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wird. Herr Schkolnick, ein junger, sechzehnjähriger
Deutschrusse aus. Odessa, wird voraussichtlich Bachs
Chaconne für Violine-Solo und die. Air spielen.
Der junge Künstler, ein Schüler Professor Sitts in
Leipzig, hat uns am Freitag Kompositionen von
Chopin-Wilhelmi, Paganini und Ernst vorgespielt, die
erkennen ließen, daß man es mit einem ganz be-
deutenden Musiker zu tun hat, einem geborenen Geiger,
der auch die schwierigsten technischen Probleme mühe-
los löst. Ernsts Erlkönig für Violine Solo, ein fabel-
haft schweres Virtuosenstück, kann man nicht mit mehr
Energie und gereifterem technischen Können spielen.
Wir sind überzeugt, daß unsere Leser uns für diesen
Hinweis auf das nächste Orgelkonzert in der St.
Marienkirche dankbar sein werden. J. Hennings.
Leben und Treiben im alten Lübeck.
(Aus den Protokollen der Kämmerei.)
Von Dr. Hartwig.
29.
Befreiung vom Kollektieren.
1776 9. Mai: Auf geziemendes Anhalten des
Kirchen Juraten zu Travemund Timm ist demselben
in Betracht seiner hohen Jahre dispensando verstattet,
daß er wie sonst nach Vorschrift des Regulatives ihm
gebühren würde, nicht selbst mit dem Klingbeutel
gehen dürfe, sondern durch den Organisten, mit welchem
er sich wegen des Mantel Geldes abzufinden hat,
die Sammlung in der Kirche könne vornehmen laßen.
30.
Heiratsgesuch.
1777 20. März: Hans . . Wulf aus Giesenstorff
declariret daß er wohl gewillet wäre eine von den
Töchtern des verstorbenen Bauer Vogts Hillers in
Behlendorff, bey dem er bisher als Knecht gedienet,
zu heyrathen, fals er mit derselben die Hofstelle er-
halten könne, und bittet, daß die Cämmerey darin
consentiren wolle. Hierauf ist ihm zum Bescheid
gegeben, Er solle zuvörderst sich bey den Verwandten
des Verstorbenen angeben, und wann diese wider die
Heyrath nichts auszusetzen hätten, sich sodann aufs
nene bey der Cämmerey melden und Bescheid
gewärtigen.
Gefangenenunterricht.
1777 10. April: Sind dem Küster Rieckhoff zu
Travemünde dafür, daß er den dortigen Gefangenen
Herm. Johann Fick ein halbes Jahr lang wöchentlich
8 Stunden im Christenthum unterrichtet, 12 # aus
dem Armenschrancken gereichet worden.
Gemeinnützige Rundschau.
_ Alkoholismus und Schule. Der deutsche
Verein abstinenter Lehrer hat schon vor Jahren angeregt,
die Verbreitung des Genusses alkoholischer Getränke
bei Kindern durch Umfragen in den Schulen festzustellen.
Es sind dann auch einige Angaben darüber in die
Öffentlichkeit gedrungen. Einer umfassenden Unter-
suchung standen allgemeine Bedenken entgegen, die bei
solchen Anfragen in den Schulen immer entstehen müssen.
Es kommt indessen darauf an, wie gefragt wird, und
gerade in unserem Falle wird die Stellung des befragenden
Lehrers zur Alkoholfrage das Ergebnis stark beeinflussen,
so daß nur von einer sorgfältig geleiteten, umfassenden
Untersuchung ein zutreffendes Bild zu erwarten ist.
Eine solche Untersuchung hat, wie das Berliner Tage-
blatt mitteilt, vor einiger Zeit der Magistrat der Stadt
Braunschweig veransstaltet, deren Ergebnisse jetzt ver-
öffentlicht werden. Die Umfrage wurde auf Antrag
des Gesundheitsrates nach einem sorgfältig aufgestellten
Fragebogen in sämtlichen Bürgerschulen der Stadt
veranstaltet. Die Untersuchung bezog sich auf 4047
Knaben und 3014 Mädchen der mittleren, 10 051
Schülern der unteren Bürgerschulen und auf 246 Schüler
der Hilfsschulen für schwachbegabte Kinder. Der
Fragebogen unterschied zwischen gelegentlichem und
täglichem Genuß der einzelnen Getränkearten. Ferner
wurde gefragt, wie viele Kinder schon vor Schulbeginn
Alkohol genießen, wie viele es bei den Mittags- und
Abendmahlzeiten und wie viele es gern tun. Das
Ergebnis war recht betrübend. An den unteren
Volksschulen tranken 47 Kinder täglich Wein, 880 Bier,
55 Branntwein und 122 Kognak, Rum und ähnliche
Schnäpse, 65 Kinder tranken schon vor Schulbeginn,
2340, also fast ein Viertel, tranken regelmäßig zu den
Mittags- und Abendmahlzeiten und 3989, also zwei
Fünftel, erklärten, daß sie es gern täten. Von den 246
Schülern der Hilfsschule für schwachbegabte Kinder tran-
ken bezeichnenderweise 118, also beinahe die Hälfte, gern.
Von den Knaben der mittleren Bürgerschulen waren
1334 (32,7 Prozent) und von den Mädchen der
mittleren Bürgerschulen 853 (28,8 Prozent) Freunde
alkoholischer Genüsse. Jm übrigen ist der Unter-
schied zwischen den unteren und mittleren
Bürgerschulen nur gering. Bier wird überall von
8 bis 10 Prozent der Schüler regelmäßig täglich
und von 60 bis 70 Prozent gelegentlich getrunken,
der regelmäßige Schnapsgenuß ist bei den Schülern
der unteren Bürgerschulen etwas häufiger (1,7 Prozent
der Schüler) als bei denen der mittleren (Knaben
1 Prozent, Mädchen 1,8 Prozent), der Weingenuß
umgekehrt bei den Schülern der mittleren Bürgerschulen
(Knaben 0,9 Prozent, Mädchen 1,9 Prozent) höher
als bei denen der unteren (0,5 Prozent).