Full text: Lübeckische Blätter. 1908 ; Stenographische Berichte über die Verhandlungen der Bürgerschaft zu Lübeck im Jahre 1908 (50)

1 3 Der Kristallisationskern einer künftigen Organisation Es ist nicht zu leugnen, daß hierbei Fürsten, wie kann aber aus einer Künstlerkolonie erwachsen, zum es also neuerdings Darmstadt und nach ihm Stutt- mindesten muß er, wenn er sich anderswoher ent- gart wieder lehrten, eine große und dankenswerte wickelt, durch sie gestärkt werden. Wir dürften Reolle gespielt haben. Die verständnisvolle Protektion Raum genug und bei einheitlichem Wollen auch die mußte vorangehen, dann kamen Anregung und Absatz Mittel haben, um bei Bauumwälzungen einen wesent- hinzu. So erhielten wir Düsseldorf, München, lichen Teil unseres architektonischen und malerischen Karlsruhe, Weimar, Dresden. Es geht aber auch Reichtums zu erhalten, um Ersparnisse zu vermeiden, ohne Fürsten, wie z. B. die Niederländer, in ge- die sich später als enorme Verluste, wie wir sie wisser Weise Frankfurt a. M. und einzelne moderne bereits erlitten haben, herausstellen. Wir bedürfen Keolonien es zeigen. Ich bin überzeugt, für manchen aber der Macht der Einsichtigen, die der Gegenwart deutschen Künstler würde der Wohnsitz in einem gerecht werden, ohne die Enkel ohne Not zu schädigen. Bundesstaat mit republikanischer Verfassung gerade Sicherlich würde auch ein mit großen Befugnissen einen Anziehungspunkt bedeuten. Absat ? Nun ja, ausgestatteter Museumsdirektor, wie ihn der erwähnte dunsere kleine Galerie redet zwar keine glänzende lezte Artikel der „Lübeckischen Blätter“ wünscht, be- Sprache; mancher, der das Geld dazu hat, könnte sonderen Rückhalt in einer Künstlerkolonie am Orte sich vielleicht etwas lebhafter an der Hebung der finden können. Künste beteiligen, von denen die Musik auch hier Eine Künstlerkolonie wird sonst noch annehmbare am meisten von der Heitströmung getragen wird, Werte schaffen. Für Architektur und Jnnendekoration,. und schließlich würde Lübeck allein stets nur ein für das Kunstgewerbe nach mannigfacher Richtung kleiner Markt bleiben. Freilich größer und reicher hin können, wie Darmstadt lehrt, eine Fülle von An. als Darmstadt ist es doch. Je mehr die Idee am regungen — namentlich bei uns durch örtliche Motive Orte Plagtz greift, also durch die Kolonie selbst, desto originelle Anregungen erwachsen, die ihrerseits wieder lebhaster wird auch die Erwerbslust an schönen materielle Erwerbsquellen, neue Industrien eröffnen. Stücken angeregt werden, und daun soll der Markt Wenn schon kleine Orte so auf dem gesamten, eurxx eben weit über das Lokale hinausgehen. Darauf päischer Bildung zugänglichen Erdkreise hohen Ruf ind auch die modernen Malerkolonien, wie beispiels- erhielten, sollte dies auf einem Boden, wie ihn dweise die sehr bekannte, im Einflußkreise Bremens Lübeck bisher noch bietet, nicht leichter zu erreichen stehende in Worpswede angewiesen. Hier bildete sein, umfassender als in einer immer ziemlich kuust- nicht Fürstenprotektion die Grundlage, sondern arm gewesenen Mittelstahtt? Vor noch nicht gar lediglich jener zweite Punkt: die Anregung. Diese vielen Jahren würde man über den Propheten ge. wirkte so stark auf einzelne Künstler, daß sie geradezu lächelt haben, der die heutige Stellung der von jeher tonangebend wurden. Die Heide ist Mode geworden, als urlangweilig verschrienen Beamtenstadt Darmstadt durch die Malerei ebenfalls in der Literatur, und in der Kunstwelt vorauszusagen gewagt haben würde. die Mode wird wieder verschwinden; die Kolonie Aber der Geist lebte dort schon lange; unter vielleicht auch, da sie einzig von einzelnen Persön- anderen stammen von dort die beiden Jugendfreunde lichkeiten gestütt wird. Anders wäre dies in Lübeck, Ludwig Hoffmann, der Erbauer des Reichsgerichts, denn außer der Anregung kämen, wie ich andeutete, und Alfred Messel. auch lokaler Absay und als notwendige Konsequenz, Nun wird man vielleicht einwerfen, ja, dont wenn die Sache überhaupt angefaßt wird, lokale konnte auch ein Fürst frei schalten! Dieser Einwurf Protektion hinzu, könnten alle Faktoren einer würde, nachdem ich so das Zweckmäßige andeutete, größeren, unabhängigen Stadt mitspielen. Und die die Möglichkeitsfrage auslösen. Anregung? Wo wäre die Verbindung des Einzig- Der Begriff „Kolonie" mag auf diesem Gebiete artigen mit dem Vielsseitigen stärker in Deutschland modern sein, mag etwas Neues auf bisher unber gegeben als bei uns? Für den Architektur,, Land- tretenem, abgelegenen Boden bedeuten. Ursprünglich schafts. und Genremaler ist sie unerschöpflich| Auch aber waren die Stätten, wo die „Schulen“ erwuchsen, Historien, Porträt. und sonderlich Marinemaler in künstlerischer Beziehung nicht etwas wesentlich sänden reichen Stoff. Solcher entzückenden Stadt- Anderes. Deshalb sei es gestattet, von feinen Unter. winkel mit oft großartig darüber sich aufbauenden scheidungen abzusehen und den Begriff „Künstler Motiven, wie wir sie haben, dürfen sich wenige kolonie“ schlechthin als einen Niederlassungsort einer deutsche Städte rühmen. Unsere Wälder und mehr oder minder großen Vereinigung von Künstlen HVinnenseen, Heiden und Koppeln mit weidenden aufzufassen. - Wo immer haben sich unsere Künstler, Herden bringen, zumal doch der weitere Umkreis in also in erster Linie Malerkolonien, niedergelassen Lauenburg, Olstholstein und Mecklenburg einzu- und entwickeln können ? beziehen wäre, mit das Schönste, was an Tiefland-
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.