Full text: Lübeckische Blätter. 1907 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1907 (49)

1 ] 2 Zum Gedächtnis Kaiser Wilhelms. zugute kommen würde, ist schon in früheren Erörte- .. rungen an dieser Stelle gesagt worden, wie anders Es ist sehr erfreulich zu sehen, wie weit sich der würde der Gedanke, daß die g anz e Stadt unseres Gedanke in unserer Stadt verbreitet hat, daß wir Kaisers Wilhelm in Treuen gedenken will, sich aus- Kaiser Wilhelm nicht durch ein totes Standbild ehren sprechen, wenn die Kaiser:Wilhelm-Halle an den sollen, sondern durch die Stiftung eines Unternehmens, Plat gestellt wird, der von führenden Männern in dem sein Geist lebendig und Leben schaffend fort- unseres Staatswesens schon mehrfach erwähnt ist: wirkt. Diese Erkenntnis zeigt sich in den Vor- an den Ehrenhof vor unserem Holstentor. Schon schlägen, die in letzter Zeit für die Verwendung der in seinem Schenkungsbriese für den Theaterbauplay Denkmalsmittel gemacht sind: dem einer monumentalen hat Senator Possehl darauf hingewiesen, daß dort Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in St. Gertrud und die Stätte für „eine größere Volkslesehalle“ sei; in dem einer Kaiser-Wilhelm. Halle mit Bücher- und der Bürgerschastssitung vom 19. Dezember 1905 Lesehalle, Vortragssälen, Rechtsauskunftstelle und hat unser jeziger Bürgermeister sich diesen Gedanken Räumen für andere gemeinnützige Einrichtungen. zu eigen gemacht. Dort, wo in Zukunsst der Mittel- Beide Vorschläge ruhen auf gesundem Boden, punkt zwischen den zwei Hälften der Stadt sein wird, denn beide verkörpern Ideen, die das Leben Kaiser so gelegen, daß auch St. Lorenz und die Bewohner Wilhelms erfüllten; erinnert uns die Kirche an den des Landgebietes -- mögen sie nun zu Land oder aufrichtigen einfachen Christensinn des Mannes, der zu Wasser ankommen ~ leicht Anteil an ihren in seinen Siegen nur Gottes Führung sah, so spricht Schätzen und Einrichtungen haben werden, würde die Halle von dem Fürsten, der in hohem Alter der vorgeschlagene Hallenbau wirklich ein Gedächtnis- noch den Geist und das Herz hatte, für die neuen mal des ganzen Staates für unseren Kaiser sein, sozialen Gebilde unserer Zeit Formen zu squchen, ein Gedächtnismal, das allen Bürgern, jedes Standes in denen sie sich gesund entwickeln können. und Geschlechtes, jeder Konfession und jeder Partei- Welchem von beiden Vorschlägen werden wir den richtung, gehören würde. Vorzug geben ? Endlich aber, und das ist vielleicht das wichtigste: Recht beachtenswert sind zunächst die Einwen. auch dem Zweck, des Deutschen Reiches Stifter zu dungen, die, offenbar von kirchlicher Seite, in Nr. 5 ehren, würde der Hallenbau besser entsprechen; denn dieser Blätter gegen den Kirchenbauplan erhoben sind; würde die Kirche mehr ein Gedächtnis an die persön- mit Recht scheint es dem Schreiber bedenklich, eine lichen, man könnte sagen, privaten Gesinnungen des Kirche nach einem modernen Staatsmann und Politiken. Fürsten sein, so wäre die Halle eine Fortsezung zu nennen, und wenn es in der höfischen Atmosphäre seines Lebenswerkes gerade als deutscher Kaiser. Berlins, in dem Preußen, dessen König der Landes- Wir gedenken hier seines herrlichen Wortes bei bischof ist, wenigstens noch zu erklären ist, daß man der Feier in Versailles am 18. Januar 1871: „Uns Profanes und Religiöses so verquickt, so scheint es aber und unseren Nachfolgern an der Kaiserkrone in einem Freistaat wie Lübeck geradezu absurd. wolle Gott verleihen, allezeit Mehrer des Reiches Auch dient der Plan den wirklichen Bedürfnissen zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern der Kirche in unserer Zeit jchlecht; sie muß alle an den Gütern und Gaben des Friedens auf dem Mittel, die ihr zufließen können, zusammenfassen, um Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Ge- möglichst viel kleinere Gotteshäuser und vor allem sittung." Auf einer ehernen Tafel sollte man dies möglichst viel Seelsorger zu beschaffen; eine große Wort einlassen im Eingang einer solchen Halle, und Prachtkirche mit ihren ungeheuren Kosten würde auf lesen sollten es alle, die hineingehen in diesen Bau: sie, lange Zeit diesen Bedürfnissen Licht und Luft weg- die sich dort Rat und Hülfe suchen in den verwickelten nehmen. Rechtsverhältnissen unserer Zeit, und sie, die dort Weitere Einwendungen sind sicher von der Seite Erholung für die Stunden der Muße, Anregung für zu erwarten, die so erfreulich und erfolgreich gegen ihr Denken und Fühlen, Hilfsmittel im Kampf ums das Durchschnittsdenkmal gekämpft hat, von den für Dasein und für ihren Anteil an der Arbeit unseres die Kunst interessierten, ++ denn an monumentalen Volkes gewinnen wollen. Solch ein Denkmal ließe Kirchen fehlt es gerade in Lübeck nicht, und das uns des Reichsgründers nicht nur gedenken, es würde Profil unserer Stadt ist mit ihren Türmen und ssein Leben, seine Arbeit so recht in uns fortsezen: Schiffen so wundervoll, daß wir es durch das Wagnis in ihm wäre er wirklich mitten unter uns und eines neuen Domturmes oder einer Riesenkuppel nur in uns. 36. gefährden können. r Daß ferner diese Kirche nur einem kleinen Teil Lübecks, ja nur einem Teil der Vorstadt St. Gertrud
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