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nötig ist, diesem Geschmack die schlimmsten Zugeständ- einer einzigen Leipziger Bezirksschule wurden int
nisse zu machen. Es führt zu weit, hierüber sich Winter 1902/03 126 Knaben und 74 Mädchen un-
auszulassen, aber viele Sünden sind wirklich nicht genügend ernährt befunden. Für Frankfurt a. M.
unsere Sünden; davon vielleicht einmal später. wird angegeben, daß 6 Prozent der Knaben und
Also, da es nun nicht christlich ist, jemanden 5,6 Prozent der Mädchen in den Volksschulen als
zum Raub zu zwingen und ihn dann zu köpfen, jo schlecht genährt bezeichnet werden mußten, für Stutt-
mögen auch unsere Laien uns mehr vertrauen und gart 27 Prozent mangelhaft ernährt, für Offenbach
mehr anvertrauen, damit wir zeigen können, was wir 8 Prozent usw. Daß viele Kinder morgens selten
sind. Dann mag der Richtspruch fallen wie er will, etwas Warmes zu trinken bekommen, dagegen oft
dann haben wir getan, was unsre Pflicht. Ebenso Schnaps, ist eine Erscheinung, auf die besonders
wichtig wie eine Kritik unserer Arbeit ist offenbar Dr. Weigl in einem Referat auf dem Nürnberger
eine eifrige Unterstißung unseres Könnens durch Kongreß aufmerksam machte. - Aus weiteren Be-
Anerkennung, und unserer Absichten durch Freiheit. richten ergibt sich die traurige Tatsache, daß in vielen
Aber wie gern wird der überflüssige Architekt gespart, Volksschulen Deutschlands die Zahl der körperlich
der macht ja nur die Zeichnung (das ist so ziemlich gut entwickelten Kinder kaum die Hälfte ausmacht.
der Begriff, den man von dem Wert und Umfang An vielen Orten sind es 's, ja sogar nur !/10 der Kinder,
unserer Tätigkeit hört). die eine normale körperliche Beschaffenheit zeigen.
Um nun der großen Anteilnahme an allen Bau- Alle diese Angaben beziehen sich nur auf sstädtische
fragen, der man jetzt immer häufiger begegnet, eine Kinder, für die Kinder der Landschulen ergeben sich
Grundlage zu geben, erlaube ich mir, vorzuschlagen, namentlich infolge der weiten Schulwege noch un-
eine Stelle zu schaffen, wo alle, die auf diesem Ge- günstigere Resultate.
biete mittun oder lernen beobachten wollen, einander Mit Notwendigkeit müssen die Folgen der
näher kommen können, am besten in gemeinsamer mangelhaften Ernährung weiter Kreise unsrer Volks-
Aussprache. Hiermit ließe sich auch leicht eine Be- schuljugend bei der Aushebung zum Militärdienst
sprechung und Beeinflussung der beabsichtigten Bauten zutage treten. (Auf diesen Zusammenhang hat
verbinden, und manches Üble würde zu verhindern Generalstabsarzt Vogl in seinem Werk ,Die wehr-
sein. Man beachte aber dabei, daß jeder Zwang pflichtige Jugend Bayerns“ hingewiesen.) Daß ferner
und jede Verzögerung des Bauvorhabens vermieden eine ungenügende Ernährung auch die geistige Ent-
werde, ebenso jedes Schema in der Tätigkeit dieses wicklung ganz erheblich beeinflußt, liegt auf der
Kreises. Nur eine Sammlung aller strebenden Kräfte Hand. Denn einem Kinde, das nüchtern oder etwa
soll erzielt werden, zu gemeinsamem Eintreten für nur mit schlechtem Kaffee oder Zichorienkaffee im
ein unschät bares Gut. Vertrauen nach allen Seiten Magen zur Schule kommt, wird es nicht möglich
ist das Fundament zu diesem Bau. sein, stundenlang dem Unterricht zu folgen. Auch
Vilhelm Bräck, Architekt. von Natur gut beanlagte Kinder kommen infolge
: ; N . mangelhafter Ernährung geistig zurück, werden schlaff
Schulspeisung armer Kinder. und stumpfen nach und nach ab.
vc. Welches sind die Ursachen der Unterernährung ?
Wie durch eingehende Schülermessuugen in den letzten Vor allem dauernde Armut. Armenunterstützung
Jahren nachgewiesen ist, ist der Lebensabschnitt vom oder rastlose Arbeit schüten zwar vor dem Ver-
G. bis zum vollendeten 14. Jahre die Periode des hungern, nicht aber vor ständiger Unterernährung.
raschen Wachstums, der Festigung des Knochengerüstes Das gilt besonders, wenn die Mutter die alleinige
und der besonderen Ausbildung der lebenswichtigen Ernährerin iste Daneben kommen als Ursachen
Organe, des Herzens und der Lunge. Dabei ist Erkrankung oder Arbeitslosigkeit des Vaters, Un-
jedoch festgestellt worden, daß Gewichtszunahme usw. kenntnis, Leichtsinn und Gleichgültigkeit der Mutter
bei Kindern ärmerer Bevölkerungsschichten weit ge- in Betracht. Auch die außerhäusliche Tätigkeit der
ringer waren; es müssen für diese also das Wachstun Mutter, die Beschäftigung in der Fabrik erschweren
hemmende Einflüsse vorhanden gewesen sein. Diese erheblich die Verabreichung von Frühstück und Mittag-
sind meistens auf unzulängliche Ernährung essen an das Schulkind, und gerade die Fabrikarbeit
zurückzuführen. Daß eine solche besteht, ist an vielen der Frauen hat in neuerer Zeit einen bedeutenden
Orten durch statistische Erhebungen nachgewiesen. Umfang angenommen. Schon 1895 ergab die Berufs-
So wurde festgestellt, daß im Zentrum Berlins gzählung, daß im Deutschen Reich allein in Fabriken
6,8 Prozent, in Berlin N. 7 bis 9 Prozent aller 230000 verheiratete Arbeiterinnen beschäftigt gewesen
Kinder völlig nüchtern zur Schule kamen, 7,2 Prozent siud. Endlich läßt sich nicht verkennen, daß das
mußten auf ein warmes Mittagessen verzichten. Jn Kinderschutgeset, obwohl es viel Gutes bewirkt,