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Abneigungen, die sie eine Disziplin über der anderen Selbsstprüfung vor der Berufswahl zu geben. Aber
vernachlässigen ließen, geben sie auf der Schule die. nicht nur im JInteresse der angehenden Juristen,
in allen Fächern gleich erfolgreichen Musterschilee sondern für jeden zukünftigen Studierenden wünschte
ab. Wenn elterlicher Wunsch oder unzulängliches. ich juristischen Schulunterricht, nicht nur, weil die
eigenes Interesse für andere Gebiete sie der Jurisprudenz an geisstesgymnastischem Wert der
Jurisprudenz zuführt, so befähigt sie ihre kühle, HMathematik gleichkommt, nicht nur, weil sie das
durch sachliche Interessiertheit nicht abgelenkte, loo HVerständnis der Geschichte fördert und der latei.
gische Art zu guten Leistungen, wenigstens so. nischen Lektüre in den klassischen juristischen Texten
weit, wie das heute überwiegend der Fall ist, die einen interessanteren Stoff zuführt, sondern besonders
Aufgaben des Juristen formalistischer Natur sind. weil ich es im Interesse unseres Volkslebens für
Aus ihren Reihen gehen deshalb heute die tüchtigen wünschenswert halte, daß auch die Kenntnis
Juristen, Theoretiker wie Praktiker, hervor. unseres Rechts ein notwendiger Bestandteil der
Zum dritten Typus gehören Menschen mit allgemeinen Bildung werde. Die Verbreitung von
starken und feinen Interessen, etwa philosophischen Rechtskenntnissen im Volke, der man sich jett
oder künstlerischen oder auch sozialen und humanitären verdienstlich zu unterziehen beginnt, kann erst dann
Interessen, denen es um äußerer Umstände, z. B. um vom Erfolge gekrönt werden, wenn für den Ge-
elterlicher Bedenken gegen die Unsicherheit des bildeten auch die juristische Bildung selbstverständlich
Schriftstellerberufs, um Mangels an Mitteln zur geworden ist.
philosophischen Privatdozentenlaufbahn willen oder Die praktische Durchführung meines Vorschlages
aus inneren Gründen, z. B. wegen mangelnder denke ich mir so: der Rechtsunterricht ist fakul-
künstlerischer Produktivität bei starker Rezeptivität, tativ für Ober- und Unterprimaner, der Lehrgang
versagt ist, ihren Beruf auf ihrem beherrschenden einjährig, die Stundenzahl: einmal in der Woche;
Interesse aufzubauen, und die nun zur Jurisprudenz neben einer gedrängten Übersicht der wichtigsten
ihre Zuflucht nehmen als zu derjenigen Wissen- Rechtsgebiete soll namentlich gemeinsame Lösung
schaft, welche sie vermeintlich intellektuel und leichter Rechtsfälle gepflegt werden; als Lehrkraft
gemütlich am wenigsten in Anspruch nehmen und würde man wohl unschwer einen hiesigen Richter
ihnen Zeit und Kraft für die Pflege ihrer Nein oder Rechtsanwalt gewinnen können.
gungen lassen wird. Manche von diesen gehen in Damit sei es genug, um meinen Vorschlag
der Studenten-Bohème zugrunde, zu der sie das unsern Lehrern und Juristen zur öffentlichen
Hauptkontingent stellen, manche finden doch noch Erörterung in diesen Blättern, der Oberschulbehörde
den Zugang zu ihrem angeborenen Beruf oder en gu geneigter Erwägung zu empfehlen. Daß ich
Surrogat dafür im Jeournalistenberuf, manche für ihn auf ein auswärtiges Vorbild nicht hin-
resignieren und bringen es dann zuweilen gerade gzuweisen vermag, sollte ihm, meine ich, eher förder-
durch die Befruchtung ihrer juristischen Berufs. lich als hinderlich sein. Denn was kann wohl ein
tätigkeit durch jene andern scheinbar weit abliegenden crühriges Stadtwesen mehr anfeuern als der Wunsch,
Neigungen zu wertvollen und eigenartigen wissen- seinerseits für andere ein Vorbild aufzurichten ?
schaftlichen Leistungen; alle müssen sie aber vorher 1154.
Seelennöte um ihren Beruf leiden, wie sie sonst —
wohl nur der junge Theologe kennen lernt, da ihr Freiheit der Taufe.
hervorragend zartes intellektuelles Gewissen und -
ihre stark ausgebildete Achtung vor der Wisssenschaft Es sei mir gestattet, zu drei Äußerungen in der
sie hindern, den juristischen Beruf so leicht zu Artikelserie über die Landeskirche in der vorigen
nehmen, wie sie anfangs wollten, und zwingen, den Nummer dieser Blätter eine kurze kirchenrechtliche
Geist, den sie in innerster Seele hassen müssen, Darlegung zu geben. Ich nehme die Verantwortung
täglich brünstiger zu umarmen. Die Literatur dafür auf meinen Namen und mein Amt als Mit-
geschichte hat uns viele Zeugnisse solcher Kämpfe glied der Synode, weil auch Herr Hauptpastot
aufbewahrt. Statt aller führe ich nur einen HPetersen als Vertreter des Seniors sich aus-
Ausspruch aus Friedrich Hebbels Tagebüchern gesprochen hat.
an: „Hat der Mensch gewisse Erfahrungen über Wenn der unter Nr. 730 schreibende Herr am
das Höchste gemacht, so würde ssklavisches Versenken CEnde der Äußerung V dem Verlangen nach völliger
in das rein Positive wie die Jurisprudenz es g reiheit der Taufe mit Freuden zustimmt, so ist
verlangt, ihn töten." dabei übersehen, daß völlige Freiheit eine ordnung
Gerade diesem durchaus nicht seltenen Typus mäßige Führung der Taufregister auf's äußerstt
ist die Schule es schuldig, ihm Gelegenheit zur erschwert. In ihrer Folge würde künftig die Herbel-