655
Hintergrund abzuheben. Die Komposition ist über.. fasser hat die Entscheidungen des Reichsgerichts zu
(ll geschicktt aufgebaut, die Menschen und ihre Schick diesem wichtigen Reichsgeses aus den verschiedenen
jale sind fein beobachtet, und eine versteckte Bosheit Sammlungen und Zeitschriften, in denen sie ver-
rfreut da und dort ebenso wie an seinem Orte das düffentlicht sind, zusammengetragen, und bringt sie
[chte und tiefe Gefühl der Verfasserin. Als Kunst- auszugsweise zu den einzelnen Paragraphen des Ge-
werke betrachtet sind ihre Skizzen Silhouetten nach seßes zum Abdruck. Eine kurze Erläuterung geht
der Natur, und es ist daher keine zufällige Laune, bei jedem Paragraphen voraus. Der Verfasser be-
daß der bekannte Maler Hans Deiters, der Bruder absichtigt mit seiner Arbeit in erster Linie, wie er
der Dichterin, das Buch mit Silhouetten ge- im Vorwort sagt, den praktischen Juristen das Nach-
schmückt hat. schlagen in Sammlungen und Zeitschriften zu er-
Es würde die Wirkung der einzelnen Erzählungen s|paren. Diese Absicht dürfte er, da die Sammlung
abschwächen, wenn ich hier ihren Inhalt kurz angeben mit Fleiß und Geschick zusammengestellt ist, erreicht
wollte. Man muß das Buch selbst lesen, und ich bin haben. Beeinträchtigt wird die Wirkung allerdings
überzeugt, man wird mir dankbar sein, daß ich auf durch das Fehlen eines Inhaltsverzeichnisses oder
rin neues, eigenartiges Erzählertalent aufmerksam ines Registers oder auch nur einer kurzen Angabe
gemacht habe. Leonore Niessen- Deiters schilderet am Kopfe einer jeden Seite darüber, auf welchen
hodenständige Charaktere aus ihrer niederrheinischen Paragraphen sich der Inhalt der Seite bezieht.
Heimat und aus dem benachbarten Holland, sie Öb der vom Verfasser in zweiter Linie verfolgte
rignet Typen aus, dem Dusjeidorsec Künslezlein Eu §1 Jen! crreiht iùt, mag daingtjell
Skizzenbuch und weiß dem Leser alles menschlich bleiben. Die Kommentarform ist nun einmal für
nahe zu bringen. In einzelnen Geschichten finden eine systematische Darstellung an sich wenig geeignet.
sich tragische Konflikte und in „Jan Schüddeboom! Das Buch wird sich aber auch ohnedem sicherlich
Ansätze zu einem Roman. Da man leicht bemerkt, viele Freunde erwerben. Dr. Piper.
daß die Verfasserin nach Modellen gearbeitet hat, fn TIF T;;:
die ihr im Leben wirklich begegnet sind, und da sie Erneuerung der Doktorwürde.
das mit Temperament und künstlerischem Gewissen Am 21. August d. J. hat Herr Landrichter Dr.
getan hat, soll nicht weitschweifig untersucht werden, Sommer geräuschlos in körperlicher und geistiger
welche Schriststeller ihre Vorbilder waren und mit Rùüstigkeit seinen 75. Geburtstag begangen. Weil an
welchen sie verwandte Züge aufweist. Leonore dem Tage gerade eine längere Strafkammersitzung
Niessen-Deiters ist noch jung, sie ist am 20. November stattfand, bei welcher er nicht fehlen konnte, hatte eine
1879 in Düsseldorf geboren und wendete sich ursprüng- Abordnung des Landgerichts ihm die Glückwünsche
lich der Malerei als Schülerin ihres Vaters zu. seiner Amtsgenossen schon am Tage vorher überbringen
Erst seit ihrer Verheiratung begann sie die Schristt. müssen. Eine besondere Gabe für das Geburtstags-
stellerei zu ihrem Berufe zu machen, was bei ihr kind war es, daß ihm kundgegeben werden konnte,
wohl ebenso im Blute liegt wie das Malen, denn es habe die juristische Fakultät der Georgia- Augusta-
.f Fs Valter Scott ufer Bert; frre t.k: üötiugen gZtzh vier srturit!
i " 1
gültige Talentprobe und ein Versprechen für die Würde eines Doktors beider Rechte erneuert, die er
Zukunst, das Leonore Niessen-Deiters gewiß in ab- sich vor mehr als 50 Jahren am 12. August 1855
jehbarer Heit einlösen wird, denn sie arbeitet jetzt erworben hatte. Inzwischen ist das Diplom, durch
an einem Roman, der ihr Gelegenheit geben soll, welches diese Erneuerung der Doktorwürde feierlich
ihre Gestal!ungskraft an einer größeren Aufgabe zu beurkundet wird, hier eingegangen, und da erscheint
erproben. Ihr Erstlingswerk, dem ja auch der Name es angemessen, daß diese Tatsache, die nicht nur den
der altberühmten Verlagsbuchhandlung schon zur unmittelbar von ihr Betroffenen und durch sie Geehrten
Empfehlung dienen mag, ist bei aller Anspruchslosig- angeht, auch in diesen Blättern gebührend festgehalten
keit dazu geeignet, den Leser so festzuhalten, daß er wird. Als dreiundzwanzigjähriger Doktor der Rechte
die einzelnen Geschichten gern öfter als einmal war Hermann Sommer 1855 von der Universität in seine
lesen wird. Prof. v. Lütgendorff. Vaterstadt Lübeck zurückgekehrt und hatte sich hier Ende
-: November zunächst als Advokat niedergelassen; zugleich
Von Herrn Amtsrichter Stiebeling in Lübeck ist bekleidete er das Amt eines Notars. Am 1. März 1864
kürzlich im Verlage von Franz Vahlen in Berlin wurde er Staatéeanwalt und für Zivilsachen Mitglied
„Das Recht der Anfechtung nach dem Reichsgesetz des damaligen Obergerichts. Seit der Neueinrichtung
vom 21. Juli 1879 (n. F.)“ erschienen. Der Ver- der Gerichte im Deutschen Reiche, also seit dem