Full text: Lübeckische Blätter. 1906 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1906 (48)

TA der Tuberkulosekeime beim nahen Verkehr mit Schwindsüchtigen, namentlich auch durch Anhusten oder Ansprechen derselben. Es muß also als erste Forderung für die Be- kämpfung der Tuberkuloseübertragung daran fest- gehalten werden, daß der Auswurf von Lungen- kranken, wie dies schon aus aessthetischen Gründen zu wünschen ist, in sicherer Weise aufgefangen und beseitigt wird. Neben den kranken Menschen kommen für die Verbreitung der Tuberkulose auch kranke Tiere in Betracht, in praktischer Beziehung die tuberkulös erkrankten Rinder, namentlich wenn Eutertuberkulose bei denselben vorhanden ist. Während die in den fleischigen Teilen enthaltenen Tuberkulosekeime durch intensive Hitze beim gründlichen Kochen unschädlich gemacht werden, besteht die Gefahr, daß durch nicht abgekochte Milch von Kühen mit Eutertuberkulose Menschen, namentlich jugendliche Individuen, infiziert werden. Gerade bei dem jetzt beliebten Verfahren, die Milch in großen Meiereien zu vertreiben und zu vermengen, ist die Möglichkeit gegeben, daß durch vereinzelte kranke Tiere große Milchmassen mit Tuberkulosekeimen infiziert werden. Ist doch das bei Schweinen früher nur selten, im letzten Jahr- zehnt aber häufig beobachtete Auftreten von Tuber- kulose durch die Fütterung mit der aus Sammel- molkereien stammenden tuberkulös infizierten Mager- milch zu erklären. Bis vor wenigen Jahren hatte man die Erreger der Tiertuberkulose für identisch mit denen der Menschentuberkulose gehalten. Da trat 1901 Koch auf dem Londoner Tuberkulosekongreß mit der überraschenden Behauptung hervor, daß es sich bei Menschen- und bei Tiertuberkulose um generell höchst verschiedene Krankheitserreger handle und daß die Tiertuberkulose für die Menschen in praktischer Beziehung so gut wie ungefährlich sei. Lettere Anschauung hat sich freilich bei den eingehenden, vom Kaiserlichen Gesundheitsamt angestellten Unter- suchungen nicht als stichhaltig erwiesen. Zwar bestehen grundsätliche Unterschiede zwischen der Tier- und der Menschentuberkulose. Die Erreger der ersteren sind für Menschen weniger giftig („weniger virulent“) als die vom kranken Menschen stammenden Keime,, sind aber doch inmstande, im menschlichen Körper, namentlich im jugendlichen und kindlichen Alter, sich einzunisten und ihre ver- derbliche Tätigkeit zu entfalten. — Die großen wissenschaftlichen Errungenschaften Kochs durch seine Entdeckung der Tuberkelbazillen vor nunmehr 23 Jahren sind denn auch für das praktische Leben und für die Bekämpfung der Tuber- kulose von weittragendster Bedeutung gewesen, indem sie die Grundlage für die Behandlung wie für die Vorbeugung der Kranken wurden. Haben sich auch die anfänglichen Hoffnungen auf die Entdeckung eines unfehlbaren spezifischen Arzneimittels gegen die Tuberkulose weiterhin nicht erfüllt, so sind die sonstigen zur Bekämpfung der Tuberkulose ergriffenen Maßregeln, wie die Statistik lehrt, von erfreulichstem Erfolge gewesen. Seit Mitte der 8s0er Jahre hat sich in Deutschland überall, namentlich auch in den Großstädten, eine deutliche Abnahme der Tubertulose- sterblichkeit gezeigt. In Preußen waren insgesamt im Jahre 1876 auf 10 000 Lebende männlichen Geschlechts 34,41, beim weiblichen Geschlecht 27,59 Todesfälle an Tuber- kulose gekommen. Im Jahre 1902 betrugen die Zahlen nur noch 20,72 und 17,41. In den preußischen Großstädten betrug die Tuberkulosesterblichkeit auf je 10 000 Lebende in den Jahren: 1876 1881 1886 1891. 1896 1901 1902 1903 h q Die Jahre von 1876 bis 1901 mit fünfjährigen Inter- vallen sind zur Prüfung gewählt, weil in ihnen als den auf die Volkszählungen folgenden Jahren die Berechnung der Sterblichkeitsziffern auf je 10 000 Lebende am zuverlässigsten ist. In Lübeck ist die Tuberkulosesterblichkeit (auf 10 000 Lebende berechnet) von 18,5 im Jahre 1884 auf 12,0 im Jahre 1904 gesunken. Lübeck steht in bezug auf die Tuberkulose, wohl infolge des Fehlens größerer Industrieentwicklung, besonders günstig da, namentlich im Vergleich zu unsern beiden hanseatischen Schwesterstäßten Hamburg und Bremen, welche in früheren Jahren das 2 bis 3fache der Lübecker Tuber- kulosesterblichkeit aufgewiesen haben. Doch haben sich auch in den genannten beiden Hansestädten, namentlich in dem von Tuberkulose besonders schwer heimgesuchten Bremen, die Verhältnisse im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte sehr gebessert. Das günstige Verhalten Lübecks gegenüber der Tuberkulose herechtigt zu der Hoffnung, daß die etwa fernerhin ergriffenen Maßregeln von weitergehendem Erfolg gegen die Tuberkulose begleitet sein werden, und legen uns gleichzeitig die Verpflichtung auf, dafür zu sorgen, daß die beabsichtigte Förderung industrieller Unternehmungen nicht einen nachteiligen Rückschlag auf die Gesundheitsverhältnisse unserer Vaterstadt mit sich bringe. In der Behandlung der Lungenkranken, in welcher früher neben reichlicher Ernährung ein
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.