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schaffen, die jedem (Lübeckern wie Auswärtigen), der
arbeiten will, bei einem täglichen Verdienst bis zu
A 1,20 offensteht. Nimmt der Betreffende in der
Armenanstalt Kost und Logis in Anspruch, die ihm,
soweit dort Plat, auf Wunsch gewährt werden, so
werden dafür 90 Pfg. in Abzug gebracht.
Mit großer Freude begrüßen wir diese Ein-
richtung. Daß das Geben von Gaben (meist
Pfennig- oder 5-Pfennigstücken) an den Türen in
Wahrheit keine Hülfe für die Bettler ist und nicht
aus wirklicher Barmherzigkeit, sondern aus Weich-
lichkeit geschieht, oft auch aus Bequemlichkeit, um
den Bettler loszuwerden, muß sich ja eigentlich jeder
sagen, aber was sollte man machen, solange man
ihm nicht mit gutem Gewisssen sagen konnte: ,„Dort
ist Arbeit, willst Du arbeiten, so kannst Du Dich,
ohne zum Bettler zu werden, ehrlich durchschlagen,
bis sich Dir bessere Arbeitsgelegenheit bietet."
Diesem großen Übelstand ist jezt abgeholfen.
Am Lübecker Publikum ist es jezt zu beweisen, daß
es Verständnis hat für die wirklichen, sittlich ernsten
Aufgaben, die wir gegenüber der wandernden Be-
völkerung haben, die bisher vielfach geradezu zum
Bettel erzogen wurde. Man weise alle arbeits-
fähigen Bettler, ohne ihnen Geld oder auch Kleidungs-
stücke, die doch meist gleich zu Geld gemacht und
vertrunken werden, zu geben, an die Armenanstalt,
St. Annenstraße 1. „Wer nicht arbeiten will, soll
auch nicht essen.“
Der Armenanstalt aber beweise man seine Dank.
barkeit für ihr so dankenswertes Vorgehen dadurch,
daß man die jetzt jedenfalls zu einem großen Teil
überflüssig gewordenen Geldgaben an den Türen,
deren Summe im Laufe eines Jahres gar nicht so
niedrig sein dürfte, ihr als Jahresbeitrag bewilligt.
Jahresbericht
über die Tätigkeit des Konservators der
Lübeckischen Bau- und Kunstdenkmäler
für das Rechnungsjahr 1904.
Das bedeutendste Ereignis für die Ermöglichung
einer guten Pflege der Bau. und Kunstdenkmäler
Lübecks war die Bewilligung neuer Mittel für die
Rechnungsjahre 19061909, welche zur Erhaltung
und Wiederherstelung der Denkmäler aus dem
Verwaltungsüberschußkonto des Johannisjungfrauen-
klosters mit der jährlichen Summe von / 2000
von Senat und Bürgerschaft vom 31. Oktober 1904
zur Verfügung gestellt wurden.
Der unterzeichnete Konservator konnte in seinem
bezüglichen Antrag betonen, daß die früher beantragte
Bewilligung vom 13. Februar 1899 als ein Versuch
nach dieser Richtung betrachtet sei, bei dem man vor
allem an die Pflege und Erhaltung unserer reichen
Kunstschäte in den Stadtkirchen gedacht hat.
Nach den inzwischen vorliegenden Erfahrungen
hat man sich aber nicht auf dieses Gebiet beschränkt,
sondern bei manch anderer Gelegenheit ist ein tat-
kräftiges Eingreifen für die Erhaltung unserer Bau-
und Kunstdenkmäler mit den zur Verfügung gestellten
Mitteln möglich gewesen.
Auch in der Hukunft sind noch verschiedene
gleiche Aufgaben zu lösen, welche eine baldige Für-
sorge erheischen. In erster Linie sind in dem Bericht
als solche weitere Instandsezungsarbeiten die Gemälde
und Epitaphien in den Kirchen genannt, von denen
namentlich in der Katharinenkirche eine Reihe von
zum Teil für die Lübecker Kunstgeschichte bedeutungs-
vollen Werken so beschädigt ist, daß nur eine
schleunige Wiederherstellung sie noch vor dem voll-
ständigen Untergange retten kann. Ferner ist als
ein weiterer Teil der erhaltenden Tätigkeit die Sorge
für das malerische Stadtbild Lübecks genannt, welche
bei den mannigfachen Umbauten und Abbrüchen
alter Häuser, die bei der fortschreitenden Entwickelung
Lübecks nicht zu verhindern sind, darauf hingehen
soll, wenigstens im Bilde das festzuhalten, was in
der Wirklichkeit zu retten nicht mehr möglich ist.
Die im vorstehenden genannten Arbeiten in der
Katharinenkirche sind sofort nach der Bewilligung
der Mittel in die Wege geleitet und zu einem
großen Teil durch die bewährte Hand von Joh. Nöhring
zur Ausführung gekommen. Es wurde bei Abnahme
des Familienbildes des Geschlechtes Crispin in der
gleichnamigen Kapelle die interessante Entdeckung
gemacht, daß hinter den Tafelbildern die gleichen
Bilder als Freskogemälde in einer früheren Fassung
an der Wand vorhanden sind, allerdings stark zerstört,
aber doch noch so weit erhalten, daß sie genügenden
Anhalt für die Datierung ihres Ursprungs geben.
| Herr Dr. Fr. Bruns, welcher diese Frage einer
eingehenden Prüfung unterzogen hat, stellte fest, daß
das Wandbild, welches drei Generationen des Geschlech-
tes Crispin vor der Jungfrau Maria knieend darstellt,
um das Jahr 1365 entstanden sein muß, während
das Tafelbild, auf dem noch die vierte Generation
der Familie hinzugefügt ist, etwa um das Jahr 1442
zu sezen ist. Dasselbe hat dann später, im
Jahre 1577, eine Erneuerung und wohl auch teil-
weise Ubermalung erfahren. Wir besitzen damit
neben den Wandmalereien auf der Nordwand der
Kapelle des Heiligen-Geist . Hospitals eines der
y!z35.: ältesten Porträtbilder aus der Zeit des
ittelalters.