Full text: Lübeckische Blätter. 1906 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1906 (48)

44 2 Theater und Mulik. Fünftes Dom-Orgelkonzert. (5. August.) An die Spitze der Vorträge hatte Herr Dom- organist Le y Bachs vielleicht populärstes Orgelwerk, die Toccata und Fuge in d-moll, gesetzt, die leider durch das zu rasche Tempo namentlich der Fuge erheblich in ihrer Wirkung beeinträchtigt wurde, so sehr auch durch die lichtvolle Registrierung Klarheit des organischen Aufbaues des Opus angestr-bt wurde. Von den zwei Kompositionen französischer Komponisten mußte Guilmants nicht gerade tiefgehende aber freund- liche As-dur Melodie über Salomés prägnanter Ge- danken entbehrende Eglogue in a-moll den Sieg davontragen. Den Beschluß des Konzertes machte Mendelssohn's d-moll Sonate, die mit ihren fein gearbeiteten Variationen über den Choral , Vater unser, der du bist im Himmel“ und dem in jeder Note die Eigenart des Komponisten verratenden Finale- Andante noch immer die Herzen der Hörer erwärmt. Daß Mendelssohn das Werk mit einer so ledernen Fuge belastete, hat uns allerdings immer den Genuß getrübt. Der Spieler würde gewiß nicht unrecht tun, wenn er dem Hörer und sich selbst diesen Teil der Sonate schenkte. Als Solistin beteiligte sich Frl. Helene Sager mit dem Bußlied „An dir allein hab’ ich gesündigt“ von Beethoven und dem ,Vater unser“ von Krebs an dem sehr gut besuchten Konzert. Die Singerin wirkt vorläufig nur durch die Größe und Schönheit des Organs, dem eine tüchtige und sorgfältige Aus- bildung durch eine berufene Gesangesmeisterin um so mehr zu wünschen wäre, da Frl. Sager als conditio sine über gesundes musikalisches Empfinden verfügt. Zweites srztlteuiert in der St. Marienkirche. (8. August. Das Konzert wurde von zwei Meisterwerken der Orgelliteratur umrahmt, Bachs Phantasie und Fuge in e- moll, die auch neben der ungleich bedeutenderen in g- moll ihre monumentale Bedeutung behält, und Schumanns Fuge Nr. 1 über B-A-CH. Beides sind Werke, in denen es für den Spieler vor allem darauf ankommt, die großen Steigerungen der Fugen wirksam herauszubringen. Herr Organist Lichtwark löste diese Aufgabe in trefflichster Weise, aufs beste unter- stützt durch die herrlichen Stimmen der Marienorgel. Rheinbergers originelle und klangschöne Romanze aus der b - moll Sonate und Bossis interessante Toccata in d-moll vervollständigten das Programm. Herr Dr. E. Reuter, dessen meisterhafte Behand- lung der Cantilene immer aufs neue erfreut, hatte mit Händels F-dur Sarabande und einem uns unbekannten Adagio von Franz Schubert einen starken Erfolg. I. Henninas. Gemeinnühige Rundschau. Erholungsurlaub für städtische Arbeiter. Die Stadtverordneten-Versammlung in Barmen hat, wie die „Kommunale Praxis“ berichtet, beschlossen, sämtlichen städtischen Arbeitern, Straßenbahnern, Bade- anstaltsbediensteten usw. einen Sommerurlaub zu be- willigen in folgender Weise: Alle über 21 Jahre alten Arbeiter, die drei Jahre in städtischen Diensten stehen, erhalten drei Tage, nach fünf Jahren fünf Tage und nach zehn Jahren sieben Tage. Jn ähnlicher Weise geben zahl- reiche städtische Arbeitsordnungen den Arbeitern einen Anspruch auf Urlaub nach Zurücklegung einer bestimmten Dienstzeit. Jn Lübeck ist die Urlaubsgewährung an städtische Arbeiter noch ganz Sache der einzelnen Be- hörden oder ihrer Beamten, ein Anspruch auf Urlaub ist den sstädtischen Arbeitern unseres Wissens hier noch nicht gegeben. Rechtsauskunftsstelle in Heilbronn. Die Stadtgemeinde Heilbronn hat mit Unterstützung des Staates und der Amtskorporation ein städtisches Aus- kunftsamt zur Beratung Unbemittelter (insbesondere auch aus den Kreisen der gewerblichen Arbeiter, Hand- werker usw.) in Rechtsangelegenheiten eingerichtet. Es ist zur Besorgung der Geschäste des Amts ein besonderer Beamter im Hauptamt angestellt worden. Die Jn- anspruchnahme des Amtes ist nicht nur Einwohnern der Stadt und des Oberamtsbezirks Heilbronn, sondern in gleicher Weise auch den Einwohnern anderer Ge- meinden des Handwerkskammerbezirks Heilbronn gestattet. Das Amt hat am 2. April 1906 seine Tätigkeit begonnen. Heilbronn ist der 232. Ort des Reichs, in dem mit dieser kommunalen Gründung Gelegenheit zur Rechts- beratung Unbemittelter geschaffen worden ist. Ein alphabetisches Ortsverzeichnis aller Rechtsauskunfts- stellen (der öffentlichen Volksbureaus, Arbeitersekretariate, Rechtsauskunftsstelen für Frauen und Mädchen und privater, kommunaler und staatlicher Auskunftsstellen) findet sich in dem ersten Geschäftsberichte des Leipziger Volksbureaus (Leipzig, Nikolaistraße 71). "tet Eine kommunale Rechtsauskunftsstelle mit einem akademisch gebildeten Beamten an der Spitze soll in Essen ins Leben gerufen werden. In einer Reihe weiterer rheinisch.westfälischer Städte steht für die nächsten Monate die Errichtung gleicher Anstalten bevor. Der Erlaß des preußischen Ministers des Innern und für Handel und Gewerbe, in dem die preußischen Gemeinden zur Errichtung nicht gewerbs- mäßiger unparteiischer Rechtsauskunftstellen aufge- fordert werden, hat somit erfreuliche Beachtung ge- funden. Auch die hiesige Rechtsauskunfistelle erhält häufig auf die Begründung von Rechtsauskunftstellen bezügliche Anfragen, die ihr erwünschte Gelegenheit geben, die hier gemachten Erfahrungen auch außerhalb Lübecks nutzbar zu machen.
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