» F Verhandl. d. Bürgerschaft am 27. April 1908
künftig ausschließlich dem Polizeiamt unter Aufsicht aus dem Kapitalbestande decken zu können. Durch
der Rechnungsbehörde überläßt. Will man sich das Regulativ wird Sorge dafür getragen werden,
überhaupt mit diesen Geldern befassen, meine ich, daß ein weiteres Anwachsen des Kapitals nicht statt-
muß auch künftig die Bürgerschaft ein Mitverwaltungs- findet. Der Senat hält diese Verwendung, bei der
recht bezüglich derselben erhalten. Wäre diese Kasse das Kapital derjenigen Kategorie von Personen zu-
so verwaltet worden, daß nicht gerade die Art der gute kommt, die es zusammengebracht hat, für
daraus gemachten Ausgaben Befremden hätte erregen richtiger, als eine Überweisung zu Wohlfahrtszwecken.
müssen, würde vermutlich über diese Kasse überhaupt (Lebhaftes sehr richtig. )
kein Hahn gekräht haben. Aber gerade in der Ver- Dr. Wetzke: Ich habe es als selbstverständlich
wendung der Ausgaben bestand der Hauptnachtel angenommen, daß das Geld wieder der Kategorie
der Kasse, und nach dieser Richtung gibt die Vorlage von Personen zugute kommt, die es aufgebracht
nicht ausreichende Garantie, daß nicht doch im Laufe hat. Ich möchte dabei nur einen Wunsch aussprechen
der Zeit wieder die Gelder eine unrichtige Verwendung Wenn ein derartiges Regulativ ausgearbeitet wird,
finden. möchte ich, daß darin ausgesprochen wird, daß auch
Senator K ul e n k a m p : Der Senat hat es nicht diejenigen Mädchen, die mit Krankheiten behaftet
für erforderlich erachtet, dieser Vorlage eine eingehende hier ankommen, bereits aufgenommen und dem Kranken-
Begründung beizugeben, da über die Verhältnisse, haus zur Heilung ohne weiteres überwiesen werden,
welche ihr zugrunde liegen, bereits eine eingehende s o daß also auch diese Kosten aus dieser Kasse gedeckt
Erörterung in der Bürgerschaft stattgefunden hat. werden, die wir schaffen wollen. Nach meiner
Die Separatkasse des Polizeiamtes hat, wie Sie Infurmation, deren Richtigkeit zu bezweifeln ich
wissen, die Kosten zu decken, die mit der gesundheit. keinen Grund habe, ist es bisher anders gewesen,
lichen Überwachung der eingeschriebenen Prostituierten und es sind bis jezt Mädchen, die krank hier an-
zusammenhängen. Die regelmäßigen ärztlichen Unter- gekommen sind, abgewiesen worden und sind dann
suchungen und die zwangsweise Überweisung ins anderswo sozusagen wieder auf die Menschheit los-
Krankenhaus sind Maßnahmen, die auf Grund des gelassen worden und haben dadurch den Keim der
§ 361 Ziffer 6 des Strafgesetzbuches verfügt und Krankheit weiter verbreitet. Falls also ein neues
nötigensalls erzwungen werden können. Zur Erseßung Regulativ geschaffen wird, möchte ich bitten, eine
der Kosten sind diejenigen verpflichtet, die sie verure. Bestimmung darin aufzunehmen, daß auch zureisende
sacht haben. In manchen Städten wird so verfahren, Mädchen, die erkrankt sind, sofort dem Krankenhause
daß die Kosten zunächst aus öffentlichen Mitteln überwiesen und die Kosten aus der Kasse gedeckt werden.
ausgelegt werden, und man sie daun von den Thiele: Ich bitte Sie, den Antrag des Herrn
Beteiligten wiederzuerlangen sucht. Das ist aber Wissell betreffend die Gründung eines Wöchnerinnen-
weder praktisch, noch liegt es im JInteresse der heims anzunehmen, und zwar zum Wohl der Mensch-
Betroffenen. Deshalb sind in einer Anzahl anderer heit. In größeren Städten haben wir diese Anstalten
Städte Kasseneinrichtungen getroffen mit Beitritts. schon, und es wird durch sie den Müttern, die durch
zwang, die unter behördlicher Verwaltuug stehen und einen Fehltritt in ihre Lage gekommen sind, geholfen.
regelmäßige Beiträge erheben. Aus diesen Kassen Das hat Nutzen auch für die unehelichen Kinder,
wird dann freie ärztliche Untersuchung und Kranken- deren Erziehung dann besser gestaltet werden kann.
hauspflege gewährt. So ist auch hier verfahren Wieviel hört man, daß die Gefangenen- und Zucht-
worden, und es handelt Fich nun in der Tat darum, hüuser gerade die unehelichen Kinder füllen. Da soll
für diese Einrichtung eine gesetzliche Unterlage zu man bemüht sein, auch den unehelichen Kindern eine
schaffen oder vielmehr zu ergänzen. Der Senat gute Erziehung zu geben, damit sie nachher auch
hat sich überzeugt, daß es richtig sein wird, diese gute Menschen werden. Pp
Einrichtung beizubehalten. Selbstverständlich ist es, Dr. Zi e hl: Ich möchte Sie bitten, die Vorlage
und das ist auch vom Senatstische wiederholt aus- heute abend in dem Sinne zu erledigen, wie es vom
gesprochen worden, daß die Mißstände, die früher Senate beantragt wird (sehr richtig), und sie nicht
damit verbunden gewesen sind, nicht wiederkehren erst an eine Kommission zu verweijen. Das hiätte
sollen. Dafür bürgt auch die Aufsicht durch die dann zur Folge, daß dieses Thema heute noch nicht
Rechnungsbehörde. Der Senat schlägt Ihnen vor, in der Bürgerschaft von der Tagesordnung kommt,
die Bestände der sogenannten Separatkasse fortan und es erscheint schon viel zu ost. (Sehr richtig.)
der Krankenkasse der Sittenpolizei zu belassen. Er Das hat uns in Lübeck und, außerhalb sehr viel
erachtet dies für zweckentsprechend, um durch Ver- geschädigt, es ist wirklich die höchste Zeit, daß dieses
wendung der Kapitalszinsen die Beiträge auf mäßiger Thema endlich von der Tagesordnung der Bürger-
Höhe zu halten, und erforderlichenfalls Unterschüsse schaft verschwinden. Wenn Sie die Sache nochmals
2 82