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Schulfragen dieser Art urteilen soll, darf es nicht
unbeachtet lassen.
î Vor dreißig Jahren wurde die Frage: Weshalb
lernen wir Griechisch? – kaum gestellt. Die Not-
wendigkeit galt eben als Dogma, und doch möchte
ich sagen: es ist zu bedauern, daß sie damals nicht
oft und dringend gestellt wurde; vielleicht würde die
Frage jetzt nicht so dringend lauten, wenn sie da-
mals öfter gestellt worden wäre. Denn vielfach ist von
den Inhabern des Gymnasialmonopols in früheren
Jahren Mißbrauch getrieben, indem die herrschende
Stellung der alten Sprachen im Unterricht nicht zur
Vermittlung einer allgemeinen Bildung, sondern zur
Vorbildung für ein Berufsstudium verwendet wurde.
Es wurden vielfach Philologen gezüchtet und es ist
nur natürlich wie die Jronie der Geschichte, daß die
jetzigen Vertreter des Faches für die Sünden ihrer
Vorgänger büßen müssen, daß wenn früher der Kamm
der Woge von der Sonne allgemeiner Gunst be-
schienen weithin leuchtete, wir uns jetzt in einem
Wellentale ~ vielleicht schon nicht mehr in seinem tiefsten
Teil – befinden. Aber wenn die stolze Woge auch
starb, ist das Meer damit doch nicht tot.
Ich sprach soeben von einem Monopole. Damit
meine ich die bevorrechtigte Stellung, welche das
Gymnasium lange dadurch besessen hat, daß sein
Reifezeugnis allein das Recht gab, allen Studien sich
u widmen. Zäh und eigensinnig hat man daran
festgehalten, auch als Widerspruch laut wurde; man
glaubte diesen beschwichtigen zu können, indem man
mancherlei ihm ursprünglich fehlende Lehrgegenstände,
die große Arbeitskraft erforderten, in den Lehrplan
einfügte, um den Forderungen einer neuen Zeit ge-
recht zu werden. Man übersah, daß man so gegen
die eigene Absicht auf den Ruin unserer Gymnasien
und auf die Verachtung der klassischen Studien hin-
arbeitete. Man verlangte zu viel auch von solchen
Menschen, die in dem Streben nach einem bescheidenen
Amt, nach einem guten Examen gewohnt waren, das
Einsammeln von Kenntnissen einseitig über das
Können, die Bildung des Wissens über die des
Charakters zu stellen. Man wollte zu viel und ge-
langte so zu Oberflächlichkeit und Uberbürdung. Ein
solches Bemühen war um so verhängnisvoller, als
gleichzeitig das Streben nach der Berechtigung zum
einjährigen Heeresdienst den Gymnasien eine Menge
Schüler zuführte, die weder körperlich noch geistig
ihren Anforderungen gewachsen waren. Denn nun
verdarb dieses Jagen nach unerreichbaren Zielen den
Lehrern wie den Schülern und damit auch den Eltern
die Freude an der Schule. Was unsere Väter aus
ihrer Schulzeit berichten, sind vielfach erhebende
Bilder geistiger Gemeinschaft, während unsere Zeit-
genossen sich meist nur Schulanekdoten von zweifel.
haftem Wert zu erzählen haben. Man erleichterte
aber zugleich den eigenen Gegnern die Arbeit auf
das äußerste, die mit Fug und Recht auf die mangel:
haften Leistungen der Gymnasien hinweisen konnten;
diese übersahen dabei freilich, daß die Schuld nicht
an der Art, sondern an der Zahl der Lehrgegenstände
und ihrem Betriebe lag, und waren ungerecht, in-
dem sie auf die im Verhältnis zu den in Sexta
aufgenommenen geringe Zahl der mit dem Reife-
zeugnis entlassenen Schüler hinwiesen; denn sie ver-
schwiegen oder übersahen, daß dies Verhältnis bei
den Realgymnasien und Oberrealschulen noch un-
aünstiger war, ja nach dem Gesseße der Auslese
sogar an den Mittelschulen und Volksschulen mit
ihrer schwach besuchten ersten Klasse in ähnlicher
Weise sich wiederholte, obwohl hier ein Wissen ver-
mittelt werden soll, dessen jeder Herr zu werden
imstande sein sollte. (Fortseßung folgt.)
Ein Wort über die Schülerfreikonzerte.
Auch dieses Jahr hat es sich der Verein der
Musikfreunde nicht nehmen lassen, die Volksschüler
und -schülerinnen mit einem Freikonzert zu beglücken.
Gewiß liegt dem ein humaner Gedanke zugrunde, doch
möchten wir uns zu seiner Durchführung einige Worte
erlauben.
Wer die beiden Programme ohne den Kopf „Schüler-
konzert" prüft, wird schlechterdings nicht verstehen, wie
sie zu dieser Überschrift kommen. Js der Name
„Beethoven“ auf einem Schülerprogramm durchaus
notwendig ? Sind die Egmont- und Leonoren - Ouver-
türen für Kinder verständlich, die weder das Trauer-
spiel Egmont noch den Fidelio kennen, wenn man sich
auch bemüht, ihnen dieses Verständnis durch einige
mehr oder minder trockene Erläuterungen leichter zu
machen ?
Ist den Veranstaltern dieser Konzerte gar nicht zum
Bewußtsein gekommen, daß wir jetzt gerade vor der
schönen Weihnachtszeit stehen ? Die Hörer sind Kinder
aus den ärmeren Schichten der Bevölkerung und kennen
die Not des Lebens meistens aus täglicher Anschauung.
Auch ihnen, den Stiefkindern des Glücks, strahlt der
Stern von Bethlehem in ihre Lebensnacht hinein und
läßt sie auf wenige Stunden die Sorge um das täg-
liche Brot vergesssen. Warum hatte man nicht Raum
für ein einziges Weihnachtslied, das so reichen Wider-
hall in den kindlichen Herzen gefunden hätte?
Es scheint, daß bei der Auswahl der Musikztücke
die künstlerischen Rücksichten zu sehr betont, die pity
gogischen dagegen wenig beachtet wurden. Oder soll
auch schon die goldene Jugend über die Musik „denken
lernen ? t. „ll
„Wo ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen ;
sagt Goethe. Wo Musik nicht in erster Linie auf da '
Gefühl wirkt, ist sie verloren, besonders bei fist
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