
schaffen. Darum will ich heute diese Richtersstelle unmittelbarer als jezt. Wir haben das Prinzip
nicht bewilligen. Ich darf Sie bitten, mir über der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit im Zivil-
die Bedeutung der Stenographie für die Ge- prozeß. Aber das geht allmählich mehr und
richte noch ein Wort zu gestatten. mehr verloren, wenn das Prozeßgericht die
Sie sehen aus der Tabelle des Landgerichts-. Beweisaufnahme nicht selbst vornimmt, sondern
präsidenten auf Seite 10, daß beim Amtsgericht diese einem beauftragten Richter überträgt. Die
im Jahre 1906: 785 Beweisbeschlüsse gefaßt Unmittelbarkeit geht dabei verloren. Und die
sind, im Jahre 1910: 1222. Sie können daraus geit des Richters ist kostbarer als die des Steno-
erkennen, wie enorm die Zahl der Fälle ge- graphen. Freilich müssen wir Schreibkräfte
stiegen ist, in denen Beweisaufnahmen statt-. anstellen, die nicht bloß schreiben, sondern auch
finden, also Zeugen vernommen oder Sachver- stenographieren und mit der Maschine schreiben
ständige gehört werden, Wenn man jett können; aber wir brauchen weniger Richter.
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