Full text: Lübeckische Blätter. 1906 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1906 (48)

40 schaffen, die jedem (Lübeckern wie Auswärtigen), der arbeiten will, bei einem täglichen Verdienst bis zu A 1,20 offensteht. Nimmt der Betreffende in der Armenanstalt Kost und Logis in Anspruch, die ihm, soweit dort Plat, auf Wunsch gewährt werden, so werden dafür 90 Pfg. in Abzug gebracht. Mit großer Freude begrüßen wir diese Ein- richtung. Daß das Geben von Gaben (meist Pfennig- oder 5-Pfennigstücken) an den Türen in Wahrheit keine Hülfe für die Bettler ist und nicht aus wirklicher Barmherzigkeit, sondern aus Weich- lichkeit geschieht, oft auch aus Bequemlichkeit, um den Bettler loszuwerden, muß sich ja eigentlich jeder sagen, aber was sollte man machen, solange man ihm nicht mit gutem Gewisssen sagen konnte: ,„Dort ist Arbeit, willst Du arbeiten, so kannst Du Dich, ohne zum Bettler zu werden, ehrlich durchschlagen, bis sich Dir bessere Arbeitsgelegenheit bietet." Diesem großen Übelstand ist jezt abgeholfen. Am Lübecker Publikum ist es jezt zu beweisen, daß es Verständnis hat für die wirklichen, sittlich ernsten Aufgaben, die wir gegenüber der wandernden Be- völkerung haben, die bisher vielfach geradezu zum Bettel erzogen wurde. Man weise alle arbeits- fähigen Bettler, ohne ihnen Geld oder auch Kleidungs- stücke, die doch meist gleich zu Geld gemacht und vertrunken werden, zu geben, an die Armenanstalt, St. Annenstraße 1. „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.“ Der Armenanstalt aber beweise man seine Dank. barkeit für ihr so dankenswertes Vorgehen dadurch, daß man die jetzt jedenfalls zu einem großen Teil überflüssig gewordenen Geldgaben an den Türen, deren Summe im Laufe eines Jahres gar nicht so niedrig sein dürfte, ihr als Jahresbeitrag bewilligt. Jahresbericht über die Tätigkeit des Konservators der Lübeckischen Bau- und Kunstdenkmäler für das Rechnungsjahr 1904. Das bedeutendste Ereignis für die Ermöglichung einer guten Pflege der Bau. und Kunstdenkmäler Lübecks war die Bewilligung neuer Mittel für die Rechnungsjahre 19061909, welche zur Erhaltung und Wiederherstelung der Denkmäler aus dem Verwaltungsüberschußkonto des Johannisjungfrauen- klosters mit der jährlichen Summe von / 2000 von Senat und Bürgerschaft vom 31. Oktober 1904 zur Verfügung gestellt wurden. Der unterzeichnete Konservator konnte in seinem bezüglichen Antrag betonen, daß die früher beantragte Bewilligung vom 13. Februar 1899 als ein Versuch nach dieser Richtung betrachtet sei, bei dem man vor allem an die Pflege und Erhaltung unserer reichen Kunstschäte in den Stadtkirchen gedacht hat. Nach den inzwischen vorliegenden Erfahrungen hat man sich aber nicht auf dieses Gebiet beschränkt, sondern bei manch anderer Gelegenheit ist ein tat- kräftiges Eingreifen für die Erhaltung unserer Bau- und Kunstdenkmäler mit den zur Verfügung gestellten Mitteln möglich gewesen. Auch in der Hukunft sind noch verschiedene gleiche Aufgaben zu lösen, welche eine baldige Für- sorge erheischen. In erster Linie sind in dem Bericht als solche weitere Instandsezungsarbeiten die Gemälde und Epitaphien in den Kirchen genannt, von denen namentlich in der Katharinenkirche eine Reihe von zum Teil für die Lübecker Kunstgeschichte bedeutungs- vollen Werken so beschädigt ist, daß nur eine schleunige Wiederherstellung sie noch vor dem voll- ständigen Untergange retten kann. Ferner ist als ein weiterer Teil der erhaltenden Tätigkeit die Sorge für das malerische Stadtbild Lübecks genannt, welche bei den mannigfachen Umbauten und Abbrüchen alter Häuser, die bei der fortschreitenden Entwickelung Lübecks nicht zu verhindern sind, darauf hingehen soll, wenigstens im Bilde das festzuhalten, was in der Wirklichkeit zu retten nicht mehr möglich ist. Die im vorstehenden genannten Arbeiten in der Katharinenkirche sind sofort nach der Bewilligung der Mittel in die Wege geleitet und zu einem großen Teil durch die bewährte Hand von Joh. Nöhring zur Ausführung gekommen. Es wurde bei Abnahme des Familienbildes des Geschlechtes Crispin in der gleichnamigen Kapelle die interessante Entdeckung gemacht, daß hinter den Tafelbildern die gleichen Bilder als Freskogemälde in einer früheren Fassung an der Wand vorhanden sind, allerdings stark zerstört, aber doch noch so weit erhalten, daß sie genügenden Anhalt für die Datierung ihres Ursprungs geben. | Herr Dr. Fr. Bruns, welcher diese Frage einer eingehenden Prüfung unterzogen hat, stellte fest, daß das Wandbild, welches drei Generationen des Geschlech- tes Crispin vor der Jungfrau Maria knieend darstellt, um das Jahr 1365 entstanden sein muß, während das Tafelbild, auf dem noch die vierte Generation der Familie hinzugefügt ist, etwa um das Jahr 1442 zu sezen ist. Dasselbe hat dann später, im Jahre 1577, eine Erneuerung und wohl auch teil- weise Ubermalung erfahren. Wir besitzen damit neben den Wandmalereien auf der Nordwand der Kapelle des Heiligen-Geist . Hospitals eines der y!z35.: ältesten Porträtbilder aus der Zeit des ittelalters.
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