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schulbraven Sohn, was er denn heute gelernt habe? Vaterland Empfindenden seine geistige Rührigkeit nicht
Prompt erfolgt die Antwort: „Jaxthausen ist Dorff zu rauben. Nun ist er hochbetagt heimgegangen.
und Schloß an der Jaxt und gehört seit zweihundert Sein Andenken wird bei allen denen dauernd bewahrt
Jahren den Herren von Berlichingen erb- und eigen. bleiben, die Anregung und Förderung ihrer Studien
tümlich zu.“ Kennst Du den Herrn von Berlichingen? ihm zu danken haben. 324.
forscht Götz weiter. Und als der Junge ihn mit . .
großen Augen anstarrt: „Er kennt wohl vor lauter St. Johannisbrunnen im Hofe des Iohanneums.
Gelehrsamkeit seinen eigenen Vater nicht? Wem ge- Wer süddeutsche Städte und Städtchen bereist hat,
hört Jaxthausen ?“ Und damit ist die Schleuse wird sich gern der reizvollen, immer plätschernden
wieder aufgezogen und es rauscht wieder heraus: Brunnen und Brünnchen erinnern, die dort von fein-
„Jaxthausen ist Schloß und Dorf an der Jaxt und sinnigen Künstlern des Mittelalters und der Renaissance
gehört seit zweihundert Jahren den Herren von erdacht und mit sicherem Raumgefühl und in glücklichem
Berlichingen erb- und eigentümlich zu. Verhältnis zu der sie umgebenden Architektur aufgestellt
Müssen wir unsere Schüler denn alle zu solchen sind. Bei diesen Brunnen erhebt sich zumeist aus der
kleinen Berlichingens erziehen ? Mitte des Beckens, welches aus einem oder mehreren
Wir müssen nicht: aber wir kommen sehr Rohren gespeist wird, eine weichprofilierte Säule; diese
leicht dazu. tt r ss erte kuba, m Bazset . §§
Wilhelm Gläser f. hirter gwvüzetd. s er qm sc rz ku;:
Am 28. Mai verstarb hier im 86. Lebensjahre monumentalere Architektur zu erzielen. Dem Schöpfer
der Buchhändler und Antiquar Wilhelm Heinrich des neuen Johannisbrunnens, dem Bildhauer Fritz
Christian Gläser. Am s. September 1821 in Behn, sind jene Eindrücke nicht fremd geblieben, und
Lübeck als jüngster Sohn des Lehrers an der er hat die ihm hier gestellte Aufgabe in richtiger Er-
Ernestinenschule Augrsst Michael Gläser geboren, kenntnis der örtlichen Verhältnisse prächtig gelöst. Der
wandte er sich dem Buchhändlerberufe zu, gründete helle Stein des Brunnens mit seiner sparsamen Ver-
dann etwa 1872 eine Verlagshandlung und Druckerei goldung und die grün patinierte Bronze in ihrer
in Dorpat, wo er eine Anzahl Schriften verlegte lebhaften Silhouette kommen gegen den warmroten
und teils selbst verfaßte. Schon 1876 kehrte er nach Hintergrund, die schlichten Wände des großlinigen
Lübeck zurück, unter der Firma „W. Gläser, Buch- Schulgebäudes glücklich zur Geltung und ergeben einen
handel und Antiquariat“ hier ein Geschäft betreibend, gesunden und notwendigen Kontrast in Form und
das als Antiquariat namentlich in Lubezensien noch Farbe. Man könnte auch hier sagen, daß Brunnen
fast bis zu seinem Tode bestanden hat. Als Hülfs- und Gebäude einander nicht entbehren könnten, ohne
vibliothekar gleich nach Pastor Ave-Lallements Weihnacht etwas vermissen zu lassen; das beste Zeugnis für die
1876 erfolgten Tode an der hiesigen Stadtbibliothek künstlerische Gesamtanlage und das feine Linien- und
angestellt, hat Gläser zwölf Jahre mit großem Eifer Stilgefühl des Künstlers. Behn zeigt in seinem
und in Bereitwilligkeit dem Publikum sseine große taufenden Johannes übrigens: eine meisterhafte Sicher-
Belesenheit und seine Bücherkenntnis zur Verfügung heit in der Behandlung der Bronze und hat Lübeck
gestellt, auch mit unermüdlichem Fleiße selbst zur um ein hervorragendes plastisches Werk bereichert, auf
Feder gegriffen. Ihm wird namentlich die erstmalige welches die Schule als die glückliche Besitzerin stolz
Veröffentlichung mehrerer handschriftlicher Quellen sein darf. Wohl mischt sich hier die wunderbare
über „Ratekau und Lübeck,“ welche Schrist er 1884 Herbheit des italienischen Frührenaissanceplastikers mit
seinem Schwager, Dr. C. F. Wehrmann, widmete, der malerisch-naturalistischen Art eines Rodin (ich er-
verdankt, sowie „Bruchstücke zur Kenntnis der Lübecker innere auch an die lebhafte Geste des Johannes: der
Erstdrucke von 1464 bis 1524“ usw. (1903). In Bürger von Calais), aber in seiner ganzen Erscheinung
der Einleitung dieser Schrift und einer 1904 ihr ist das Werk eine vollständig persönliche freie Aeußerung
folgenden weiteren Schrift suchte er Lübeck als den eines im guten Sinne modernen Künstlers unserer
geeigneten Ort für einen „Reichsbücherschat der nordischen Heimat. Möchte der Brunnen zur Nach-
Germanen“ darzutun. Ein mehr und mehr sich ent- ahmung reizen; möchten doch an anderen außerordent-
wickelndes Augenleiden, das schließlich zu völliger Er- lich geeigneten Punkten unserer rotbedachten, blau und
blindung führte, hatte schon Ende 1888 Gläser zur grün umsäumten alten Hansestadt weitere immerlaufende
Aufgabe seiner Stellung an der Stadtbibliothek genötigt. Brünnchen entstehen. Dank sei auch an dieser Stelle
Immer größere Vereinsamung mit zunehmendem dem Künstler, der seine Kräfte in uneigennütiger
Alter, bittere Existenzsorgen und herbe Verhältnisse Weise in den Dienst einer schönen Sache gestellt hat.
vermochten doch dem warm für Vaterstadt und Dank sei ganz besonders dem hochherzigen Stifter,