Full text: Lübeckische Blätter. 1908 ; Stenographische Berichte über die Verhandlungen der Bürgerschaft zu Lübeck im Jahre 1908 (50)

26 den Alkohol so häufig als einzigen Tröster in ver. überschüssen gespeisten Fonds; nur selten werden zweifellen Lebenslagen kennen gelernt oder sich mit Beiträge der Angehörigen geleistet. ihm dank der Trinkgewohnheiten ihrer Umgebung Aus dem Gesagten erhellt, daß durch das bei harmlos angessreundet haben und ihm infolge bejonderer uns eingeschlagene Verfahren wenigstens gründliche Körperanlage zum Opfer gefallen sind, alle diese – Einkehr in die vom Trinkerelend heimgesuchten und sie sind in der Mehrheit + verdienen Mitleid Familien gehalten wird. Auf dem Boden der Frei- und humane Behandlung, so lange es irgend geht. dwilligkeit spielen sich zunächst die Verhandlungen ab. Mit Vernehmung des Trinkers hat die Sache Dieses erzeugt Vertrauen, und es fallen die be- für mich einen gewissen Abschluß erreicht. Ich ließ schämenden Empfindungen fort, mit der Armenver- Abschristen der entstandenen Verhandlungen anfertigen waltung zu tun zu haben. Gleichwohl sind dieses und sandte sie - je nach der Konfession des Trinkers & alles erst Ansätze zu einer wirklich wirksamen Trinker- an die Vorstände der hiesigen Absstinenzvereine fuürsorge Es fehlt hier vor allem noch der Arzt, mit der Bitte, den Trinker aufzusuchen und auf ihn der dem Verwaltungsbeamten mit seinem gesschulten einzuwirken. Hier beginnt die mühselige Samariter. Biick für die pathologischen Seiten der Fälle zur arbeit der leider so viel geschmähten, so oft verkaunten Seite stehen muß Es fehlt ferner eine noch besser Pioniere der Nächstenliebe, der Guttempler, der dorganisterte In)tanz für die ergänzende private Blaukreuzler, der katholischen Kieuzbündler usw. KFürsorge, die unter Ausschaltung der öffentlichen Ohne sie ist eine ambulante Trinkerfürsorge überhaupt Armenpflege an der wirtschaftlichen und sittlichen nicht möglich. Sie wirken durch Beijpiel und Über- Gesundung der in Verfall geratenen Familien arbeiten zeugungskraft. Die Mitglieder der Abstinenzverene müßte. Keine Stadt kann auf die Dauer wohl- besuchen die Trinker, geben ihnen Flugschriften zu dorganisierte Fürsorgestellen für Trinker entbehren. lesen, besprechen mit ihnen ihre Lebensgewohnheiten Deren Aufgaben sind von Herrn Dr. W. Knust, und laden sie zu ihren Versammlungen ein. Die Nervenarzt in Bromberg, in vortrefflicher Weise in suggestive Wirkung, die nach meiner erstmaligen Ein. einem in der „Medizinischen Klinik,“ 1906 Nr. 36, wirkung die immer sich wiederholenden Besuche, die erschenenen Artikel: „Über Wohlfahrtsstellen für unermüdlichen Zureden dieser Menschensreunde auf Alkoholkranke" zusammengestell. Herr Dr. Knust die Triuker haben, ist so bedeutend, wie ich sie mir entwickelt foli,endes Programm: früher bei den recht pessimistischen Anwandlungen 1. Enge Fühlung mit allen interessierten über die Trinkerfrage me habe vorstellen können. Kreisen, wie Krankenkassen , Versicherungs- Von welcher Dauer diese Einflüsse in den einzelnen anstalten, Berufsgenossenschaften und Armen- Fällen sein werden, läßt sich nach der kurzen Zeit verwaltungen; mit Wohlfahrts. (Frauen-, Volks. der Einrichtung noch nicht feststellen. Jedenfalls ist küchen, Suppen-, Hausbettelei.) Vereinen; mit es gelungen, mehrere Trinker den Abstinenzvereinen Polizei: und Jnqtizbehörden, Vereinen für zuzuführen und sonsl auf eine ganze Anzahl eine entlassene Strafgefangene; mit Enthaltsamkeits- günstige Einwirkung auszuüben, so daß die Klagen vereinen und mit der Geistlichkeit. aus der Familie der Trinker verstummten. Selbst- 2 Unentgeltliche Untersuch ung von Alkoholisten verständlich zeigten sich auch wieder andere den Ein- zur Aufstellung des Heilplanes, Belehrung flüssen unzugänglich, und es ergab sich daraus die und Beratung derjelben und ihrer An- weitere Ausgabe, zu prüfen, welche Maßnahmen gehörigen. gegen sie zu ergreifen waren. Hier bot sich eigentlich 3. Ueberweisjung der Alkoholisten an die Ent- nur die Unterbringung in eine Heilsstätte, sei haltsamkeitsvereine oder die Heil- es mit, sei es ohne voraufgegangene Entmündigung, anstal ten, eventuell nach Empfehlung des als einzig wirksames Mittel, den Trinker für sich Entmündigungsverfahrens an die zur und seine Umgebung schadlos zu machen. Die Ent- Antragstellung berechtigte Person. mündigung wurde nur selten angewendet, da sie sich 1 Aufbringung der zur Kur erforderlichen Mittel ohne Schwierigkeiten nicht erreichen läßt und eigentlich durch Fürsprache bei Kassen, Verwaltungen nur dann von aktuellem Wert ist, wenn im Interesse und Vereinen. des Verbleibs in den Heilstätten Zwang angewendet ÿ5. Unterstigung der Familien durch Freimarken werden muß. Im allgemeinen ergaben sich die auf Nahrungsmittel in Fällen dringendster Not. Triuker auch willig in ihr Schicksal. Die Anordnung 6. Aufklärung durch Verteilung von Schriften der Behörde wird ja zum Glück immer noch als und Flugblättern und Beeinflussung der Tages- berechtigtes Zwangsmittel angesehen. Die Bezahlung presse. der Unterbringung erfolgt aus einem der Armen. 7. Arbeitsnachweis bei einsichtigen Arbeit- perwaltung zur Verfügung stehenden, aus Sparkassen- gebern.
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