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Bei der Wiederherstellung des im vorigen Jahres-
berichte genannten Portals des Hauses der früheren
Krämerkompagnie wurde festgestellt, daß dasselbe
eine reiche Bemalung gehabt hat, die noch durch
vergoldete und versilberte Einzelteile besonders ge-
hoben wurde. Diese Entdeckung und die an dem
gleichfalls im vorigen Bericht genannten Portal in
der Ernestinenschule gefundenen Farbenspuren lassen
darauf schließen, daß die meisten Portale der
Renaissance. und Barockzeit, welche für Lübeck
charakteristisch sind, ein reiches farbiges Gewand
gehabt haben. Eine chemische Untersuchung der
Farbenreste hat ergeben, daß man es im vorliegenden
Falle aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer Käse-
farbenbemalung zu tun hat, und ein Versuch, die
alte Bemalung des Portals im Hofe der Ernestinen-
schule wieder erstehen zu lassen, ist von so gutem
Erfolge begleitet gewesen, hat die Wirkung dieses
Architekturstückes so sehr erhöht, daß man daraus
Veranlassung nehmen will, an dem Portal des
Hauses der Krämerkompagnie, welches bei dem Post-
neubau als Haupteingang in der Braunstraße Ver-
wendung finden soll, die Bemalung wieder herzustellen.
Die Postbauverwaltung hat in zuvorkommender,
dankenswerter Weise die dafür erforderlichen Mittel
zur Verfügung gestellt.
Der Kreuzgang des Heiligen - Geist - Hospitals
erfuhr nach vorhandenen Resten einen Ausbau in
demjenigen Teile, der durch spätere Ein. und An-
bauten arg verunstaltet war. Es konnte dabei auch
eine schöne bemalte Barocktür Wiederverwendung
finden, welche von den seinerzeit im Hospital be-
seitigten sogenannten Apostelkammern stammt.
. In der Kapelle des Heiligen-Geist-Hospitals wurde
die kupferne Gedächtnistafel des Koches Uptöger aus
dem Jahre 1655 mit dem Bericht über dessen
Testament zur Ausschmückung der Kapelle von einer
deckenden Schmuyschicht befreit und in der alten
Vergoldung der Schrift wieder hergestellt.
Dem Konservator war es auch vergönnt, bei
den vorbereitenden Arbeiten für die Einrichtung eines
Bergenzimmers mitzuwirken, zur Aufnahme einer
Sammlung von Altertümern und Abbildungen des
Hanssischen Kontors an der ,„Deutschen Brücke“ in
Bergen, welches nach einer Anregung des Direktors
des Hansa.Museums in Bergen, Chr. Korén-Wiberg,
im hiesigen Museum nach Rat-. und Bürgerschluß
vom 6. Februar 1905 hergestellt wird. Der Raum,
welcher die Sammlung aufnehmen soll, schließt sich
in der Art der Herstellung und Ausstattung an die
Räume der deutschen Kaufhöfe des Hansischen Kontors
an. Die Wände sind aus bebeilten Bohlen hergestellt,
die Decke als sichtbare Balkendecke. Eine Bemalung
der Wände nach den Korsn-Wibergschen Aufnahmen
soll das Bild vervollständigen, das durch den Einbau
eines Alkovens mit Bettstatt und die Aufstellung
von verschiedenem aus den Kaufhöfen stammenden
alten Hausrat noch an Treue gewinnen wird.
Wenn auch im vergangenen Jahre wieder
manches malerische Bild der Stadt durch Neubauten
eine Einbuße erlitten hat, so konnte doch in einem
Falle unter der Mitwirkung des Konservators eine
schwere Schädigung des Stadtbildes an einem seiner
malerischsten Punkte, dem Burgtor, verhindert werden.
Die allgemeine Aufmerksamkeit wurde auf diese
Frage gelenkt, als die Bebauung des Tivoligrund-
stückes zwischen der neuen Kanalstraße und der
Straße „An der Wakenitzmauer“ den Resten der
Stadtmauer auf der Ostseite des Tores immer
näher rückte und in ihrer Art der Ausführung die
schwersten Bedenken rechtfertigte.
Der Verein von Kunstfreunden, der schon durch
die Ausschreibung des Fassadenwettbewerbes eine
dankenswerte Tätigkeit auf ähnlichem Gebiete entfaltet
hat, ist einer Anregung des Konservators gern
nachgekommen und hat bei der Gesellschaft zur Be-
förderung gemeinnütziger Tätigkeit die Ausschreibung
eines Wettbewerbes befürwortet für die Gestaltung
der Neubauten am Burgtorzingel, welche für das
Bild dieser einst so malerischen Befestigungsanlage
von Bedeutung sind. Mit Unterstützung des Staates
und der Unternehmer Glogner und Scheurenberg,
welche die Bebauung des ehemaligen Tivoligrund-
stückes betreiben, ist die Ausschreibung des Wett-
bewerbes erfolgt, und dessen Ergebnis, bei welchem
der Landbauinspektor E. Blunck in Nicolassee mit
dem ersten Preise, die Architekten Glogner & Ver-
mehren-Lübeck und der Regierungs-Bauführer Eggeling-
Charlottenburg mit je einem zweiten Preise bedacht
wurden, läßt erhoffen, daß unter den gegebenen
Verhältnissen eine glückliche Lösung der Aufgabe
gefunden wird, welche jedenfalls mit zu den in
ihrer Art schwierigsten gehört.
Die Drucklegung des Inventarisationswerkes ist
so weit vorgeschritten, daß der erste Band desselben
noch Weihnachten 1905 erscheinen konnte.
Literarisches.
Hilligenlei.
„Wie schwer ist es, andern seine Seele zu zeigen
und nachher dabeizustehn, wenn sie ihren Spott
damit treiben.? – Wer von diesem Kai Jans in
den Mund gelegten Wort aus, wie von einer hohen
Warte her Hilligenlei überschaut, der wird vorsichtig
in seinem Urteil über das Buch, das in unsern
Tagen die Meinungen besonders scharf aufeinander
prallen läßt. O, wie reißen und zerren sie an dem