602
Marienkirche, des Domes, des Burgtores etwas neu
gebaut, so sucht man es ängstlich „dem Stil der Um-
gebung anzupassen,“ wie es in der Ausschreibung für
das Marienwerkhaus hieß. Kein Wunder, daß dann
derartig unglückliche Bauten entstehen, wie dieser, der
gerade weil er die Backsteingotik nachahmt, ohne doch
gotisch zu sein, neben der edlen Einfachheit der
Marienkirche wie ein kleiner, aber um so aufdring-
licherer Gernegroß wirkt. Die erste Kommission
hält dieses Gebäude freilich für einen sehr wirk.
samen Abschluß des sich von der Ecke der Holsten-
straße bietenden Straßenbildes. Andere Leute sind
der Ansicht, daß es durchaus kein Unglück, vielmehr
ein besonderer Vorzug des Pflügschen Weinspeichers
ist, daß er das Marienwerkhaus von Süden verdeckt.
Doch sei dem, wie ihm wolle. Jedenfalls ist
eins nicht zu verstehen, und das ist die Behauptung,
daß an der Stelle, wo das Pflügsche Haus steht,
die Straße nicht breit genug sei. Man kann sich
des Eindruckes nicht erwehren, daß die Durchlegung
der blauen Linie an dieser Stelle nur dem Lineal
zuliebe geschah. Die Verbreiterung der Straße
an dieser Stele ~– darin wird mir jeder recht
geben, der sich die Sache an Ort und Stelle ansieht
~ ist in der Tat unnötig. Und darum ist sie zu
verwerfen.
ss Verbreiterung des Schüsselbudens vor der
Marienkirche aber sollte auf das Allernotwendigste
beschränkt werden. Sollte es nicht genügen, wenn
lediglich das Uhrmacherhaus an der Ecke ein wenig
zurückgerücktt wird? Das Ziel, die Einfahrt in den
Fünfhausen zu erleichtern, wäre damit erreicht.
Soll aber durchaus zugunsten des Verkehrs + der
sich fürwahr anderswo ohne Murren ganz anders
behilft als bei uns! – noch mehr Geld ausgegeben
werden, so müßte die blaue Linie so gelegt werden,
daß die Möglichkeit bleibt, unter Zuhilfenahme
eines Streifens des jetzigen Marienkirchhofes die
Häuser vor der Westfront der Kirche wieder aufzu-
bauen, d. h. sie müßte etwa auf die Baufluchtlinie
des Pflügschen Weinspeichers zurückverlegt werden.
Selbstverständlich dürften es nur ein- oder zweistöckige
Häuschen werden, bescheidene Putbauten, mit
schwarzem oder auch mit rotem Ziegeldach. Sie
werden sich bei ihrer günstigen Lage sehr gut aus-
nuten lassen. Dem Staat würden auf diese Weise
erhebliche Ausgaben erssvart bleiben. 36.
Gartenstadt und Stadterweiterung.
;, Gartenstadt und Stadterweiterung“ war das Thema,
über das in einem am 13. d. M. vom Architekten- und
Ingenieurverein veranstalteten Lichtbildervortrag der
Generalsekretär der Deutschen Gartenstadtgesellschaft,
Herr Hans Kampffmeyer, an der Hand eines reichen
Materials von Bebauungsplänen, Arbeiterwohn-:
häusern u. dgl. einem zahlreich erschienenen Publikum
ein Bild von der Entwicklung und den Zielen der
Gartensstadtbewegung zu geben suchte. Das
weitgehende und stetig wachsende Interesse, dem diese
Bewegung bei Privaten aller Art, wie Wohnungs-
reformern, Industriellen, Architekten, Städtebau-
technikern und Hygienikern, sowie bei öffentlichen
Körperschaften begegnet, dürfte ein näheres Eingehen
auf dieses Thema an dieser Stelle um so mehr recht-
fertigen, als sich auch für die großzügigen neuen
Lübecker Siedelungspläne manche Berührungs-
punkte mit jener Bewegung ergeben werden. Voraus-
Pele Wrunblaus des Thetus uicht to jess cas
eine Wiedergabe jenes Vortrages, als vielmehr auf
eine Darstellung der Materie ankommt, bei der
insbesondee auch die wirtschaftlichen und
finanziellen Probleme mehr in den Vordergrund
gerückt werden sollen, als dies angesichts der Fülle
des Stoffes bei dem berechtigten Interesse des Vor-
tragenden für die ästhetische und soziale Seite der
Frage möglich war. –
Der Ausgangspunkt der von England nach
Deutschland übertragenen Gartenstadtbewegung ist
die heute allgemein beklagte Tatsache, daß das
t . ..
tc? iter halten Bakcurreûts rl §t terriize ks
die vom volkswirtschaftlichen und privatökonomischen
Standpunkt, sowie in ästhetischer und hygienischer
Hinsicht gleich bedauerlich sind!
In Berlin werden heute für einen Quadratmeter
Land in den Außenbezirken etwa / 50, im Durch.
schnitt etwa „ 100, in bester Geschäftsgegend bis
zu & 2000 bezahlt. Die Jahresmiete für den
Quadratmeter Raum in einer Hofwohnung ist auf
zirka M 9, in den Fabrikräumen der großen, vier
Etagen hohen Industriehöfe auf nicht weniger als
AM 10-12 zu berechnen. MÆ 275 im Jahr muß der
Berliner Arbeiter in licht. und luftarmen Höfen für eine
Behausung von einem Zimmer und Küche, AM 300
der Besserbemittelte in guter Gegend für ein einziges
Zimmer zahlen. Der bekannte Industrielle Heinrich
Freese in Berlin hat berechnet, daß bei Zugrunde-
legung des ziemlich allgemein zutreffenden Ver-
hältnissses von 40 zu 100 für den Wert des Bodens
zum Wert der Gebäude, in denen seine Arbeiter
arbeiten oder wohnen, allein M 153 reine Grund-
rente pro Kopf des Arbeiters jährlich aufzubringen
sind ~ d. h. lediglich für das Recht der Benugung
des Grund und Bodens zu Wohn- und Arbeits-
zwecken, ganz unabhängig von dem reellen Miete-
betrage. für den Bauwert der Gebäude! Und