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auf ihre erfreuliche Entwicklung hin und drückte zum Dr. Görtß gedachte der Stiftung Senator Possehls,
Schluß den Erbauern den Dank der Vorssteherschaft welcher auf unser künftiges Kunstleben trank. Exzellenz
aus. Namens der Gäste, denen von der Vorsteher- von Putlitz brachte ein Hoch auf JIntendanzrat
schaft eine Erfrischung dargeboten wurde, dankte Herr Kurtscholz aus.
Senator Heinrich Evers mit Worten der Anerkennung, Es war schön, daß dieser Tag in ganzer festlicher
auch von seiten der durch ihn vertretenen Zentral- Heiterkeit ausklingen konnte. Aus drei Gefühlen floß
armendeputation. 364. die würdige Stimmung zusammen: es war einmal die
/ Ehate und Musik. y); ry rerum u qq:
Festvorstellung zur Eröffnung des neuen fuür die Kunst etwas getan haben, aber es war auch
Stadttheaters. Die ganze fröhliche Erwartung das Lang hoffende Gefühl, daß wir jetzt doch nicht
der tausend festlich gekleideten Menschen brausten die eine große Arbeit vollendet, sondern sie vielmehr be-
Fanfaren der Bühne entgegen. Und als dann Kapell- gonnen haben. Und ich glaube, daß es eigentlich
meister Abendroth den Taktstock hob und das Meister. gerade dieses dritte Gefühl war, welches der Stimmung
singervorspiel das Haus durchtönte, war es eine be- die rechte Weihe gab: denn das Hoffende überwog
zwingende Antwort voll Zuversichtlichkeit. das Bange darin mit jeder Stunde des Abends mehr.
Der Prolog, den Charlotte Horst sprach, ist in Das machte die Würdigkeit des Thea ers, die Tüchtig-
diesen Blättern abgedruckt. Er weckte die alten keit der Vorstellung, und das machten am Ende die
Zeiten und zugleich eine herzliche Schaffensfreude lustigen Augen unserer Gäste.
hier, an der wirklichen Heimstätte der lübeckischen Der große Erfolg des 1. Oktober 1908 ist für
Bühnenkunst. uns Lübecker, daß wir guten Muts geworden sssind.
So war, als der Vorhang sich hob, die Bühne Durch die Pflege unseres Theaters wollen wir den
dem Zuschauer so recht nah, und ich glaube kaum, Fremden einmal, und nicht nur uns beweisen, daß der
daß ein Schauspieler etwas angenehmer empfinden HVGBöürgermeister recht sagte, als er ihnen zurief: „Wir
mag als dieses sich seinem Hörer Nahefühlen. sind keine Philister.! Die glauben uns schwerer als
Es widerstrebt mir, über eine Festvorstellung eine wir uns t1.
Rezension im üblichen Sinne zu schreiben, und dieser . _. Tit
Bericht möchte eben nur das für ein Fest Wesentliche Gemeinnützige Rundschau.
wieder wachrufen: die Stimmung. Nahrungsmittelchemie und Schnaps bonb ons.
Mit der Geschwisteraufführung gewann sich Inten- Es ist bereits wiederholt und eindringlich darauf hin-
danzrat Kurtscholz sein Publikum. Man war in so gewiesen, daß die Leckereien des Konditorladens beson-
festlicher Aufmerksamkeit, und Gertrud Botz spiele ders für Kinder heute ernste Gefahren bergen. Seit
die Marianne mit liebem Eifer. Ich habe in Lübed unsere schöne Schokoladen. und Zuckerwarenindusstrie
kaum ein herzlicheres Beifallklatschen erlebt. es fertig bringt, durch mit S pirituo sen gefülltem Nasch
Nun drängte man sich durch die Räume des neuen werk die Volksgesundheit zu schädigen, soll jede Mutter,
Hauses. Die strahlenden Gesichter dieser sich lusig wenn sie in der Hand ihres Kindes eine Tüte oder
bewegenden Gesellschaft, welcher die lange Pause kaam Schachtel mit Konfitüren erblickt, ebenso sorgsam hin-
lang genug erschien, müssen für Professor Dülfer die sehen, als handle es sich um eine Flasche mit mehr-
schönste Erinnerung sein, die er aus Lübeck mit sich oder weniger „edlem“ Schnaps.
nehmen wird. Nur wer die tatsächlichen Verhältnisse nicht kennt,
Rheinbergers Demetrius-Ouvertüre dirigierte wird behaupten, das sei eine Übertreibung. Es ist,
Abendroth, nachdem (leider „mittelalterliche“) Bläse wenn auch leider nicht überall, den Müttern und
mit Gramanschen Fanfaren die Menge zur Bühne Erziehern und augenscheinlich auch nicht oft der Ge-
zurückgerufen hatten. Dann hörten wir Demetrius. sundheitspolizei, so aber doch vielfach bekannt und
Laut und stürmevoll, ein wenig zu laut, ward der anmtlich festgestellt, daß zahlreiches Naschwerk, das aus
Reichstag eingeleitet. Famos war die Begeisterung unseren Schokoladen- und Zuckerwarengeschäften in den
mit welcher gespielt wurde, und eindrucksvoll die Kinder- und Frauenmund gelangt, Kognak, Rum,
szenische Pracht. Bei den Schwierigkeiten, unter denen Arrak, „schwedischen Punsch“ und andere Spiri-
geprobt werden mußte, verdient die Regie besondere tuosen enthält. In welchen Mengen, hat jeßt auch
Anerkennung. Als der Vorhang sich senkte, lag in das von dem bekannten Nahrungsmittelchemiker Dr.
dem Beifall zufriedener Stolz. Beythien geleitete städtische Untersuchungsamt für
Beim Festessen im Marmorsaal hielt Bürgermeister Nahrungsmittel in Dresden festgestellt. Nach dessen
Dr. Schön den Kaissertoast und begrüßte die Gässte. Untersuchungen enthielten Kognak- Praline e s nicht
Senator Hermann Eschenburg toastete auf Professor weniger als 9,6 % Alkohol, entsprechend 24 g
Dülfer und dieser auf Senat und Bürgerschaft. dabsolutem Alkohol oder 100 cem Trinkbrannt-