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Der schwüle Tag lockte nach allem Umherstreifen,
ein unserer Reisegesellschaft vom Verein der Bade-
freunde (De Badande Vännerna) gastfreundlichst für
die Nachmittagsstunden dargebotenes Bad, je nach
Wahl warm oder kalt, nicht zu verschmähen. Wir
zogen die letztere Art zu baden vor, vermieden
jedoch, das erfrischende Naß des Meeres allzu nach-
haltig auf uns wirken zu lassen, denn die Wasser-
wärme betrug nur 8% Celsius ; Temperaturschwan-
kungen von 10 Grad und mehr von Tag zu Tag
sollen eben beim Umspringen der Windrichtung dort
nicht ungewöhnlich sein.
Nach Beendigung der Hauptmahlzeit an Bord
wurden wir mit eintretender Dämmerung zu dem in
der Katharinenkirche von der Almänna säng-
fköreningen veranstalteten Konzert geleitet. Der
Umstand, daß die in der weiten Ruine dicht ge-
stellten Bänke bis auf den letzten Platz besetzt waren
und eine noch größere Zuhörerschaft sich vor der
Kirche auf dem Großen Markte versammelt hatte,
zeugte von dem allgemeinen Interesse für diese Ver-
anstaltung ; gelten doch die Gotländer als die stimm-
begabtesten und sangesfreudigsten Bewohner des
liederreichen Schwedens. Die tadellos von einem
etwa zwanzigstimmigen Männerchor vorgetragenen
Lieder, je vier in drei Abteilungen, rechtfertigten
aufs glänzendste diesen Ruf und lösten einen be-
geisterten Beifallssturm aus, der sich womöglich noch
steigerte, als nach der zweiten Abteilung und am
Schluß ~ ein prächtiges Schauspiel ~ das Innere
der mächtigen Ruine ringsum in rotem und weißem
bengalischen Lichte erstrahlte.
Unter dem Eindruck dieser weihevollen Feier
schritt man in langsamem Zuge durch die stillen, nur
schwach erhellten Straßen, während auf uns die
;;: Pracht des nordischen Sternenhimmels herab-
ien.
Im Pavillon des botanischen Gartens empfing
uns eine auserlesene Gesellschaft. Erschienen waren
Herr Bürgermeister Een mit seiner liebenswürdigen
Gemahlin und zwei anmutigen Töchtern, Herr
Bischof von Sch6ele, der dänische Konsul Herr
E. Cramsr, der den im Auslande weilenden deutschen
Konsul vertrat, der russische Konsul Herr C. J. Björ-
kander und wohl an fünfzig weitere einheimische Herren
und Damen. Gleich von Anfang an beherrschte ein herz-
licher zwangloser Ton unser Beisammensein, man fühlte
sich zueinander hingezogen, mochte auch die Ver-
ständlichket von Rede und Gegenrede bisweilen
einigen Schwierigkeiten begegnen. Nachdem wir uns
an den Leckerbissen des bereitstehenden Schwedentisches
hatten wohl sein lassen, wechselten mit lebhaftem
Beifall aufgenommene und die eigne Sangeslust
entfessselnde deutsche sowie schwedische Weisen der
wackeren Kapelle ab mit formvollendeten Gesangs-
vorträgen der Almänna sängkörening. Als nach
einiger Zeit Kaffee und schwedischer Punsch auf-
getragen war, begrüßte uns Herr Bürgermeister Een
mit folgender Ansprache :
M u M ie;
hatte unsere Stadt die Ehre und die große Freude,
den Besuch einer deutschen Gesellschaft zu empfangen,
die sich „Hansische Wisbyfahrt“ nannte und aus
Damen und Herren der alten Hansestädte Hamburg,
Bremen und Lübeck und anderer deutscher Städte,
ja selbst von Berlin, bestand. Die drei Tage,
an denen sich die Hansische Wisbyfahrt in
unserer Stadt aufhielt, waren besonders angenehm,
und das Andenken an diesen Besuch ist noch in
unserer Stadt lebendig. Es freut uns sehr zu
finden, daß man in Deutschland noch die HanJische
Wisbyfahrt in frischer Erinnerung hat. Ein liebens-
würdiger Beweis hierfür ist der jetzige Besuch von
Mitgliedern derselben Vereinigung. Deutsche Damen
und Herren! Es ist kaum nötig, daß ich Ihnen
sage, daß Sie herzlich willkommen sind. Wir Ein-
wohner Wisbys haben betreffs Ihres Besuches nur
den einen Wunsch, daß Sie, deutsche Damen und
Herren, ihren Aufenthalt in Wisby angenehm finden
und daß Sie von hier nur liebe Erinnerungen mit-
nehmen möchten. Insonderheit wünschen wir, daß
durch Ihren Besuch das natürliche Band der
Stammesverwandtschaft, welches zwischen Deutschen
und Schweden besteht, fester und enger geknüpft
werden möchte. Mit diesen Worten, die nur ein
schwacher Ausdruck der Gefühle sind, die uns in
diesem Augenblick beseelen, habe ich die Ehre und
den Vorzug, unsern hochgeehrten Gästen ein auf-
richtiges und herzliches Willkommen entgegenzubringen.
Es leben unsere Gäste! Schwedische Damen und
Herren! Lassen Sie uns diesen Ruf mit einem
vierfachen schwedischen Hurra begleiten."
Anknüpfend an diesen Gruß brachte der Vor-
sißende des. Hanssischen Geschichtsvereins, Herr
Senator Dr. Fehling namens der Gäste, die sich
froh auf Schwedens Boden fühlten, dem König
Oskar, dem edlen Menschen und Menschenfreunde,
dem trefflichen Förderer der Wissenschaften, dem
weisen Herrscher, bewährt in guten und schweren
Tagen seines Landes, die Huldigung aller Teilnehmer
dar. Nachdem das begeistert aufgenommene vierfache
Hurra auf den Monarchen verklungen wax, dankte
der Vorsitzende für die glänzende und herzliche Auf.
nahme in längerer Rede, die ausklang in einen
Hoch auf Wisby, die Stadt der großen Vergangen-
heit, der wir auch eine reichgesegnete Zukunft
wünschen. Herr Bürgermeister Een brachte hierauf ein