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Gegensatz zu jenen früheren Bestrebungen dazu ge-
kommen, die Vorschläge zu machen, die im vorigen
Jahre Geset geworden sind und um deren Konsequenz
es sich heute handelt? Wir sind, wie ich schon
sagte, lediglich aus der Überzeugung dazu gekommen,
daß, wenn wir die Freiheit, die unsere Vorfahren
erworben haben, entsprechend dem schönen lateinischen
Spruche am neuen Rathause zu Hamburg ernstlich
zu erhalten bemüht sein wollten, die Maßregeln er-
greifen mußten, die notwendig waren, die Unab-
hängigkeit unseres Stadtstaates, die wir alle bis auf
den heutigen Tag als etwas Wünschenswertes und
Erhaltenswertes angesehen haben, auch für die Zu-
kunft sicherzustellen. Da war es in der Tat nur
ein Gebot der Selbsterhaltung, diese Maßnahme zu
ergreifen, der Selbsterhaltung gegenüber der Partei
des Herrn Vorredners, der Partei, die, wie die
Reichstagswahlen ergeben haben, rein ziffernmäßig
genommen eine Mehrheit in unserm Staate gefunden
hat. Wir können uns in dieser Beziehung weitere
Erörterungen sparen. Es war einfach notwendig,
daß wir in dieser Weise vorgingen. Wir konnten
unsern Staat, der in verfassungs- und verwaltungs-
rechtlicher Beziehung ganz anders dasteht wie die
monarchischen Bundesstaaten des Reiches, nicht einer
Partei, nicht einer Massse der Bevölkerung preis-
geben, wir konnten nicht geschlossenen Auges ins
Verderben hineinrennen. Es war selbstverständlich,
daß, wenn wir uns nicht zur rechten Zeit auf unsere
Pflicht besonnen hätten, dann die Mehrheit auch in
der Bürgerschaft schließlich einmal der Partei des
Herrn Vorredners zugefallen wäre, und dadurch
würden wir unser Staatswesen in seinen Existenz-
grundlagen in Frage gestellt haben. Weil wir uns
dieser Tatsache und unsrer Pflicht bewußt waren,
haben wir ganz klar und mit voller Absicht die
Sache so zu gestalten versucht und gestaltet, wie es
im vorigen Jahre geschehen ist. Daß das der Partei
des Herrn Vorredners nicht angenehm ist, glaube ich
gern, aber die Herren werden sich dauernd an den
Gedanken gewöhnen müssen, daß das hanseatische
Bürgertum auch insofern der Gesinnung der Vor-
fahren nicht unähnlich ist, als es auch heute noch
im richtigen Augenblick das Notwendige zu tun
weiß, und mit Entschiedenheit zu tun weiß. Ohne
Sentimentalität und ohne Furcht haben wir das-
jenige getan, was nach unserer klaren und festen Über-
zeugung notwendig war für die Erhaltung unseres
Gemeinwesens. Jch bin auch überzeugt, daß es die
große Mehrheit der Bürgerschaft nie gereuen wird,
diesen Schritt mit dem Senate getan zu haben.
Nicht das Bestreben, ungerecht vorzugehen, Vorrechte
für einzelne Kategorien von Bürgern zu schaffen
und andern in ihren Rechten zu beschränken, wie der
Herr Vorredner sich etwa ausdrückte, hat uns die
Feder diktiert bei unserer lezten Verfassungsreform,
sondern die leidige, bittere Notwendigkeit. Das
Bürgertum Lübecks würde ganz gewiß bereit gewesen
sein, mit allen Volkskreisen unter gleichmäßiger Be-
teiligung aller gemeinsam an der weiteren Entwicklung
der Vaterstadt zu arbeiten, wenn es nur möglich
gewesen wäre. Es war aber nicht möglich. Sie
sprachen davon, daß dadurch, daß wir die Sache so
gestaltet haben, erst eine Unzufriedenheit in die Be-
völkerung hineingetragen wäre. Das glaube ich
nicht. Wir haben doch das Reichstagswahlrecht, wir
haben doch auf dem Gebiete der Reichspolitik die
freieste Betätigung des Staatsbürgers, aber wo sind,
wenn ich mich in der Reichspolitik richtig zu orientieren
glaube, die Ansätze einer Anerkennung dieser Politik
bei Ihnen für das, was auf dem Gebiete der Ver-
fassungspolitik, auf dem Gebiete der Sozialpolitik
geschehen ist? (Lebhaftes sehr richtig.) Wo ist die
allerbescheidenste Anerkennung, wo ist das Bestreben
einer positiven Mitarbeit Ihrer Partei mit den bür-
gerlichen Parteien an der innern und äußern Stärkung
und Entwicklung des im Reiche geeinten deutschen
Volkes? Das mußte hier einmal gesagt werden.
Es mukte gesagt werden, damit nicht die etwas
pathetischen Worte des Herrn Vorredners über unge-
rechte, ungleichmäßige Behandlung der verschiedenen
Kreise der Bevölkerung widerspruchslos über diesen
Saal hinausklingen. Übrigens involviert die Ungleich.
mäßigkeit durchaus noch keine Ungerechtigkeit. Es ist
ein Spiel mit Worten, ein dialektisches Spiel, wenn
Sie in dieser Weise die Ungleichheit ohne weiteres
einer Ungerechtigkeit gleichsegen. Die Ungleichheit
an dem Anteil an den politischen Rechten ergibt sich
aus den historischen Verhältnissen, aus politischen
Notwendigkeiten, wie sie für uns im vorigen Jahre
maßgebend waren. Da ist von Ungerechtigkeit ab-
solut nicht die Rede, weder von objektiver noch viel
weniger von subjektiver und bewußter. Ich habe
vorhin ausgeführt, daß es dem Wunsche des lübecki-
schen Bürgertums ganz entschieden besser entsprechen
würde, wenn es möglich wäre, die objektive Ungleich-
heit zu beseitigen und ein allgemeines gleiches Wahl-
recht aller Bürger zu statuieren. Daß das nicht
möglich ist, bedauern wir außerordentlich. Nun ist
über den Maßstab gesprochen und gesagt, es wäre
für die Auffassung des Bürgertums charakteristisch,
daß das Maß der politischen Rechte nach dem Ein-
kommen abgestuft werde. Ich habe wiederholt, auch
in der Presse, der der Herr Vorredner nicht fern
steht, von Geldsackspolitik gelesen. Das ist wirklich,
ich will mich ganz vorsichtig ausdrücken, nicht ganz
objektiv. Es ist dieser Maßstab nicht gewählt zu
dem Zwecke, um dem Besitze, dem Gelde irgendein