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Matthäus Brandis bezeugen, welch. schnelle und
glückliche Entwicklung die Buchdruckerkunst in Lübeck
bereits in den letzten drei Jahrzehnten des 15. Jahr-
hunderts genommen hat. Dr. Ohnesorge.
Haupipastor L. Trummer.
Hauptpastor L. Trummer scheidet am heutigen
Tage aus seinem geistlichen Amte und tritt in
den wohlverdienten Ruhestand. Freilich, wer am
2. September ds. Is. den Abschiedsworten des
Scheidenden von der Petrikanzel lauschte, konnte sich
von der Notwendigkeit des Ruhestandes kaum über-
zeugen, so klar, wohldurchdacht und formvollendet war
diese lezte Predigt unseres allbeliebten und hochver-
ehrten Geistlichen. Wer ihn näher zu kennen das
Glück hat, weiß, daß nur peinliche Gewissenhaftig-
keit ihm, der die Anzeichen zunehmender Schwerhörig-
keit zu fühlen glaubt, bei seinem Abschiedsgesuche die
Jeder in die Hand gedrückt hat.
Wir wollen nicht im einzelnen die segensreiche Tätig-
keit schildern, die Trummer seit einem halben Jahrhun-
dert in Schule und Kirche entfaltet hat. Das geziemt
sich dem Lebenden gegenüber auch nicht für den Freund.
Aber den herzlichen Wunsch wollen wir aussprechen,
daß unserm verehrten Hauptpastor Trummer noch ein
reichgesegneter Lebensabend beschieden sein möge, auf
daß alle, die sich nach wie vor seines näheren Umganges
werden erfreuen dürfen, noch lange Jahre von dem
seingebildeten Gelehrten, dem begeisterten Patrioten,
dem liebenswürdigen Freunde Anregung und Förde-
rung ihres eigenen Lebens gewinnen können. H.
Salon Möller.
Sonderaussstellung hessischer Künstler.
Daß wir in unserer deutschen Kunst, speziell der
Malerei, ein gut Stück vorwärts gekommen sind, was
Bodenständigkeit und urwüchsige heimische Art aulangt,
unterliegt wohl keinem Zweifel. Das verdanken wir
nicht zum geringsten der Gründung der verschiedenen
größeren und kleineren Malerkolonien, unter denen
Worpswede in den letzten zehn Jahren durch die
kraftvollen Arbeiten eines Modersohn, Mackensen sowie
durch die lyrischen eines Vogeler die bekannteite ist.
Auch in Hessen haben sich eine Anzahl Künstler zu-
sammengefunden, um fern von akademischer Schul-
meisterei mit dem Boden eins zu werden und ihre
Herzen zu laben am nie versiegenden Quell geheimster
Offenbarungen der großen allzeitigen Mutter Natur.
Einige dieser jungen hessischen Künstler stellen in
diesen Tagen im Salon L. Möller aus und dürften wohl
eine intimere Aufmerksamkeit des Lübecker Publikums
in Anspruch nehmen. Wir finden die Namen Thiel-
mann, Giebel, Otto, Ubbelohde, Lins vertreten
durch Original-Olgemälde, Radierungen und Lithogra-
phien. Aus der Natur der Sache ergibt sich der Stoff,
den wir hier behandelt finden: hessische Landschaft, hessi-
sche Bauernhäuser und ihre kraftvollen Bewohner.
Der ganzen Sammlung voran könnte man wohl
in bezeichnender Weise den prächtigen Bauer von
Giebel stellen, ein Brustbild feinster Charakteristik,
ein Zeugnis glücklichsten Farbenssinnes. Wie gesund
ist hier das Blau des Rockes gegen den grünen Hin-
tergrund geseßt und beiden entgegen der farbige Ton
des Fleisches; wie lustig glänzt unter dem biederen
Bauernantlit, der leuchtend grüne Pfeifenkopf, in ihm
klingt die ganze Farbenharmonie hell aus.
Und gerade bei diesem Bilde kann man ganz be-
sonders erkennen, wie viel vom abschließenden Rahmen
abhängt. Das ist eine Angelegenheit, die von manchen
sonst guten Malern viel zu wenig beachtet wird, ja zu-
weilen direkte Schäden, ja Geschmacklosigkeiten zeitigt.
Mag das auch zuweilen nur aus finanziellen Gründen
geschehen sein, so sollte dennoch der Künstler auch hier-
in äußerst kritisch vorgehen und lieber den Grad von
Harmonie zwischen Bild und Rahmen zu erstreben
suchen, der glauben machen könnte: für diesen Rahmen
konnte eben nur dieses eine Bild gemalt werden. Jeden-
falls kann ein vorsichtigst gewählter Rahmen des
guten Bildes Wert nur steigern und die Verkaufs-
wahrscheinlichkeit näher rücken.
Ebenso kräftig und gesund wie beim hessischen
Bauer ist Giebel in der Farbe beim Kopf des kleinen
Bauernmädchen mit Rot uud Grün. Seine im Licht
des Tages gemalten Bilder sind überzeugeud, verraten
hingegen noch eher den Suchenden. – Eine beachtens-
wert künsstlerische Leistung der Komposition von Hell
und Dunkel stellt Thielmanns junge Bäuerin dar,
deren stattliche Sonntagstracht uns noch besonders
interessiert und recht gut gemalt ist. Die Arbeiten
von Lins leiden an teilweisen Härten und farbiger
Schwere, die wohl noch überwunden werden können.
Bei dem größerem Bilde „Jm Kuhstall“ hat der Maler
in der Sorge um Zeichnung und Farbe die Komposition
etwas vernachlässigt. Durch Hineinziehen des Kopfes der
stehenden Kuh, die sonst entschieden malerische Schönheiten
aufweist, ins Halbdunkel des Raumes bilden die Hellig-
keiten im Rechteck des Bildes einen nicht allzu günstigen
Ausschnitt. Bei weitem glücklicher hat Ubbelohde
den gleichen Stoff behandelt. Seine ,jungen Rinder"
im luftdurchschwängerten Stalle, der durch ein
kleines Feuster ein verhältnismäßig kräftiges Licht
bekommt, ist eine gute koloristische Leistung. Er und
Otto, welcher durch zwei sehr gute Abendstimmungen ver
treten ist, interessieren uus noch besonders durch einige
Radierungen; Ubbelohde schildert mit Geschick die Boden-
erscheinungen der hessischen Landschaft, während Otto,
eine gewisse silhouettenhaste Geschlossenheit vorziehend,
auch hier wie in einer seiner recht annehmbaren farbigen