sübeckische Blätter.
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Organ der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnitiger Tätigkeit.
Achtundbvierzigster Jahrgang. N“ 36G.
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Diese Blätter erscheinen Sonntags morgens. Bezugspreis 1,25 ./ vierteljährlich. Einzelne Nummern der Bogen 10 y. Anzeigen 20 y die Petitzeile.
Die Mitalieder der Lübeckischen Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit erhalten diese Blätter unentgeltlich.
9. September.
1.906.
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Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit. —
XVII. Bericht des Handelsmuseums über das Jahr 1905.
Neubau des Stadttheaters mit Saalbau. Die Ent-
wicklung der Volksheimidee in der Praxis. (Schluß.)
Sedanturnen der Volksschulen. Bakteriologische Unter-
suchungen für Lübeck. ~ Beschaffung guter Kindermilch. -
Öffentliche Vorträge des Lübecker Lehrervereins. ~ Salon
Möller. ~ Theater und Musik. - Leben und Treiben im
alten Lübeck. (Aus den Protokollen der Kämmerei.) Von
Dr. Hartwig. – Gemeinnützige Rundschau. ~ Lokale Notizen.
Inhalt:
zur gefirdectj tum. : Tätigkeit.
Dienstag den 11. September, 8 Ahr.
Yerrenabend.
Mitteilungen des Herrn Bernhard Dräger:
„Der Anfang einer neuen Industrie."
Geographische Gesellschaft.
Yerrenabend.
Fre ita g 8 Uhr.
R.A. Mittwoch den 12. September 7'hr Uhr.
Gesellschaft
zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit.
Herrenabend am 5. September 1906.
(Beobachtungen j enseits der deutschen
Grenzpfähle.)
Das Nachäffen fremder. Sitten, das wir gewohnt
sind, als eine den Deutschen eigentümliche Charakter-
schwäche anzusehen, scheint nach den Mitteilungen
Herrn Dr. Otto Hoffmanns jetzt auch in Frankreich
um sich zu greifen. Englischer Einfluß ist überall,
und er ist übermächtig. Tennis zu spielen und
dabei die englischen Ausdrücke zu gebrauchen gilt
als vornehm, ebenso der 5 o' clock tea. Es gibt
junge Leute, die durch englische Müten, englische
Pfeifen, englische Gangart und Ungeniertheit Vor-
nehmheit markieren wollen. So ist das schöne
Erbteil der Franzosen, die Feinheit der Umgangs-
formen, leider bedroht. Es ist jedoch zu erwarten,
daß die körperliche Ausbildung durch Jugendspiele
in Aufnahme kommt, und diese würde unabsehbare
gute Folgen für Frankreich haben können. Vorläufig
ist es um die Zukunft des Volkes schlecht bestellt,
schon wegen der wahnwitzigen Liebe zum Korsett,
welche + noch viel schlimmer als bei uns — ein
neues Sedan vorbereiten helfen kann.
Während mancherlei Mißstände, wie z. B. das
Fehlen eines Kursbuches bei Zugveränderungen, die
schon seit mehreren Tagen gültig waren, auf
Disziplinlosigkeit hätten schließen lassen, war das
militärische Schauspiel des Carrousel de Saumur
eine Musterleistung in jeder Beziehung. Zu be-
dauern war nur, daß nicht auch einige deutsche
Offiziere die „Ecole de Cavalerie“ besuchen konnten,
um den Franzosen zu zeigen, daß sie ihnen eben-
bürtig sind: mehrere andere Nationen waren vertreten.
Auffallend war in der „Provinz“ die Einfachheit,
das Fehlen des Luxus. Statt des Luxus schien um
so mehr Glück zu wohnen in den Kreisen, die wir
Hansen als den Kern des Volkes zu betrachten
pflegen; denn es fehlte das, was zwar den Luxus
ermöglicht, aber das Glück zerstört: die Überarbeitung,
die Hehe, die Reizbarkeit.
Deutscher Einfluß war aus der Anerkennung
Richard Wagners und Schopenhauers zu ersehen;
am sstärksien ist wohl der Einfluß, der vom Kaiser
ausgeht, insofern als jede Rede, in der die Not-
wendigkeit der Kriegsbereitschaft betont wird, mit
Seufzen in der Stille mit dem Beschluß, noch ein
Fort oder noch ein Kriegsschiff zu bauen, beant-
wortet wird. Am offenkundigsten ist deutscher Ein-
fluß allerdings in der Zunahme des Biergenussses,
der ebenso wie die Nachahmung der Engländer den
Verfall altfranzösischer feiner Sitte befördert. Jedoch
waren immer noch Dinge möglich, die in Deutsch-