Full text: Lübeckische Blätter. 1906 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1906 (48)

153 Der schwüle Tag lockte nach allem Umherstreifen, ein unserer Reisegesellschaft vom Verein der Bade- freunde (De Badande Vännerna) gastfreundlichst für die Nachmittagsstunden dargebotenes Bad, je nach Wahl warm oder kalt, nicht zu verschmähen. Wir zogen die letztere Art zu baden vor, vermieden jedoch, das erfrischende Naß des Meeres allzu nach- haltig auf uns wirken zu lassen, denn die Wasser- wärme betrug nur 8% Celsius ; Temperaturschwan- kungen von 10 Grad und mehr von Tag zu Tag sollen eben beim Umspringen der Windrichtung dort nicht ungewöhnlich sein. Nach Beendigung der Hauptmahlzeit an Bord wurden wir mit eintretender Dämmerung zu dem in der Katharinenkirche von der Almänna säng- fköreningen veranstalteten Konzert geleitet. Der Umstand, daß die in der weiten Ruine dicht ge- stellten Bänke bis auf den letzten Platz besetzt waren und eine noch größere Zuhörerschaft sich vor der Kirche auf dem Großen Markte versammelt hatte, zeugte von dem allgemeinen Interesse für diese Ver- anstaltung ; gelten doch die Gotländer als die stimm- begabtesten und sangesfreudigsten Bewohner des liederreichen Schwedens. Die tadellos von einem etwa zwanzigstimmigen Männerchor vorgetragenen Lieder, je vier in drei Abteilungen, rechtfertigten aufs glänzendste diesen Ruf und lösten einen be- geisterten Beifallssturm aus, der sich womöglich noch steigerte, als nach der zweiten Abteilung und am Schluß ~ ein prächtiges Schauspiel ~ das Innere der mächtigen Ruine ringsum in rotem und weißem bengalischen Lichte erstrahlte. Unter dem Eindruck dieser weihevollen Feier schritt man in langsamem Zuge durch die stillen, nur schwach erhellten Straßen, während auf uns die ;;: Pracht des nordischen Sternenhimmels herab- ien. Im Pavillon des botanischen Gartens empfing uns eine auserlesene Gesellschaft. Erschienen waren Herr Bürgermeister Een mit seiner liebenswürdigen Gemahlin und zwei anmutigen Töchtern, Herr Bischof von Sch6ele, der dänische Konsul Herr E. Cramsr, der den im Auslande weilenden deutschen Konsul vertrat, der russische Konsul Herr C. J. Björ- kander und wohl an fünfzig weitere einheimische Herren und Damen. Gleich von Anfang an beherrschte ein herz- licher zwangloser Ton unser Beisammensein, man fühlte sich zueinander hingezogen, mochte auch die Ver- ständlichket von Rede und Gegenrede bisweilen einigen Schwierigkeiten begegnen. Nachdem wir uns an den Leckerbissen des bereitstehenden Schwedentisches hatten wohl sein lassen, wechselten mit lebhaftem Beifall aufgenommene und die eigne Sangeslust entfessselnde deutsche sowie schwedische Weisen der wackeren Kapelle ab mit formvollendeten Gesangs- vorträgen der Almänna sängkörening. Als nach einiger Zeit Kaffee und schwedischer Punsch auf- getragen war, begrüßte uns Herr Bürgermeister Een mit folgender Ansprache : M u M ie; hatte unsere Stadt die Ehre und die große Freude, den Besuch einer deutschen Gesellschaft zu empfangen, die sich „Hansische Wisbyfahrt“ nannte und aus Damen und Herren der alten Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck und anderer deutscher Städte, ja selbst von Berlin, bestand. Die drei Tage, an denen sich die Hansische Wisbyfahrt in unserer Stadt aufhielt, waren besonders angenehm, und das Andenken an diesen Besuch ist noch in unserer Stadt lebendig. Es freut uns sehr zu finden, daß man in Deutschland noch die HanJische Wisbyfahrt in frischer Erinnerung hat. Ein liebens- würdiger Beweis hierfür ist der jetzige Besuch von Mitgliedern derselben Vereinigung. Deutsche Damen und Herren! Es ist kaum nötig, daß ich Ihnen sage, daß Sie herzlich willkommen sind. Wir Ein- wohner Wisbys haben betreffs Ihres Besuches nur den einen Wunsch, daß Sie, deutsche Damen und Herren, ihren Aufenthalt in Wisby angenehm finden und daß Sie von hier nur liebe Erinnerungen mit- nehmen möchten. Insonderheit wünschen wir, daß durch Ihren Besuch das natürliche Band der Stammesverwandtschaft, welches zwischen Deutschen und Schweden besteht, fester und enger geknüpft werden möchte. Mit diesen Worten, die nur ein schwacher Ausdruck der Gefühle sind, die uns in diesem Augenblick beseelen, habe ich die Ehre und den Vorzug, unsern hochgeehrten Gästen ein auf- richtiges und herzliches Willkommen entgegenzubringen. Es leben unsere Gäste! Schwedische Damen und Herren! Lassen Sie uns diesen Ruf mit einem vierfachen schwedischen Hurra begleiten." Anknüpfend an diesen Gruß brachte der Vor- sißende des. Hanssischen Geschichtsvereins, Herr Senator Dr. Fehling namens der Gäste, die sich froh auf Schwedens Boden fühlten, dem König Oskar, dem edlen Menschen und Menschenfreunde, dem trefflichen Förderer der Wissenschaften, dem weisen Herrscher, bewährt in guten und schweren Tagen seines Landes, die Huldigung aller Teilnehmer dar. Nachdem das begeistert aufgenommene vierfache Hurra auf den Monarchen verklungen wax, dankte der Vorsitzende für die glänzende und herzliche Auf. nahme in längerer Rede, die ausklang in einen Hoch auf Wisby, die Stadt der großen Vergangen- heit, der wir auch eine reichgesegnete Zukunft wünschen. Herr Bürgermeister Een brachte hierauf ein
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