Full text: Lübeckische Blätter. 1906 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1906 (48)

Dinge, um die wir uns in diesem Parlament nicht zu bekümmern haben, die wir hier nur theoretisch zu betrachten haben, die uns aber doch nicht ver- anlassen können, eine große Anzahl von Staats-. angehörigen hier wahlrechtslos zu machen. So sollten Sie nicht vorgehen, denn je mehr Freiheit Sie dem einzelnen geben, desto mehr wird Lübeck ühen. Senator Dr. Neumann: Ich will auf die Ausführungen des Herrn Vorredners nicht weiter eingehen. Ich bin aber zu einer tatsächlichen Richtig- stellung genötigt. Es ist mir nicht in den Sinn gekommen, zu erklären, daß es eine politische Unmög- lichkeit sei, bei unsern Arbeiten kommunaler Natur mit irgendeiner der in der Bürgerschaft vertretenen Richtungen zusammenzuarbeiten. Ich will nicht den ganzen Gedankengang, den ich vorgetragen habe, wiederholen. Ich bitte aber die Herren, im steno- graphischen Bericht meine Worte nachzulesen. Jeden- falls möchte ich dies festgestellt haben. Wissell : Herr Senator Dr. Schön hat gebeten, dem Senat nicht immer mit Vorwürfen zu kommen, dazu seien die ständigen und die andern extra be- stellten Senatskommissare da, Auskunft geben zu können. Ich warte aber immer noch auf Auskürfte, um die ich gebeten habe. Ich habe früher gebeten, mir mitzuteilen, ob die Brücke in Regie gebaut oder vergeben werden sollte und ob es nicht an- gängig sein würde, die von mir geforderte Lohn- vereinbarung zu treffen; ich habe ferner bei diesem Punkt darum gebeten, mir zu sagen, warum es nicht als unliebsam empfunden würde, daß Notare und Beamte, die Bürger sind, kein Wahlrecht haben. Ich habe aber noch keine Antwort bekommen. Ich habe weiter gefragt, ob der Senat nicht auch gewisser- maßen als recht unliebsam derartige Fälle empfinde, wie ich sie vorgetragen habe und die auf Grund des bisherigen Gesezes möglich seien. Wenn man auf alles das keine Antwort bekommt, darf man dem Senat den Vorwurf nicht ersparen, und er darf sich nicht darüber wundern, wenn wir auch nächstens kommen und sagen, daß uns die und die Punkte in der Senatsvorlage zu mangelhaft begründet sind. Ich bin überzeugt, wenn der Senat solche Fälle, wie ich sie angeführt habe, als unrecht empfinden würde, er dies wahrscheinlich auch im Gesez zum Ausdruck bringen würde. Aber ich glaube, er kennt von diesen Einzelheiten über- haupt nichts, und nur darum hat er seine Vorlage sso begründen können, wie diese. Herr Senator Dr. Neumann meinte, die Sache sei im Prinzip längst erledigt, seit dem 9. August des vorigen Jahres, und es sei zwecklos, darüber zu sprechen und die Frage hier nochmals zu vA Ah erörtern. Ja, das mag Ihre Auffassung sein. Daß die Sache im Prinzip nicht erledigt ist, das beweist ja auch am besten die heutige Senatsvorlage. Sie beweist doch in der Tat, das Fälle denkbar sind, in denen nicht alles so geregelt ist, wie es nach dem Prinzip geregelt sein sollte. Herr Senator Dr. Neumann, und das war ganz interessant, hat sich dann besonders mit uns beschäftigt. Ich habe mich in einer Rolle gesehen, an die ich wohl nicht im entferntesten gedacht habe. Herr Senator Dr. Neu- mann hat gemeint, die Gesamtentwicklung, die Fort- existenz Lübecks sei aufs Spiel gesetzt, wenn wir hier zu einem nennenswerten Einfluß gelangen könnten. Ja, d a s ist allerdings richtig, eine Fortentwicklung, wie wir sie hier seit Jahrhunderten gehabt haben und wie sie hinter uns liegt, wünschen wir nicht, sondern eine bessere nach oben hin, eine solche, die vorwärts geht. Daß die etwa zum Schaden Lübecks sein könnte, möchte ich ganz entschieden bestreiten. Wenn es wirklich Jhre Auffassung ist, daß unsere Mitarbeit irgendwie zum Schaden Lübecks sein könnte, dann liegt das eben schließlich nur an der Auffassung. Dann ver- stehe ich auch, daß der Senat nicht gern einen von uns, vielleicht meinen Freund Schwartz, dermaleinst als „den Würdigsten," von der Bürgerschaft dazu ausersehen, in seiner Mitte sieht, oder vielleicht auch, ich will den kühnen Gedanken aussprechen, gar mich. Ich habe zwar noch nie einen Frack an- gehabt, aber ich meine, ich, und auch Freund Schwarß müßten in Frack und weißer Binde gar nicht so übel aussehen. Ob aber unsere Mitarbeit wirklich, wenn sie jemals in Frage kommen könnte, zum Schaden Lübecks sein würde, ist eine ganz andere Frage, und wenn Sie der Anschauung sind, beweist uns das eben, daß Sie von dem, was wir wollen und erstreben, auch nicht im entferntesten eine Ahnung haben. Es ist mir in den Ausführungen des Herrn Senator Dr. Neumann das offene Ein- geständnis interessant gewesen, daß eine objektive Ungleichheit bestehe, nur bestreitet er, daß es eine bewußte Ungerechtigkeit sei. Aber was ist es denn anders als eine Ungerechtigkeit, wenn man uns nicht irgendwie zu einem Einfluß will gelangen lassen? Sie sagen, Sie hätten keine Furcht. Ünd Furcht vor uns ist es doch gewesen, die Sie veranlaßt hat, das Gesetz in der Weise zu ändern, wie es geschehet ist. Sie haben die Furcht gehabt, und, ich glaube und nehme an, daß das wirklich Ihre Überzeugung ist, wir würden die Fortexistenz Lübecks aufs Spiel setzen. Wenn Sie meinen, daß ein anderer Maß stab nicht zu finden gewesen wäre für die Regelung der Sache, hätten Sie im vergangenen Jahre nur das proportionale Wahlsystem einführen können, und Sie hätten dann sehen können, daß eine derartige
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.