Full text: Lübeckische Blätter. 1906 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1906 (48)

693 erreicht hatte, nämlich alle von der Möglichkeit des Experimentes zu überzeugen. Ein Leichtes war es nunmehr ferner, die schon von anderen Experimen- tatoren gezeigten „Verwandlungen der Materie“ vorzuführen. Blumen, sonst zart und lehnig, wurden im Augenblicke durch kurzes Untertauchen in die kalte Flüssigkeit steinhart und zerspitterten wie sprödes Glas. Ein dünner Gummischlauch wird zum stahl- harten Stab, der unter dem Hammerschlag zu Atomen zerstäubt. Das sonst so überaus lebhafte und flüssige Quecksilber ist schmiedbar geworden, so lange es im gefrorenen Zustande bleibt. Leider nimmt es sehr rasch wieder die Wärme der Umgebung an. Die glimmende Zigarre brennt plöylich mit heller Flamme in der Flüssigkeit, die schnell verdampft, wenn Tropfen auf den Tisch spriten. Das Bier im Seidel bedeckt sich, läßt man einige Tropfen Luft hineinfallen, mit Eiskristallen, während es über dem Bier dampft, als sei es Grog. Mit der flüssigen Luft, so schloß mein Pri- vatissimum beim Vortragenden, ist ein Stück Weltall auf die Erde heruntergeholt. Die tiefe Temperatur und diese Körper repräsentieren Zustände, welche es vorher niemals auf der Oberfläche unseres Planeten, der alten Mutter Erde, gegeben hat! Die Elektrizität kannten wir im Gewitter. Den Dampf, den wir im Kessel ausnützen, hatten wir schon immer in den am Himmel hinziehenden Wolken, die hohen Hitze- grade im geschürten Feuer und schon vordem in den Vulkanen der Erde, ehe ein Prometheus sie der Menschheit entgegenbrachte. Aber Körper mit so niedriger Temperatur, wie die flüssige Luft, haben sich noch niemals auf der Oberfläche des von uns bewohnten Weltkörpers bilden können! Dies zu entdecken, war dem Genie des Menschen vorbehalten. 1044. Synode. In der Kriegsstube des Rathauses fand am Mitt- woch den 24. Oktober, 5'ss Uhr, unter dem Vorsitz des Herrn Amtsrichters Dr. Leverkühn eine Sitzung der Synode der evangelisch-lutherischen Kirche im Lübeckischen Staate statt. Als Kommissare des Kirchenrates waren die Herren Bürgermeister Dr. Eschenburg, Senator Dr. Fehling und Senior D. Ranke in der Sitzung anwesend. Vor Eintritt in die Tagesordnung gedachte der Vorsigende in ehrenden Worten der seit der lezten Sitzung aus der Synode ausgeschiedenen Mitglieder, des verstorbenen Herrn Kapt. J. H. Steffen und des in den Ruhestand getretenen Herrn Hauptpastor L. Trummer, des früheren stellvertretenden Vorsißenden der Synode. Der erste Antrag des Kirchenrats betraf die Abrechnung über die Verwaltung der Allgemeinen Kirchenkasse im Jahre 1905. Aus der Abrechnung ist bemerkenswert, daß der Ertrag der HZinsen um I s U M R- # 79,82, der der Kirchenstezer um f 204,95 gegen den Voranschlag zurückgeblieben war. Gleichwohl konnte bei einer Gesamteinnahme von M 125 341,88, welcher eine Gesamtausgabe von FM 122534,11 gegenüberstand, ein Überschuß von M 2807,77 erzielt werden, da auch die Bureau- und Verwaltungskosten des Kirchenrats und der Synode M 165,50 und die Beihülfen an lübeckische Theologen zu den Kosten der Vorbereitung auf die zweite Prüfung A 1575, weniger als veranschlagt erfordert hatten. Von dem Überschuß wurden f 1515,78 zu kirchlichen Ein- richtungen in der Vorstadt St. Gertrud bestimmt. Die Abrechnung wurde von der Synode mitgenehmigt. Gleichfalls mitgenehmigt wurde der zweite Antrag des Kirchenrats auf Aufbesserung der Gehälter der an den städtischen und vorstädtischen Kirchen angestellten Organisten. Bereits im Frühjahr hatten sich die be- teiligten Kirchengemeinde-Vorstände darüber verständigt, daß und in welcher Richtung die Organistengehälter einer Aufbesserung bedürften; der Kirchenrat hatte seine Zustimmung zu diesen Vereinbarungen erteilt. Demgemäß wurde nunmehr beschlossen, den Kirchen- gemeinden zur Aufbesserung der Gehälter der Organisten für das Verwaltungsjahr 1906 die Summe von . 2870 zur Verfügung zu stellen. Ferner wurde ein Antrag von Pastor Harder-Nusse und Genossen be- raten, die Synode wolle den Kirchenrat ersuchen, das Ruhestandsgeseß vom 2. April 1898 einer Revision zu unterziehen. Die gewünschten Abänderungen des Gesetzes begegneten indessenmannigfachem Widerspruch; namentlich wurde auch von den Vertretern des Kirchenrates auf das Bedenkliche der geplanten Änderungen hingewiesen, so daß der Antragsteller sich veranlaßt sah, seinen An- trag zurückzuziehen. Man wird es freilich den Ver- tretern der ländlichen Kirchengemeinden nachempfinden können, wenn sie es als einen unerfreulichen Zustand bezeichnen, daß sie zwar Mitglieder der Synode seien, aber an allen Beratungsgegenständen, welche die all- gemeine Kirchenkasse betreffen ~ und das sind weitaus die meisten Verhandlungsgegenstände der Synode ~, nicht teilnehmen dürfen. Indessen wird man einen besseren und geeigneteren Unlaß, als ihn gerade das Ruhegehaltsgeseß darbot, abwarten müssen, um vielleicht den Wünschen der ländlichen Kirchenvertreter in dieser Richtung entgegenzukommen. Dagegen fand ein weiterer Antrag von Pastor Lütge und Genossen die Zustimmung der Synode; er regte beim Kirchenrat eine Revision der Ordnung des Glockenläutens an. Namentlich zwei Punkte waren es, die als einer Ab- änderung bedürftig bezeichnet wurden; einmal das vielfach so dünne Geläut: könnten nicht die herrlichen, alten und neuen Kirchenglocken, die wir besitzen, viel volltöniger zu Gehör kommen? Sodann die jett gültige Vorschrift, daß morgens acht Uhr der Sountag von allen Glocken der lutherischen Kirchen gemeinsam
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