Full text: Lübeckische Blätter. 1908 ; Stenographische Berichte über die Verhandlungen der Bürgerschaft zu Lübeck im Jahre 1908 (50)

359 in nach den Gründen dieser eigenartigen Erscheinung zu will sich nimmer erschöpfen und leeren“, sagt man sich o forschen, verwunderlich bleibt es aber, daß eine private unwillkürlich, wenn man vor dem Farbenrausch in [- Erwerbsgesellschaft sich in die großen Kosten manche. grün, blau, weiß, grau, violett, mit der goldenen n dieser architektonischen Verunzierungen gestürzt hat. Stadtssilhouette an der Rückwand steht. Und dazu e Tritt man durch einen der drei Haupteingänge noch die übermäßig bunten Fenster! Es muß wohl t des Mittelbaus ins Innere, so gelangt man zunächt ungeheuer viel Mut dazu gehören, eine Fläche in ct in die hochgewölbte Schalterhalle. In gelblichem einem Wartesaal II. Klasse undekoriert oder kahl zu Ton, mit blaugrünem Kachelfries, hell und luftig, lasssen, und dieser Mut ist nicht jedem Architekten ! macht sie einen guten Eindruck, der nur durch en gegeben! Die Wandtäfelung und das Mobiliar sind r Übermaß figürlicher Dekoration au der Decke und uüùbrigens durchaus anerkennenswert. Sehr ansprechend der Uhr um ein Weniges herabgemindert wird. Um so ist auch das daneben liegende Damenzimmer; mit , angenehmer wirkt die rechts anstoßende Gepäckhale einen weißen Möbeln, der gelblichen Decke und der mit ihrem braunen hölzernen Tonnengewölbe. Der graublauen ruhigen Wandbespannung wirkt es neben lange Querbahnsteig ist in seiner schlichten Sachliche dem großen Wartesaal wie eine Dase in der Wüste. keit bei guter Farbengebung eine recht erfreuliche Hedeutende Leistungen des hiesigen Kunstgewerbes Leistung, der Blick durch diese langgestrectte Hale sind auch die neben dem Querbahnsteig liegenden ' vom Westende nach der Schalterhalle hin bietet sogar KRepräsentationszimmer, über deren schlicht-vornehme 1 recht stimmungsvolle Reize. Viel reizvoller ist aber Ausstattung man uneingeschränkte Freude empfinden 1 noch der zur Gepäck. und Postbeförderung dienende kann. zweite Querbahnsteig. Dieser Bauteil ist in seiner Die Bahnsteighallen machen in ihrer Eisen- Form rein aus Zweck und Material (Eisenfachwert) konstruktion einen ästhetisch durchaus befriedigenden entwickelt und bietet ein treffliches Beispiel für die Eindruck, von einzelnen Punkten aus ist der Anblick ' Wahrheit des besonders von Muthesius neuerdinngg der sich überschneidenden und verschiebenden Linien ; so oft betonten Satzes von der Schönheit der reinen sogor direkt schön zu nennen, und ich kann mich Zweckform. Als ich den mit polygonalem Abschluß dem Urteil derjenigen, die eine einzige weitgespannte versehenen und völlig ungeschmückten langen Raum H alle für schöner halten, nicht anschließen. Schön- hinuntersah, war meine erste Empfindung: „Ein heit ist eben ein subjektiver Begriff. Die Betriebs., moderner Kreuzgangl“ Auch von außen, von der gßeitungs-. und Restaurationsbuden sind durchweg Brücke im Zuge der Fackenburger Allee ist das Bild recht gelungen, eine einfachere Dachausbildung und dieses gedeckten, über den Gleisen stehenden Bahn- etwas freudigere Farbengebung würde den jetzt steiges mit den Aufzugstürmen ein ästhetisch durchauas etwas nüchternen Gesamteindruck aber doch wohl noch befriedigendes. Man darf glücklich sein, daß hier gesteigert haben. Endlich sind noch die Stellwerks. : keine „Architektur“ dazu getan ist. gebäude zu erwähnen, die mit ihrer klaren Gliederung, Die Wartesäle, von denen derjenige IV. Klasse den harmonisch abgetönten Farben und den schönen links von der Schalterhalle im Kellergeschoß, die Dachformen wohl die reifsten architektonischen beiden anderen rechts neben dem Hauptquerbahnsteg Leistungen des Bahnhofes sind. Auch hier ist die liegen, weisen in ihrer Ausstattung eine eigenartige Form völlig aus dem Zweck heraus erwachsen. ! Steigerung der Dekoration auf. Es scheint hierbei . Hieht man das Gesamtergebnis aus dieser der Gedanke der leitende gewesen zu sein: Je vor. kritischen Betrachtung des neuen Bahnhofsgebäudes, : nehmer die Wagen. oder Menschenklasse, um so mehr o darf man wohl sagen: der Bau ist eine würdige, Dekoration darf oder muß man für den Wartesaal groß angelegte Schöpfung. Daß in den Einzelheiten anwenden. Daß auch ruhige, nicht dekorierte Flächen sich manche Geschmacklosigkeiten und Übertreibungen ihre große Schönheit haben, scheint man bei der finden, liegt wohl teilweise daran, daß er durch viele Ausstattung nicht gewußt zu haben. Sonst ver- Hände gegangen ist; zum Teil ist das aber auch mit : stee ich die dekorative Behandlung des darauf zurückzuführen, daß in der architektonischen ' Wartesaales Il. Klasse nicht. Ist der Warte- Durchbildung nicht überall diejenige weise Beschränkung saal IV. Klasse in ansprechender Weise braun- innegehalten ist, die stets erforderlich ist, um eine rot mit gelbem Ornamentfries ausgestattet, derjenige ästhetisch befriedigende Wirkung der gesamten II. Klasse auch noch recht gut in gelblich-grünem Erscheinung nicht zu stören, wie das in vergröberte Wandton mit hellblauem Eisenfachwerk und eine Weise ja besonders die Stadthalle lehrt! Sonst dürfen vielleicht schon etwas zu vordringlichen Wand- und wir uns aber mit Recht freuen, das neue stolze Bauwerk, Deckendekoration versehen, so ist der Farben. und an dem tüchtige Männer mit Fleiß und Geschick Formentrubel im Saale II. Klasse für einen emp- gearbeitet haben, in unseren Mauern zu besitzen. findsamen Menschen kaum noch erträglich. „Und H. Mahn.
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