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in Lübeck, die heilige Katharina war. Sie ist die
schönste Ruine Wisbys. Noch stehen in ursprüng-
licher Höhe die romanischen Umfassungsmauern des
Langhauses und die von ihm durch einen kühn ge-
wölbten Triumphbogen geschiedenen fünf Achtectseiten
des Chores mit ihren hohen schmalen Fensteröffnungen,
die noch Reste zierlichen Maßwerks bergen; wohl.
erhalten sind auch die zwölf achtseitigen Säulen des
Langschiffs mit ihren an den Seitenwänden von
ausdrucksvollen romanischen Konsolen getragenen
Gurtbögen, dagegen sind die übrigen Gewölbeteile
verschwunden. So haben Licht und Regen freien
Zutritt und lassen Efeu und wilden Wein üppig
gedeihen, der das Innere zu umziehen beginnt. Der
großartige und harmonische Eindruck dieses Bauwerks
wird allen Teilnehmern unvergeßlich bleiben.
Ernster wirkt die gleichfalls ein Gemisch von
romanischen und gotischen Bauteilen darstellende
große St. Nikolauskirche des Dominikanerordens,
deren größtenteils unversehrt gebliebene schlichte
massige Gewölbekappen von zwölf viereckigen Pfeilern
und scharf zugeschnittenen Spitzbögen getragen werden.
Besonders charakteristisch ist ihre dem Meere zuge-
wandte hochragende Westfront mit ihren zahlreichen
kleinen rundbogigen Nischen und Fenstern und ihren
zwei großen zwölfblättrigen Rosen, in deren Mitte
der Sage nach bis zur Plünderung Wisbys durch
König Waldemar Atterdag Karfunkelsteine gesessen
haben sollen, die den Schiffern als Leuchtfeuer
dienten.
Ein ganz eigenartiges Bauwerk ist die nahe ge-
legene Kirche des ehemaligen Heiligengeisthospitals
(Helgeandskyrkan). Sie besteht aus einem achteckigen
Hauptteil in zwei Stockwerken, die miteinander durch
ein großes Schalloch in Verbindung stehen, und aus
einem länglich viereckigen Chor, das sich von beiden
Geschossen aus durch je eine große rundbogige Mauer-
öffnung überblicken läßt. Vielleicht war das untere
Stockwerk für die kranken und gebrechlichen Jnsassen
des Hospitals, das obere für deren Pflegerinnen
bestimmt. Das Erklimmen des ehemaligen Dach-
bodens mittelst der engen Wendeltreppen wurde
reichlich belohnt durch einen herrlichen Rundblick
auf die Stadt und das Meer.
Größeren Verfall zeigen die übrigen Kirchen-
ruinen: St. Klemens, von dem noch der Triumph-
bogen und ein Teil des Chorgewölbes steht; St. Olof,
dessen Turmreste malerisch vom saftigen Grün des
botanischen Gartens umhüllt werden; St. Gertrud,
die Kirche der niederländischen Kaufleute, deren
Trümmer noch über dem Portal eine Darstellung
ihrer Schußpatronin aufweisen; die Dreifaltigkeits-
kirche (St. Drotten) mit wohlerhaltenem hohen
massigen Turm und ragendem Triumyhbogen: St.
Lorenz (St. Lars), die einzige in Kreuzesform an-
gelegte Kirche Wisbys mit breiten Galerien und
ihrem von der westlichen Giebelmauer im Verein
mit den beiden benachbarten Säulen getragenen
Turm; St. Johannes, das erste Gotteshaus, in dem
die lutherische Lehre gepredigt wurde, mit breschen-
artig zersezter Mauer und überhängenden Gewölhe-
resten und schließlich die ihr benachbarte, bis auf
eine kurze Mauerstrecke verschwundene Petrikirche.
Von den Profanbauten fanden die wenigen noch
aus der Hansezeit vorhandenen hochragenden steinernen
Häuser die gebührende Beachtung, mehr noch das
1662 von Hans und Karin Burmeister in deutschem
Charakter aus Holz gebaute trauliche Burmeistersche
Haus, dessen alte Inneneinrichtung zum Teil noch
wohlerhalten ist.
Nach dem Rundgang durch die Stadt begab Jich
ein Teil unserer Gesellschaft durch das Nordertor
nach dem durch drei Steinsäulen bezeichneten Galgen-
berg, von dem aus sich ein herrlicher Blick auf
Wisby und seine scharf vom umliegenden Gelände
sich abhebende helle Ringmauer, auf die halbwegs
bis dahin gelegene Ruine der St. Jürgenkirche
(St. Göran) mit ihren drei hohen Giebeln und auf
die den Hintergrund abschließende Küstenpartie bis
zu dem von der Brandung zerspülten Vorgebirge
Hogklint bot.
Andere pilgerten hinaus zu der etwa einen Kilo-
meter vom Südertore entfernten Kreuzweide, „Kors-
betningen“, wo 1361 das Aufgebot der Gotländer
dem Belagerungsheer König Waldemars erlag und
wo noch jeßt die Erinnerung an diesen für Wisbys
Wohlstand vernichtenden Schlag wachgehalten wird
durch ein Steinkreuz mit der Jnschrift: ANNO
DNI M CCC LXI FERIA III POST IACOBI
ANTE PORTAS WISBY IN MANIBUS
DANORUM CECIDERUNT GUTENSES HIC
SEPULTI. „Jm Jahre des Herrn 1361 am
Dienstag nach Jakobi (27. Juli) fielen die Goten
unter den Händen der Dänen und sind hier begraben.
Betet für sie." Jm vorigen Jahre ist dicht bei
dieser Stelle ein Massengrab entdeckt und bloßgelegt,
das an 300 wirr durcheinander liegende Skelette ge-
fallener Dänen barg. Die bemerkenswertesten Er-
gebnisse dieser Ausgrabung waren uns bereits von
deren Veranstalter, unserm freundlichen Führer Herru
Archivar Dr. Wennersten beim Besuch des Archiv-
gebäudes vorgeführt : Panzerteile, Ledergürtel, Pfeile,
Schädel, die mit den sie bedeckenden rostigen Ketten-
hauben zusammengewachsen waren, und Knochen,
namentlich Schienbeine und Oberschenkel, mit mehr-
fachen Spuren wuchtiger Hiebe, die anscheinend auf
liegende, von ihren stürzenden Pferden mit zu Boden
gerissene Reiter geführt waren.