Full text: Lübeckische Blätter. 1906 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1906 (48)

1 7 erscheint, so wenig wird sich mit ihr der Philologe zufrieden geben dürfen. Die Stelle: „a quo (vom IMescenreizabach an) sursum limes eurrit per sil- vam Delvunder usque in fluvium Delvundam“ enthält kein Wort davon, daß zwischen Mescenreiza und Delvenau ein Flußlauf oder irgend ein Ge- wässer die Grenze gebildet hat: nicht ein Fluß, eine Mulde, ein Moor, sondern der Delvunderwald hat hier nach dem klaren Wortlaut als Grenze gedient, der Limes hat sich von der Mescenreiza bis zur Delvenau durch Wald hindurchgezogen. Zudem sind auf dieser Strecke sämtliche Wasserläufe genau mit Namen bezeichnet: auf die Albia folgt der rivulus Mescenreiza, dann der fluvius Delvunda, dann der Bach Horehenbici und das Quellgebiet der Bille, Bilenispring. Selbst die Größenverhältnisse sind in den Bezeichnungen rivulus Mescenreiza und fluvius Delvunda auffallend richtig wiedergegeben, und da sollte die 500 bis 800 m breite Taljenke eines ziemlich langen ehemaligen Schmelzwasser- siromes, der nach Struck damals wasserreicher sein mußte als der heutige Mühlenbach, mit keinem Worte erwähnt worden seimn? Wer aber einem argumen- tum e silentio keinen Wert beimessen will, der wird sich wenigstens fragen müssen: wie pflegt dann sonst die Ausdrucksweise zu sein da, wo in dieser Limes- beschreibung die Grenze zweifellos innerhalb eines Flusses oder einen Fluß entlang läust? Da finden sich zwei Ausdrucksweisen, die beide den darzustellenden Verlauf so anschaulich, wie man es nur wünschen kann, wiedergeben: „in Horbinstenon vadit usque,“ d. h. der Limes verläuft in der Horbesste bis zum . . . und: „in fumen Zuentinam, per quem limes delabitur usque,“ d. h. in die Schwentine, in welcher sich die Grenze hinabzieht bis zum . .. Nach solchen Wahrnehmungen wird man die Worte: „per silvam Delvundam schwerlich wie Struck übersegen dürfen: „Den Mühlenbach entlang." ~~ Hu diesen philo- logischen Bedenken kommen militärische, die Struck bestimmen, seine bisher besprochene Deutung als die weniger passende hinzustellen. Jetzt begeht Struck eine wunderliche Inkonsequenz. Dieselben militärischen Bedenken, die ihn jchließlich vom Mühlenbach absehen lasen, sprechen in viel stärkerem Maße gegen die zweite seiner Möglich- keiten, aber hier läßt er sie, offenbar seiner Theorie zuliebe, unbeachtet. Der Limes, meint Strutt, ist von der Mescenreiza aus am östlichen Rande des Delvenautales entlang gegangen bis zu der Stelle, wo die Delvenau „in ostwestlicher Richtung strömt." Diese Deutung ist in philologischer Beziehung besser, denn zu ihr würden die Worte „per silyam Del- vundam,“ wenn auch nicht völlig, jo doch eher passen als zu der Mühlenbachdeutung, aber sie er- icheint aus militärischen Gründen nicht annehmbar. Die große, breite Delvenausenke, die größte, welche den baltischen Landrücken von der Oder bis zur Nordsee durchsezt, nach Struck selbst „eine unweg- same Grenzzone zwischen den Völkern," würde dann nicht in der Front vor dem Limes, sondern un- mittelbar hinter dem Rücken dieser wichtigen Ver- teidigungslinie gelegen haben! ~ Nein, nicht am östlichen, sondern nur am westlichen Talrande ist der Limes denkbar, falls er sich überhaupt an der Mündung der Delvenauniederung in die Elbe entlang zog, zumal hier die bedeutenden, steil abfallenden, zur Verteidigung ausgezeichnet geeigneten Höhen nordöstlich von Lauenburg sich erheben. Allein der Versuch, den Limes an dem westlichen Talrand zu suchen, würde wiederum dem klaren Wortlaut wider- sprechen, demzufolge der Limes die Messcenreiza ent- lang zog und von ihr quer durch den Delvunderwald zur Delvenau hinübersprang. Mit kurzen Worten: die Frage nach dem Beginn des Limes ist durch Struck ebensowenig gelöst wie durch seine Vorgänger. Ähnlich verhält es sich mit der Hauptstrecke des Limes. Struck geht hier derselben Ortsbezeichnung gegenüber ebenso kühn vor wie oben, indem er die Worte „per silvam“ wiederum „den Fluß entlang“ übersezt oder hier vielmehr: zwei Flüsse entlang. Die Worte: „Vune in Horbinstenon (so lautet nach der neuesten Ausgabe Adams*) die beste Lesart, neben der sich dreimal die Lesart Horbistenon und einmal Harbistenon findet) vadit usque in Tra- vena (daneben dreimal die Lesart "Travennam) silvam, sursumque per ipsam in Bulilunkin“ deutet Struck, der Limes sei von der Bestemündung erst die Trave, dann die Brandsau entlang bis Blunk gezogen: „Man wird nicht umhin können, die Trave als die Linie, entlang der der Limes durch den Trave- wald nach Norden weiter ging, zu betrachten." Aber von der Trave ist ebensowenig als von der Brandsau die Rede, vielmehr nur von einem Walde Travena, sowie oben von einem Walde Delvunder, Delunder oder Delvundez. Bedenkt man, daß Adam die Gewässser der Limes- strecte stets bei ihren Namen nennt: Albia, Del- vunda, stagnum Oolse, Zuentina, pelagus Scy- ihyeum; daß er selbst die Namen solch kurzer Bäche anführt, wie der Mescenreiza, der Horchen- bek, der Horbeste; ja selbst von Quellen, wie der Bilenispring und sogar von Furten, wie der Agrimsfurt am Agrimshof, so erscheint es un- denkbar, daß dieser hervorragende Schriftsteller, der gerade in geographischer Beziehung und für die Ostseeländer die wichtigste Autorität des früheren Mittelalters ist, gerade den wichtigsten Wasßserlauf Lckotur r e UNO ut EHU r Ic s Adamus. editio altera von Waitz, Hannover, 1876, S. 51.
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