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drei Mitglieder auf beliebige Zeit. Cine dauernd
gleiche Beseßsung im Interesse der Gleichmäßigkeit
der Rechtsprechung ist nicht besonders gesetlich vor-
gesjehen. Auch nach der Art der zu entscheidenden
Sachen wird zwischen jurisstischen und kaufmännischen
Senatoren nicht unterschieden. „Eine Ablehnung
von Mitgliedern (der Kommission) ist unzulässig.“
(§ 1 Abs. 2 des Entwurfes.) Freilich würde die
Praxis eine Mitentscheidung durch den Chef einer
auch nur indirekt beteiligten Verwaltungsbehörde
sicherlich nicht zulassen. Schwierig ist bei einem so
kleinen Staatswesen wie dem unsrigen nur die Fest-
stellung, welche Staatsbehörde im Einzelfall wirklich
gänzlich unbeteiligt ist. Der vom Bürgerausschuß
angeregte Zusag zu § 1 (vgl. den abgeänderten
Senatsantrag vom 21. Oktober 1903 [1903 Nr. 13]:
„Ein Senatsmitglied kann nicht mitwirken bei Be-
schwerden gegen Verfügungen und Entscheidungen
einer Behörde, deren Mitglied es ist’) ist zwar
nötig, aber noch viel zu eng.
Weil er ein Feind ist des Guten und des
Besseren, deshalb ist und bleibt dieser Gesetzentwurf
betr. die Verwaltungsrechtspflege, der nicht. so ge-
nannt werden dürfte, schlechthin unannehmbar. Vor
allem auch in der Bürgerschaftsversammlung am
21. Dezember 1903 ist das mehrfach mit Energie
ft“ uu. Br Gh q:
gründung des Gesetentwurfes (S. 10-11) aus-
drücklich bezeugt, daß viele Reichsgesetze das Bestehen
eines Verwaltungsstreitverfahrens, d. h. im Sinne
der Reichsgesetgebung der Verwaltungzgerichtsbarkeit,
vorausseßzen und zu seiner Einführung nötigen.
Das wird auch sonsst allseitig anerkannt. „Eine
Reihe von Reichsgesetzen verlangt die Schaffung
kollegialer Behörden als die den in erster Instanz
entscheidenden Organen übergeordneten Apellhöfe,
deren Organisation als nichtrichterliche Be-
hörde um so mehr als ein Notbehelf empfunden
werden. muß, als die Reichsgeseggebung in
solchen Fällen offenbar von der selbstverständ-
lichen Voraussetung ausgeht, daß in den Einzel-
staaten ein Verwaltungsgerichtshof existiert“ (vgl. auch
G. Meyer, Verwaltungsrecht, B.1). Kommen wird
und muß daher die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch
in Lübect, da man sich dem mächtigen Einfluß des
Reichs und Feiner Gesetzgebung auch auf diesem
Bebiete auf die Dauer nicht wird entziehen können.
Nur die glatte Ablehnung des Senatsentwurfes
betr. die Verwaltungsrechtspflege hält den Weg für
die Zukunft frei und offen; die Annahme des
Geseßentwurfes dagegen verbaut ihn für längere Jahre.
Hält man gleichwohl die bloße Abänderung des
Beschwerdeverfahrens schon allein als erstrebenswerte
Verbesserung, so wie sie vorgeschlagen wird, also
kontradiktorische Verhandlung, dafür aber Entscheidung
durch fortan nur drei Senatoren statt durch den
Senat, so behalten die Schlußbemerkungen des Auf-
sazes: „Verwaltungsgericht oder nur Beschwerde-
verfahren?" in Nr. 40 1903 dieser Blätter ihre
Berechtigung. Dort wird bemerkt: „Sollte dagegen
nur das Beschwerdeverfahren vor dem Senat neu
geregelt werden, . . . so müßte denn doch unbedingt
zur notwendigen Klarstellung gefordert werden, daß
alle Ausdrücke aus dem Entwurf rücksichtslos ent-
fernt werden, die entgegen dem allein gewollten
Zweck des Gesetzes zu der falschen, nicht vom Senat
vertretenen Ansicht verleiten könnten, daß nunmehr
in Lübeck ein Verwaltungsgerichtshof mit wirklichem
Verwaltungsstreitverfahren eingeführt werde. Dies
wäre deshalb so unbedingt nötig, damit nicht der
immer stärker werdenden, dem Zuge der Zeit folgen-
den, sicherlich nicht mehr zur Ruhe gelangenden
Bewegung, die in allen deutschen Bundesstaaten auf
einen modernen Verwaltungsgerichtshof abzielt, mit
Frs Shi rr GE crgesst
gebracht werden könnte, als ob wir in Lübeck bereits
f solches modernes Verwaltungsgericht erhalten
ätten.“
Wollte wirklich noch jemand an der Notwendig-
keit der Einführung einer geordneten Verwaltungs-
gerichtsbarkeit ernstlich Zweifel hegen, so ist auf das
in dieser und in anderer Hinsicht für moderne An-
forderungen einfach mustergültige, ganz neue Geset
für das Großherzogtum Oldenburg betreffend
die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 9. Mai
1906 (Oldenburgisches Geseßblatt B 35, Stück 73,
Nr. 154) aufmerksam zu machen.
Bekanntlich bemühen sich seit Jahren nunmehr
auch die kleineren deutschen Bundesstaaten nach dem
Vorbild der größeren deutschen Staatswesen (Preußen,
Württemberg usw.), ihre Verwaltungsrechtspflege nach
den Prinzipien des heutigen Rechtsstaates zu ordnen,
weil „die unabweisbare Einführung nicht mehr hinaus-
geschoben werden kann." ,Das gilt besonders für die
Hansestädte, für die man jezt an Verwaltungsgerichte
denkt (Deutsche Juristen- Zeitung, 11. Jahrgang,
Sp: 303) und noch mehr für die meisten thüringischen
Stäateit vii.!te
Schultzenstein im Verwaltungsarchiv.
B 14. Heft 14. Juni 1906, S. 446 am Schluß.
In einem „Briefs aus Thüringen“ (Deutsche
Juristen-Zeitung, 11. Jahrgang, Sp. 134) wird z. B.
für Thüringen, wo die Regelung der Verwaltungs-
gerichtsbarkeit mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit
der politischen Beziehungen anscheinend noch größere
Schwierigkeiten macht als in den Hanlsestädten, kurz
. > w. 1