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stelle das Gefühl und die Gewißheit mitgenommen,
daß durch solche Tätigkeit unendlich viel in unserm
sozial-rechtlichen Leben gemildert, gebessert werden
kann und daß es wünschenswert wäre, im lieben
Vaterlande an allen Orten solche Rechtsauskunft-
stelen zu haben, wie die Stadt Lübeck stolz sein
darf, eine die ihre zu nennen. Anna Schulh.
Orgelkonzerte und Gottesdienste.
Ein Echo zum Nachklang des Herrn Langen.
Es wäre schade, wenn der su warm und frisch
geschriebene Appell des Herrn Langen an die Kirchen-
vorstände und an die Geistlichkeit keinen Widerhall
wecken sollte. Freilich wie es denn so zu gehn pflegt,
daß, wer für eine an sich gute Sache eintritt, leicht
die Wirkung derselben überschätzt, so spricht aus seinem
Artikel auch eine Hoffnung, die uns übertrieben
erscheint. Wir glauben nicht, daß eine auch noch
so ausgedehnte Pflege der Kirchenmusik allein den
„heimatlos gewordenen religiösen Gefühlen“ die
Heimat zu geben vermag und sind der Überzeugung,
daß uns Naumann, von dem dies ernste und zum
Nachdenken reizende Wort stammt, darin zustimmen
würde. Aber trotz dieser und anderer übertriebenen
Hoffnungen, welche Herr Langen für das kirchliche
und vollends das religiöse Leben auf die Erfüllung
seiner Wünsche setzt, wir stimmen ihm vollkommen
bei in seiner Bitte an die Kirchenvorstände, die doch
die Sache in die Hand nehmen müssen, auf eine
Vermehrung kostenlos zu besuchender musikalischer
Veranstaltungen Bedacht zu nehmen. Wir glauben
auch, das gerade jetzt, wo eine sehr berechtigte, aber
auch verhältnismäßig sehr große Erhöhung der
Gehälter der Organisten unmittelbar vor der Tür
steht, diese zu einer größeren Arbeitsleistung im
Dienst der guten Sache sehr gern bereit sein werden.
Bei der Lektüre des Langenschen Artikels kamen
uns aber noch andere Gedanken. Die von ihm
konstatierte Leere der Gottesdienste zeigt sich besonders
in den Frühgottesdiensten, welche in St. Marien,
im Dom und in St. Petri abgehalten werden.
Bewundernswert ist gewiß die Treue der Geistlichen
in der gewissenhaften Vorbereitung auch zu diesen
Gottesdiensten, wir wollen auch kein Wort darüber
sagen, daß für diese Gottesdienste ein verhältnis,
mäßig sehr großer und doch auch kostenreicher kirchlicher
Apparat in Bewegung gesetzt werden muß, denn wenn
auch nur eine Seele hier wirklich Erbauung findet,
so rechnen wir nicht kleinlich die Kosten nach, aber
wenn doch die geringe Anzahl der Teilnehmer, die
sich noch dazu bei der Größe unserer Gotteshäuser
fast ganz verlieren, das Gefühl, einem erhebenden
Gemeindegottesdienst beizuwohnen, kaum aufkommen
läßt, so liegt die Frage doch nahe, könnten
diese Gottesdienste nicht auf eine gelegenere Stunde
verlegt werden. Nun beweisen aber die Erfahrungen,
die man mit den Sonntags-Abendgottesdiensten in
der Jakobikirche wie im Dom gemacht hat, daß diese
Einrichtung gerne benutzt wird, und zwar insonder-
heit von sogenannten kleinen Leuten, während uns
über einen Hauptgottesdienst einer unserer Haupt-
kirchen gerade kürzlich die Klage entgegengebracht
wurde, es wäre „der reine Herrschaftsgottesdienst.“
Was hindert denn zunächst, einmal im Winter
die Frühgottesdienste in St. Marien und der Petri-
kirche auf den Abend zu verlegen? Jm Dom haben
wir, wie erwähnt, im Winterhalbjahr, wenigstens
von Advent an (warum eigentlich nicht früher schon?)
Abendgottesdienste neben Früh. und Hauptgottes-
diensten. Von der Zivilgemeinde stellen sich nur sehr
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dienst in der so gern besuchten St. Jürgen-Kapelle
eingerichtet werden können ?
Die Rücksicht aufs Militär dürfte dabei nicht
ausschlaggebend sein. In Rückerinnerung an eigne
Erfahrungen, die wir in unserer Militärzeit machten,
scheint es uns sehr erwünscht, besondere Militär-
gottesdienste, deren Ansprachen viel mehr auf die
Soldaten zugeschnitten sein können, einzurichten.
Kann einer der hiesigen angestellten Geistlichen die
Abhaltung derselben nicht übernehmen, so ist die
Aufforderung an die Militärbehörde nicht unberechtigt,
für unser Regiment einen besonderen Militärgeist-
lichen anzustellen, der dann auch Zeit hätte, sich um
die Pflege des religiös.sittlichen Lebens unseres
Militärs auch außerhalb der Gottesdienste zu be-
mühen. 1240.
Die neue Volksschule
in der Vorstadt St. Jürgen.
Am Montag den 15. Oktober d. J. wird die neu-
erbaute II. St. Jürgenschule in der Kahlhorststraße,
kurz vor dem Krankenhause, eröffnet werden.
Wieder ist in unserer Stadt ein neues Schul-
gebäude erstanden, auf das wir mit Freude und
Stolz blicken können. Ja, mit Freude und Stolz,
denn wohl kaum wird man in einer Stadt ein
Volksschulgebäude finden, mit dem dieses Haus nicht
jeden Vergleich aushalten könnte. Das neue Schul-
gebäude macht den Erbauern alle Ehre, denn mit
einfachen Mitteln und Sparsamkeit ist hier nicht
allein etwas wirklich Praktisches und Solides,
sondern auch gleichzeitig Schönes geschaffen worden.
Dies bezeugt schon der Eindruck, den das Haus auf
den Beschauer von der Cronsforder Allee aus macht.
Da Kindermund oft unbewußt das Richtige trifft, so
möge hier nur die Äußerung eines kleinen Mädchens
erwähnt werden, das beim Anblick ausrief: „Mutter,
diese Schule sieht wie ein Schloß aus!“ Die
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