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Der Evangelische Bund Worms die halbe Stadt sich singend und fröhlich
in Braunschweig. tif. Fur „Lrzekster w rser. ens
. : ; ; Ir deutsche nahm zwar auch gern teil, aber mehr
Hahlreiche Fäden ziehen sich von Braunschweig hin. schweigend und zurückhaltend. Nur bei dem stimmungs-
über zu uns nach Lübeck: hier wie dort ist es dù»ollen Denkmal Bugenhagens vor der wunderbar
der Geist des gewaltigsten Niedersachsen unserer schönen Brüdernkirche kam es zu wirklichem Volts-
Heimatgeschichte, welcher den Städten zum guten gedränge und festlichem Jubel.
Teil sein Gepräge aufgedrückt hat. Beim Anblick Auch Bugenhagen, diese sympathische Gestalt
des Domes in Braunschweig mit den herrlichen her Reformationszeit, hat uns Lübeckern, ganz ab-
steinernen Grabfiguren Heinrichs des Löwen und gesehen von seiner hervorragenden kirchlichen Wirk-
seiner Gemahlin Mechtild wandert unwillkürlich der fsamteit, noch immer viel zu sagen. Wir brauchen nur
Blick weiter über Lüneburg, Bardowik, Raßeburg, an unser Katharineum zu denken, das seiner
Schwerin nach unserm stillen und doch so eindringlich Entstehungsgeschichte nach in Braunschweig in seinem
redenden Dom in Lübeck: überall die Spuren Martino-Katharineum einen Bruder hat, mit welchem
dieses Großen, vestigia Leonis! In Braunschweig es eigentlich engere Beziehungen unterhalten müßte.
nun gar, der Residenz des Sachsenherzogs, die noh hnlich sind diese beiden Brüder sich übrigens
heute vor der Burg Heinrichs den von ihm auf. ghuch darin, daß die äußere Gestalt der Schulbauten
gerichteten ehernen Löwen bewahrt, wird man in jn beiden Städten gleich wenig zur Verschönerung
geschichtliche Erinnerungen geradezu hineingedrängt. des Straßenbildes beiträgt.
Aus fünf getrennten Stadtteilen zusammen- Was die festliche Tagung selbst anlangt, so
gewachsen, die ursprünglich alle ihr eigenes Rathaus haben die hiesigen Zeitungen so erfreulich eingehend
und ihre eigene Pfarrkirche hatten, bietet heute die darüber berichtet, daß nur noch ein zusammenfassender
Stadt ein unregelmäßiges und winkliges, aber de überblick erlaubt sein mag. Die Beteiligung aus
durch gerade höchst malerisches Durcheinander, in der Stadt, noch mehr aus dem ganzen Reiche, war
dem sich der Fremde schwer zurechtfindet. Wir glänzend. Über 800 Abgeordnete vertraten einen
mögen uns in Lübeck übrigens trösten, wenn man ö immerhin noch kleinen – Bruchteil des nun
uns allzugroße Vernachlässigung unseres Stadtbildes fast 2500 Zweigvereine mit 370 000 Mitgliedern
vorwirft; auch anderwärts ist man nicht besser daran. düumfassenden Bundes. Die beiden größten Säle der
In Braunschweig verleßgt es unser üsthetisches Stadt waren Abend für Abend überfüllt; die Zahl
Empfinden oft in noch höherem Maße als bei uns, der Versammlungen für den Gesamtvorstand, die
wenn in den Hauptstraßen neben einer Reihe Abgeordneten der Zweigvereine, die akademischen
niedriger schöner Fachwerkbauten plöglich ~ und Ortsgruppen, die Mitglieder des Bundes und endlich
dann meist an besonders exponierter Stelle ein glle Evangelischen überhaupt war sJehr beträchtlich
unschöner Ziegelrohbau weit üher seine Nachbarn und überall eine Fülle des Gebotenen. An dauerndem
emporragt. Aber in anderen Stadtgegenden ist und wissenschaftlichem Werte übertraf der tiefgründige
noch das unverfälschte mittelalterliche Bild bewahrt: Vortrag des Professors Sell aus Bonn „Konfession
zahlreiche, meist prächtig restaurierte Kirchen und und Konfessionalismus“ die übrigen Reden in den
Klostergebäude, die wie bei uns zu Museen oder ßffentlichen Versammlungen bei weitem. Dieser
dergleichen ausgebaut sind, dunkle Torwege, malerische Vortrag wie die Ausführungen des Bundesdirektors
Giebel, alte Inschriften an den Wänden, kunstvoll Everling „Zur Jahresarbeit und Zeitlage“ verdienen
verzierte Erker, nach engen Gäßchen ganz unvermutet weite Verbreitung.
ein freier Plat mit schönen alten Brunnen, oft von Auch das braunschweigische Ministerium hat
freundlichen Linden beschattet, kurz, eine echt nieder. durch eines seiner Mitglieder offiziell die Tagung
deutsche Stadt. bewillommt und der Herzogregent in einem
In dieser alten Welfenstadt war der diesjährigen persönlichen Telegramm seine Grüße ausgesprochen;
Generalversammlung des Evangelischen Bundes eine die Regierungen beginnen einzusehen, wie notwendig
gastliche Stätte bereitet. Freilich verstehtt der die auf den Frieden gerichteten Bestrebungen des
Niedersachse nicht Feste zu feiern wie der Rhein.. Bundes sind. Die offiziellen Vertreter der evangelischen
länder; ein Vergleich mit Worms, dem vorjährigen Landeskirchen stehen jetzt, wie man sagen kann, fast
Tagungsort, ergibt dies ohne weiteres. Dort wie überall geschlossen hinter uns. Mag mancher auch
hier waren Fesstzüge zu den Denkmälern der beiden einwenden, daß das letzte Jahr wenig Veranlassung
Reformatoren Luther bzw. Bugenhagen vorgesehen. zum Erinschreiten für den Bund und kein rechtes
Aber es war doch ein Unterschien. – Wenn in Feld für seine Wirksamkeit geboten habe: der Ein-