Full text: Lübeckische Blätter. 1911 ; Stenographische Berichte über die Verhandlungen der Bürgerschaft zu Lübeck im Jahre 1911 (53)

dem Standpunkt, daß aus der Geschäftslage manchmal, ich komme nicht sehr viel ins Gericht, des Gerichtes kein Grund dafür entnommen Gelegenheit hat, an der Beweisaufnahme vor werden darf, daß die Beweisaufnahme, anstatt. dem Amtsgericht oder dem beauftragten Richter vor dem Prozeßgericht sstattzufinden, einem des Landgerichtes teilzunehmen, tut einem einzelnen Mitgliede als beauftragten Richter zu- wirklich der Richter leid und die Kollegen und gewiesen wird. Als wir damals die dritte jeder, der solchen Beweisaufnahmen beiwohnen Zivilkammer bewilligten, ist zwar in Aussicht und dadurch seine Zeit, ich kann es nicht anders genommen und versprochen, daß auf diesem nennen, vergeuden muß, troydem die moderne Gebiete Wandel geschaffen werden soll; aber geit uns technische Hilfsmittel an die Hand gibt, dieses Versprechen ist nicht in Erfüllung gegangen. die solches vermeidbar machen. Wenn der Richter Es ist ganz genau beim Alten geblieben, und ich das Protokoll einem Stenographen diktiert, glaube, es ist auch quantitativ in der Beziehung dann kann dieser das Stenogramm sofort mit kein Unterschied gegen früher eingetreten. Ich der Maschine in dreifacher Ausfertigung über- will hierfür niemand verantwortlich machen. tragen. Während er das tut, kann der Richter Es mag sein, daß durch die Maßnahme vom den zweiten Zeugen oder Sachverständigen Jahre 1906 dieser Übelstand vielleicht gar nicht vernehmen. Wenn er damit fertig ist, bevor beseitigt werden konnte. | der Maschinist die Übertragung des ersten Damals oder später ist in der Bürgerschaft, Stenogramms fertiggestellt hat, diktiert er einem insbesondere in der Sißzung vom 24. März 1909, zweiten Stenographen. So hat er in kurzer von verschiedenen Seiten gefordert worden, daß Zeit, ich übertreibe nicht, wenn ich das sage, man im Gericht die Stenographie verwenden mindestens in dem vierten Teil der Zeit seine möchte. Das ist bis heute in keiner Weise ge- Protokolle fertig, die sonst erforderlich wäre. schehen. Es mögen Erwägungen angestellt sein, Dann haben Sie außerdem den Vorteil, daß aber nach außen hin in die Tat umgesetzt it. gleichzeitig auch die beiden Protokollausferti- jedenfalls nichts. Nun bin ich der Meinung, gungen für die Parteien fertig sind. Der daß wir in einer Zeit, wo hier so oft ausgesprochen Stenograph, der das Protokoll mit der Maschine ist, daß wir nicht ohne Not neue Beamtenstellen überträgt, schlägt gleich zweimal durch. Ein schaffen wollen, zu dem jeßt von dem Senat Exemplar bleibt für die Gerichtsakten, die beiden vorgeschlagenen Mittel nicht greifen sollen, andern sind für die Parteien bestimmt. Diese wenn and er e Mittel gegeben sind, um können sofort weiterexpediert werden; dadurch einer Überlastung des Gerichtes vorzubeugen. wird eine Verschnellerung des Prozesses herbei- Ich will ohne weiteres zugeben, daß der Bericht geführt. Vor allen Dingen aber entsteht hier- des Landgerichtspräsidenten in sich durchaus durch der große Vorteil, daß die Beweisauf- schlüssig ist und daß, wenn wir nicht andere Mittel nahmen, weil sie so wenig zeitraubend sind, anwenden, wohl die neunte Richterstelle beiaim dann auch von dem Landgericht, dem vollbe- Amtsgericht notwendig wäre; aber ich bin der setztten Prozeßgericht selbst vorgenommen werden Meinung, daß sich eben durch andere Mittel können. Das fordert die Rechtspflege: alle diesen Übelständen abhelfen läßt. Dieses andere drei Richter hören den Zeugen selbst sprechen, Mittel will ich deswegen wählen, aber auch und sie sind nicht angewiesen auf das manchmal darum, weil wir, wenn wir dieses andere Mittel unvollständige und lückenhafte Protokoll des anwenden, noch nach anderer Richtung hin beauftragten Richters. Der Eindruck für die bedeutende sachliche Vorteile für unsere Justiz Urteilsfindung wird und bleibt ein viel mehr schaffen. Darum will ich heute diese Richtersstelle unmittelbarer als jezt. Wir haben das Prinzip nicht bewilligen. Ich darf Sie bitten, mir über der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit im Zivil- die Bedeutung der Stenographie für die Ge- prozeß. Aber das geht allmählich mehr und richte noch ein Wort zu gestatten. mehr verloren, wenn das Prozeßgericht die Sie sehen aus der Tabelle des Landgerichts-. Beweisaufnahme nicht selbst vornimmt, sondern präsidenten auf Seite 10, daß beim Amtsgericht diese einem beauftragten Richter überträgt. Die im Jahre 1906: 785 Beweisbeschlüsse gefaßt Unmittelbarkeit geht dabei verloren. Und die sind, im Jahre 1910: 1222. Sie können daraus geit des Richters ist kostbarer als die des Steno- erkennen, wie enorm die Zahl der Fälle ge- graphen. Freilich müssen wir Schreibkräfte stiegen ist, in denen Beweisaufnahmen statt-. anstellen, die nicht bloß schreiben, sondern auch finden, also Zeugen vernommen oder Sachver- stenographieren und mit der Maschine schreiben ständige gehört werden, Wenn man jett können; aber wir brauchen weniger Richter. 530
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