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kräftigsten im ersten Satze äußerte. Sehr hübsch spielten
die Herren Brahms’ c-moll-Trio op. 101, ein ernstes,
an herrlichen Eingebungen reiches Werk. Einer
tadellosen Wiedergabe stellt es nicht geringe Schwierig-
keiten entgegen, die zu überwinden nur ernstestes
Studium vermag. Ließ das Andante grazioso, in
dem Brahms’ tiefe Sehnsucht nach den einfachen
Jormen des Volksliedes so eigenartig durchklingt,
in den Streichinstrumenten noch mehr Wärme der Ton-
gebung zu, lösten die drei Künstler in den übrigen
Sähen ihre Aufgabe in hoch anzuerkennender Weise.
Empfehlen dürfte es sich, den Flügel für die Folge
stets ganz geschlossen zu halten, da dem Hörer sonst
manche feinen Züge der Partitur entgehen. Das
zahlreich erschienene Publikum zeichnete das Trio
durch lebhaften Beifall aus.
Konzert von Frl. Hilda Gädeke. (28. Novbr.)
Ein voller Saal begrüßte die einheimische Sängerin
Irl. Hilda Gädeke, die nach Abschluß ihrer Studien
zum ersten Male Gelegenheit hatte, in ihrer Vater-
stadt zu singen. Entbehrt die Stimme der Künstlerin,
ein umfangreicher Mezzosopran, in der tieferen Lage
auch metallischen Glanzes, erfreut sie doch durch
Wärme und Ausdrucksfähigkeit und treffliche Schulung.
Die nicht einwandfreie Aussprache der Zischlaute muß
durch das lebhafte Temperament der Sängerin auf-
gewogen werden, der Lieder ernsten Charakters am
besten zu liegen scheinen. Was sie in Kompositionen
von d'Astorgas, Schubert und Franz bot + wir konnten
dem Konzert leider nicht bis zum Schlusse beiwohnen &
mußte für die musikalische Intelligenz der Künstlerin
sprechen. Sie gab namentlich in den Liedern von
Franz durchaus Eigenes.
Der mitwirkende Hofpianist Herr Emil Evers
aus Hannover zeigte sich als technisch gereifter Künstler,
dem jedoch die Eigennote fehlt. Reizend spielte er
Mozarts wenig bekanntes Pastorale variée und
Schuberts f.moll Moment musical, mit Bravour
Franz Liszts Polonaise, während er in der Beethoven-
schen Sonate op. 13 manch guten Eindruck durch die
Härte des Ansschlages im Fortespiel verwischte. Ver-
fehlt im Ausdruck war Chopins Nes-dur-Nocturne, in
dem doch mehr Poesie steckt, als Herr Evers heraus-
zuholen vermochte. Durch eine Zugabe, Franz Liszts
„vLiebestraum“"’, quittierte der Künstler für den ihm
gespendeten Beifall. J. Hennings.
Gemeinnühige Rundschan.
Eine gemeinnützige Rechtsberatungsstelle
hat die Stadt Dortmund eingerichtet. Am 1.
Juli d. J. eröffnet, hat sich die Rechtsberatungssstelle in
der kurzen Zeit ihres Bestehens bereits als ein wichtiges
und notwendiges Glied der sozialen Einrichtungen
der Stadt Dortmund erwiesen. Zweck der Stelle ist
és, allen Personen ohne Unterschied und ohne Ansehung
der Konfession und Parteistelung in Fragen des
Rechts und der Verwaltung unparteiisch und, was
selbstverständlich ist, unter Zusicherung vollkommenster
Verschwiegenheit über die zur Kenntnis gelangten
Tatsachen, Beratung zuteil werden zu lassen, außer-
gerichtliche Vergleiche herbeizuführen und begründete
Rechtsansprüche durch unentgeltliche Anfertigung von
Schriftsäten weiter zu verfolgen. Die Rechtsberatungs-
stelle hat sich in den wenigen Monaten ihres Be-
stehens das zur Erreichung ihrer Aufgabe notwendige
Vertrauen der weitesten Kreise erworben. Von Arbeitern,
Handwerkern, kleineren Beamten usw. ist sie in den
ersten drei Monaten an 76 Sprechtagen in 687 Fällen
in Anspruch genommen. Die Leitung der Rechts-
beratungsstelle liegt in den Händen eines Juristen.
Die Rechtsberatungsstelle hat demnach im wesentlichen
denselben Charakter wie die hiesige öffentliche unentgelt-
liche Rechtsauskunktsstelle.
M...
Nachdem erst vor kurzem der Stadt Fürth von
Kommerzienrat Berolzheimer in Gemeinschaft mit
seinen beiden Söhnen ein gr o ß ar tig es Volks-
bild ung s h aus gestiftet ist, stellen dieselben
Herren nunmehr auch Nürnberg die Mittel zur Ver-
fügung, um in Nürnberg eine moderne Bildungsstätte
zu errichten. Mit Sehnsucht warten wir des Mannes,
der für Lübeck eine gleiche Stiftung macht. Die
Bücher- und Lesehalle hat sich dermaßen entwickelt,
daß ihre jetzigen Räume – Mengstraße Nr. 28 +
zur Bewältigung des Verkehrs nicht mehr ausreichen.
Größere, für die Zwecke der Bücher- und Lesehalle
geeignete Räume werden in einem Privathause über-
haupt nicht, in einem staatlichen Gebäude nur schwer
zu bekommen sein. Was soll geschehen ? Die Rechts-
auskunftstele hat gegenwärtig im Schloß Rantzau
ein schönes würdiges Heim. Wo aber soll sie bleiben,
wenn Schloß Rantzau der Schwimmhalle weichen
muß ? Wo sollten, wenn sich etwa die Einrichtung
volkstümlicher Hochschulkurse für Lübeck ermöglichen
ließe, diese abgehalten werden ? Wie würde diesen
Bestrebungen geholfen werden, welch kräftige Förderung
würden sie erfahren, hätten wir ein großes, Lübecks
würdiges Volksbildungshaus, das jenen Bestrebungen
ein zweckentsprechendes Unterkommen böte. dYWir
warten des hochherzigen Mitbürgers, der dem Beispiel
Berolzheimers folg. Er würde sich ein unvergäng-
liches Verdienst um unsere Vaterstadt erwerben.
TR o kale M o ti z e n.
Der zum Kaiserlich Russischen Konsul hiersselbst
ernannte Hofrat Hr. Alexander von Fedotschenko ist vom
Senate in der genannten Amtseigenschaft anerkannt
und für das lübeckische Staatsgebiet zugelassen worden.
~ Der Senat hat den Oberlehrer Hrn. Dr. phi]. E.
Bode zu Düsseldorf zum Oberlehrer am Johanneum
ernannt und seinen Amtsantritt auf den 1. April
1907 festgesetzt.
~ Der Senat hat den hiesigen Rechtskandidaten
Hrn. W. F. Cuwie zum Referendar ernannt und ihn
als solchen vereidigt.