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der Tuberkulosekeime beim nahen Verkehr mit
Schwindsüchtigen, namentlich auch durch Anhusten
oder Ansprechen derselben.
Es muß also als erste Forderung für die Be-
kämpfung der Tuberkuloseübertragung daran fest-
gehalten werden, daß der Auswurf von Lungen-
kranken, wie dies schon aus aessthetischen Gründen
zu wünschen ist, in sicherer Weise aufgefangen und
beseitigt wird.
Neben den kranken Menschen kommen für die
Verbreitung der Tuberkulose auch kranke Tiere in
Betracht, in praktischer Beziehung die tuberkulös
erkrankten Rinder, namentlich wenn Eutertuberkulose
bei denselben vorhanden ist. Während die in den
fleischigen Teilen enthaltenen Tuberkulosekeime durch
intensive Hitze beim gründlichen Kochen unschädlich
gemacht werden, besteht die Gefahr, daß durch nicht
abgekochte Milch von Kühen mit Eutertuberkulose
Menschen, namentlich jugendliche Individuen, infiziert
werden. Gerade bei dem jetzt beliebten Verfahren,
die Milch in großen Meiereien zu vertreiben und
zu vermengen, ist die Möglichkeit gegeben, daß durch
vereinzelte kranke Tiere große Milchmassen mit
Tuberkulosekeimen infiziert werden. Ist doch das
bei Schweinen früher nur selten, im letzten Jahr-
zehnt aber häufig beobachtete Auftreten von Tuber-
kulose durch die Fütterung mit der aus Sammel-
molkereien stammenden tuberkulös infizierten Mager-
milch zu erklären.
Bis vor wenigen Jahren hatte man die Erreger
der Tiertuberkulose für identisch mit denen der
Menschentuberkulose gehalten. Da trat 1901 Koch
auf dem Londoner Tuberkulosekongreß mit der
überraschenden Behauptung hervor, daß es sich bei
Menschen- und bei Tiertuberkulose um generell höchst
verschiedene Krankheitserreger handle und daß die
Tiertuberkulose für die Menschen in praktischer
Beziehung so gut wie ungefährlich sei. Lettere
Anschauung hat sich freilich bei den eingehenden,
vom Kaiserlichen Gesundheitsamt angestellten Unter-
suchungen nicht als stichhaltig erwiesen. Zwar
bestehen grundsätliche Unterschiede zwischen der
Tier- und der Menschentuberkulose. Die Erreger
der ersteren sind für Menschen weniger giftig
(„weniger virulent“) als die vom kranken Menschen
stammenden Keime,, sind aber doch inmstande,
im menschlichen Körper, namentlich im jugendlichen
und kindlichen Alter, sich einzunisten und ihre ver-
derbliche Tätigkeit zu entfalten. —
Die großen wissenschaftlichen Errungenschaften
Kochs durch seine Entdeckung der Tuberkelbazillen
vor nunmehr 23 Jahren sind denn auch für das
praktische Leben und für die Bekämpfung der Tuber-
kulose von weittragendster Bedeutung gewesen, indem
sie die Grundlage für die Behandlung wie für die
Vorbeugung der Kranken wurden. Haben sich auch
die anfänglichen Hoffnungen auf die Entdeckung eines
unfehlbaren spezifischen Arzneimittels gegen die
Tuberkulose weiterhin nicht erfüllt, so sind die
sonstigen zur Bekämpfung der Tuberkulose ergriffenen
Maßregeln, wie die Statistik lehrt, von erfreulichstem
Erfolge gewesen. Seit Mitte der 8s0er Jahre hat
sich in Deutschland überall, namentlich auch in den
Großstädten, eine deutliche Abnahme der Tubertulose-
sterblichkeit gezeigt.
In Preußen waren insgesamt im Jahre 1876 auf
10 000 Lebende männlichen Geschlechts 34,41, beim
weiblichen Geschlecht 27,59 Todesfälle an Tuber-
kulose gekommen. Im Jahre 1902 betrugen die
Zahlen nur noch 20,72 und 17,41.
In den preußischen Großstädten betrug die
Tuberkulosesterblichkeit auf je 10 000 Lebende in
den Jahren:
1876
1881
1886
1891.
1896
1901
1902
1903
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Die Jahre von 1876 bis 1901 mit fünfjährigen Inter-
vallen sind zur Prüfung gewählt, weil in ihnen als
den auf die Volkszählungen folgenden Jahren die
Berechnung der Sterblichkeitsziffern auf je 10 000
Lebende am zuverlässigsten ist.
In Lübeck ist die Tuberkulosesterblichkeit (auf
10 000 Lebende berechnet) von 18,5 im Jahre 1884
auf 12,0 im Jahre 1904 gesunken. Lübeck steht in
bezug auf die Tuberkulose, wohl infolge des Fehlens
größerer Industrieentwicklung, besonders günstig da,
namentlich im Vergleich zu unsern beiden hanseatischen
Schwesterstäßten Hamburg und Bremen, welche in
früheren Jahren das 2 bis 3fache der Lübecker Tuber-
kulosesterblichkeit aufgewiesen haben. Doch haben
sich auch in den genannten beiden Hansestädten,
namentlich in dem von Tuberkulose besonders schwer
heimgesuchten Bremen, die Verhältnisse im Laufe
der letzten beiden Jahrzehnte sehr gebessert. Das
günstige Verhalten Lübecks gegenüber der Tuberkulose
herechtigt zu der Hoffnung, daß die etwa fernerhin
ergriffenen Maßregeln von weitergehendem Erfolg
gegen die Tuberkulose begleitet sein werden, und
legen uns gleichzeitig die Verpflichtung auf, dafür
zu sorgen, daß die beabsichtigte Förderung industrieller
Unternehmungen nicht einen nachteiligen Rückschlag
auf die Gesundheitsverhältnisse unserer Vaterstadt
mit sich bringe.
In der Behandlung der Lungenkranken, in
welcher früher neben reichlicher Ernährung ein