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Standpunkt. Wenn wir Gelder bewilligen sollen,
gleichviel wie hoch die Summe ist, fragen wir, wozu
dieses Geld verwandt werden soll und was dort in
der Schule geschieht. Das nehmen wir als unser
gutes Recht für uns in Anspruch, und wir lassen es uns
von Herrn Dr. Benda nicht nehmen. Dann sagte
Herr Dr. Ziehl, er könne es ganz gut einsehen. Er
komme in viele Hausstände, in welchen die Frau
früher als Dienstmädchen gedient hätte oder in eine
Fabrik gegangen wäre. Es mag sein, daß Herr
Dr. Ziehl ein derartiges Auffassungsvermögen besitzt
und das beurteilen kann. Ich weiß aber soviel, daß
Mädchen, die früher leider gezwungen waren, in
eine Fabrik zu gehen, sehr gute Hausmütter geworden
sind. Jch verwahre mich dagegen, daß ich gesagt
habe, daß in der Schule die Dienstmädchen ausge-
bildet werden und davon in einem wegwerfenden
Tone über Dienstmädchen gesprochen hätte. Ich
weiß und gebe es zu bedenken, daß es noch andere
Berufsstände gibt, wozu ein Vater seine Kinder gern
erziehen lassen möchte. Herr Hempel meinte, er
hätte heute ein anderes Bild von uns bekommen wie
in der ersten Sizung. Das macht recht sein. Wir
geben uns so, wie wir sind und richten unsere
Stellungnahme nach den Vorlagen ein. Er führte
weiter aus, daß mit den Kindern schwer auszukommen
sei, weil sie bereits Zeitungen läsen. Wir freuen
uns darüber, daß die Jungen heute schon eine
Zeitung zur Hand nehmen. Was sie bei uns zu
lesen bekommen,'ist Wahrheit. (Lebhafter Widerspruch.)
Ich habe drei Kinder in der Schule, und alle drei
sind acht Tage lang jeden Tag nach Hause gekommen
und haben gesagt: Heute hat unser Fräulein gesagt,
es stände in der Zeitung, daß es am 21. Januar
Krieg gäbe. Meine Alteste ist am 22. Januar nach
Hause gekommen und hat erzählt, es fänden drei
Volksversammlungen statt, und sie dürften abends
nach 6 Uhr nicht ausgehen, weil es hier dann Krieg
gäbe. Das hat jedenfalls Herr Hempel auch gewußt,
wenn ich auch nicht weiß, ob es an seiner Schule
geschehen ist. Aber in einem Teil der Schulen hat
man die Kinder gruselig mit dem 21. und 22. Januar
gemacht.
Wissell: Wir müssen uns allerdings in die
Tatsache finden, Herr Hempel, daß wir in Jhrer
Achtung gesunken sind. Wir wissen das auch zu
tragen und müssen diese Tatsache als Tatsache nehmen
und mit ihr rechnen. Wir tragen aber nicht allzu
schwer daran. Wir sprechen das, wie wir es meinen,
und steht unsere Meinung mit der Ihrigen in Wider-
spruch, so können wir es nicht ändern. Aber wenn
wir unsere Meinung aussprechen, sagen Sie nicht
bitte, daß wir irgend etwas dem Volke verunglimpfen
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wollen. Sie haben vielleicht das Gefühl, daß dem
Volke etwas verunglimpft wird, das ist Ihre Über-
zeugung. Aber eine Verunglimpfung setzt voraus,
daß man gegen seine Überzeugung irgendeinem etwas
verekeln wollte. Verunglimpfen hat einen häßlichen
Nebengeschmack. Sie können sagen, wir raubten dem
Volke das Glück. Wenn Sie aber von Verunglimpfen
reden, und das Wort ist gesprochen, denn es ist
sofort notiert, liegt darin für uns etwas Verletendes,
und das möchten wir zurückweisen. Wir machen es
so, daß wir uns über jeden Punkt der Tagesordnung
genau und eingehend zu informieren suchen, und so
bin ich aus Anlaß dieser Vorlage zu dem Vorsteher
der Jenischschen Freischule gewesen und habe zu ihm
gesagt: Herr Vorsteher, in dem Verzeichnis der
Lübecker Wohltätigkeitsanstalten, das 1901 heraus-
gegeben ist, steht, die Mädchen sollten in ihrer Schule
zu Dienstboten erzogen werden, stimmt das noch?
Da hat mir der Herr Vorsteher gesagt, das Ziel
der Schule decke sich in jeder Weise mit dem der
Volksschule. Früher einmal sei das das Ziel der
Schule gewesen. Es sei eine alte Dame dagewesen,
die bettlägerig war und die in ihrem Hause die
Kinder in Verbindung mit Hausarbeit erzogen habe.
Die alte Dame habe diese ihre Tätigkeit so lieb
gehabt, daß sie testamentarisch das auch für die Zu-
kunft festgelegt habe; aber, so sagte mir der Vor-
steher, man hätte sich den Zeitverhältnissen angepaßt,
und die Schule habe sich nach Lage der Dinge weiter
entwickelt. Das hat mein Freund, Herr Pape fragen
wollen, warum das Alte denn noch in dem Verzeichnis
stände. Wenn dem nicht mehr so ist, darf etwas
derartiges auch nicht in ein amtliches Verzeichnis
hinein. Da sagen Sie nun, nein, das, was der
Vorsteher gesagt habe, stimme gar nicht einmal. So
sehr wir auch die Diensstboten, die gezwungen sind,
in den Dienst zu gehen und mit ihrer Hände Arbeit
ihr Brot verdienen, achten und ehren, so sehr lehnen
wir es ab, eine Schule zu unterstützen, die den aus-
gesprochenen Zweck hat, Dienstboten zu erziehen.
Wenn uns gesagt wäre, das Ziel der Schule sei
dasselbe wie das der Volksschule, würden wir für
diese Vorlage gestimmt haben. Unter diesen Um-
ständen lehnen wir sie aber ab. Wir können das
nicht ändern, wir sprechen so, wie uns der Schnabel
nun einmal gewachsen ist und wie unsere Über,
eugung ist.
Ö ts Dr. Schön: Sollten nicht am Ende
doch Mißverständnisse vorliegen? Die Sache liegt
so, daß wir in dieser Schule, wie ich schon sagte,
den Mädchen besonders auch diejenigen Kenntnisse
geben, die für Dienstboten wünschenswert ind.
Nachher aber zwingt sie niemand, Dienstboten zu