Full text: Lübeckische Blätter. 1906 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1906 (48)

533 drei Mitglieder auf beliebige Zeit. Cine dauernd gleiche Beseßsung im Interesse der Gleichmäßigkeit der Rechtsprechung ist nicht besonders gesetlich vor- gesjehen. Auch nach der Art der zu entscheidenden Sachen wird zwischen jurisstischen und kaufmännischen Senatoren nicht unterschieden. „Eine Ablehnung von Mitgliedern (der Kommission) ist unzulässig.“ (§ 1 Abs. 2 des Entwurfes.) Freilich würde die Praxis eine Mitentscheidung durch den Chef einer auch nur indirekt beteiligten Verwaltungsbehörde sicherlich nicht zulassen. Schwierig ist bei einem so kleinen Staatswesen wie dem unsrigen nur die Fest- stellung, welche Staatsbehörde im Einzelfall wirklich gänzlich unbeteiligt ist. Der vom Bürgerausschuß angeregte Zusag zu § 1 (vgl. den abgeänderten Senatsantrag vom 21. Oktober 1903 [1903 Nr. 13]: „Ein Senatsmitglied kann nicht mitwirken bei Be- schwerden gegen Verfügungen und Entscheidungen einer Behörde, deren Mitglied es ist’) ist zwar nötig, aber noch viel zu eng. Weil er ein Feind ist des Guten und des Besseren, deshalb ist und bleibt dieser Gesetzentwurf betr. die Verwaltungsrechtspflege, der nicht. so ge- nannt werden dürfte, schlechthin unannehmbar. Vor allem auch in der Bürgerschaftsversammlung am 21. Dezember 1903 ist das mehrfach mit Energie ft“ uu. Br Gh q: gründung des Gesetentwurfes (S. 10-11) aus- drücklich bezeugt, daß viele Reichsgesetze das Bestehen eines Verwaltungsstreitverfahrens, d. h. im Sinne der Reichsgesetgebung der Verwaltungzgerichtsbarkeit, vorausseßzen und zu seiner Einführung nötigen. Das wird auch sonsst allseitig anerkannt. „Eine Reihe von Reichsgesetzen verlangt die Schaffung kollegialer Behörden als die den in erster Instanz entscheidenden Organen übergeordneten Apellhöfe, deren Organisation als nichtrichterliche Be- hörde um so mehr als ein Notbehelf empfunden werden. muß, als die Reichsgeseggebung in solchen Fällen offenbar von der selbstverständ- lichen Voraussetung ausgeht, daß in den Einzel- staaten ein Verwaltungsgerichtshof existiert“ (vgl. auch G. Meyer, Verwaltungsrecht, B.1). Kommen wird und muß daher die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch in Lübect, da man sich dem mächtigen Einfluß des Reichs und Feiner Gesetzgebung auch auf diesem Bebiete auf die Dauer nicht wird entziehen können. Nur die glatte Ablehnung des Senatsentwurfes betr. die Verwaltungsrechtspflege hält den Weg für die Zukunft frei und offen; die Annahme des Geseßentwurfes dagegen verbaut ihn für längere Jahre. Hält man gleichwohl die bloße Abänderung des Beschwerdeverfahrens schon allein als erstrebenswerte Verbesserung, so wie sie vorgeschlagen wird, also kontradiktorische Verhandlung, dafür aber Entscheidung durch fortan nur drei Senatoren statt durch den Senat, so behalten die Schlußbemerkungen des Auf- sazes: „Verwaltungsgericht oder nur Beschwerde- verfahren?" in Nr. 40 1903 dieser Blätter ihre Berechtigung. Dort wird bemerkt: „Sollte dagegen nur das Beschwerdeverfahren vor dem Senat neu geregelt werden, . . . so müßte denn doch unbedingt zur notwendigen Klarstellung gefordert werden, daß alle Ausdrücke aus dem Entwurf rücksichtslos ent- fernt werden, die entgegen dem allein gewollten Zweck des Gesetzes zu der falschen, nicht vom Senat vertretenen Ansicht verleiten könnten, daß nunmehr in Lübeck ein Verwaltungsgerichtshof mit wirklichem Verwaltungsstreitverfahren eingeführt werde. Dies wäre deshalb so unbedingt nötig, damit nicht der immer stärker werdenden, dem Zuge der Zeit folgen- den, sicherlich nicht mehr zur Ruhe gelangenden Bewegung, die in allen deutschen Bundesstaaten auf einen modernen Verwaltungsgerichtshof abzielt, mit Frs Shi rr GE crgesst gebracht werden könnte, als ob wir in Lübeck bereits f solches modernes Verwaltungsgericht erhalten ätten.“ Wollte wirklich noch jemand an der Notwendig- keit der Einführung einer geordneten Verwaltungs- gerichtsbarkeit ernstlich Zweifel hegen, so ist auf das in dieser und in anderer Hinsicht für moderne An- forderungen einfach mustergültige, ganz neue Geset für das Großherzogtum Oldenburg betreffend die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 9. Mai 1906 (Oldenburgisches Geseßblatt B 35, Stück 73, Nr. 154) aufmerksam zu machen. Bekanntlich bemühen sich seit Jahren nunmehr auch die kleineren deutschen Bundesstaaten nach dem Vorbild der größeren deutschen Staatswesen (Preußen, Württemberg usw.), ihre Verwaltungsrechtspflege nach den Prinzipien des heutigen Rechtsstaates zu ordnen, weil „die unabweisbare Einführung nicht mehr hinaus- geschoben werden kann." ,Das gilt besonders für die Hansestädte, für die man jezt an Verwaltungsgerichte denkt (Deutsche Juristen- Zeitung, 11. Jahrgang, Sp: 303) und noch mehr für die meisten thüringischen Stäateit vii.!te Schultzenstein im Verwaltungsarchiv. B 14. Heft 14. Juni 1906, S. 446 am Schluß. In einem „Briefs aus Thüringen“ (Deutsche Juristen-Zeitung, 11. Jahrgang, Sp. 134) wird z. B. für Thüringen, wo die Regelung der Verwaltungs- gerichtsbarkeit mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit der politischen Beziehungen anscheinend noch größere Schwierigkeiten macht als in den Hanlsestädten, kurz . > w. 1
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