Full text: Lübeckische Blätter. 1906 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1906 (48)

4.29 und so ist es bei ihm in noch höherem Grade ge- rechtfertigt, wenn sein Andenken durch eine Ausstellung seiner nachgelassenen Arbeiten hier lebendig erhalten wird, als bei Milde, den die Hamburger auch heute noch für sich in Anspruch nehmen. Sie dürfen dies auch, lebte Milde doch bis zu seinem 36. Jahre in Hamburg und hatte dort seine bemerkenswertesten selbständigen Werke geschaffen. Liebhaberei und ein seltenes Vermögen, sich in die alte Kunst zu vertiefen, Freude an der bis ins kleinste gehenden Ausführung veranlaßten ihn hier, Aufnahmen unserer Kunst- denkmäler zu machen, deren Wert wesentlich höher geschätt werden müßte, wenn die Photographie nicht erfunden worden wäre. Als Talent war ihm W. Cordes unbedingt überlegen. Die Vorzüge Mildes fehlten ihm nicht, aber er konnte malen, er sah die Natur als Maler mit Maleraugen an, ihn reizte in erster Reihe das Malerische, antiquarische Interessen veranlaßten ihn nicht, irgend etwas zu zeichnen oder zu malen, und wenn eine schleichende Krankheit ihn nicht gerade in der Zeit befallen hätte, in der er im Begriffe stand, sich völlig auszureifen, wenn der Tod ihm nicht vorzeitig den Pinsel aus der Hand genommen hätte, dann wäre der Name Cordes nicht nur in der Geschichte der lübeckischen Kunst von besonderer Bedeutung, dann würde er auch überall mit Ehren genannt werden müssen, wenn von der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts die Rede ist. Er gehörte zu den Künstlern, die der modernen Malerei die Bahn brachen. Er erkannte, daß es keine Berechtigung habe, einseitig die Landschaft oder das sog. „Genre“ zu pflegen, er hielt die Schilderung von Unglücksfällen, Staatsaktionen und dergl. aus vergangenen Jahrhunderten, wie wir sie den „Historien- malern“ verdanken, für unmalerisch, er verlangte, daß das Kunstwerk seine Entstehung einem inneren oder äußeren Erlebnis des Künstlers verdanke und daß das Malerische dabei das Bestimmende sein müsse. Diese Grundsätze seiner Kunst gehen aus der Aus- stellung überall hervor, gleichzeitig aber können wir hier seinen Werdegang verfolgen und sehen, wie er sich, von Stufe zu Stufe aufwärts schreitend, entwickelt. Er war als der Sohn eines Kaufmanns (von der angesehenen Firma Nöltingk & Cordes) am 16. März 1824 geboren und sollte dem Wunsche des Vaters entsprechend ebenfalls Kaufmann werden. Vom Vater aber, der ein Schüler des alten Hauffmann und kein ganz unpraktischer Dilettant war, hatte er die Liebe zur Kunst geerbt und so wurde ihm das Kontor zum Gefängnis, und statt ins Hauptbuch vertiefte er sich in die Natur und hielt mit Bleistift und Feder fest, was ihm auffiel. Er zeichnete seine Freunde, den Haushund, Pferde und Reiter, bekannte Stadtfiguren und Ansichten aus Lübeck, und es währte nicht lange, bis der Vater einsah, daß der junge Wilhelm keine Lust zum Kaufmannssstande hatte. Er gab, vielleicht mit einigem Widerstreben, seine Einwilligung zum Berufswechsel und so gut vorbereitet, als es hier möglich war, bezog Cordes die Prager Kunstakademie. Die Wahl gerade dieser Kunstschule muß etwas auf- fällig erscheinen und läßt sich nur durch die Ver- mutung erklären, daß der alte Cordes irgendwelche Beziehungen zu Prag und den dortigen Kunstlehrern hatte. Der angehende Künstler kam hier in eine strenge Schule, in der das Hauptgewicht auf die Zeichnung gelegt wurde. Der Leiter der Prager Akademie gehörte der Richtung der Cornelius an und so sind die ersten Kompositionsversuche des jungen Cordes auch Illustrationen zu geschichtlichen Vorgängen und zu Sagen im Stile seiner Lehrer. Er machte damals, wie einige Skizzen verraten, auch eine Studien- fahrt nach Kuttenberg, der baugesschichtlich so interessanten (jetzt leider ganz tschechischen) Stadt. Einige Bild- nisse, die damals entstanden, sind in strengen Linien gezeichnet und erinnern an die Art Mildes, wenngleich schon in diesen Köpfen die größere malerische Be- gabung hervortritt. Nach Lübeck zurückgekehrt, entdeckte er die Schönheiten der Vaterstadt, er zeichnet und malt alles, was ihm malerisch erscheint, und noch auf späteren Werken begegnet man im Hintergrund Einzel- heiten, die aus Lübeck genommen sind. Er hatte in Prag etwas Tüchtiges gelernt, er hatte sorgfältige anatomische Studien gemacht, auch die Anatomie des Pferdes eingehend studiert, aber er erkannte doch, daß ihm Prag das nicht bieten konnte, was er eigentlich suchte, und so ging er zu seiner weiteren Ausbildung nach Dresden, Frankfurt a. M. und nach einem vor- übergehenden Aufenthalt in Paris nach Düsseldorf. Hier entwickelte er sich rasch und kam 1856 als fertiger Künstler in die engere Heimat zurück. Die Zeitereignisse ergriffen ihn lebhaft, so hatte er als Freiwilliger im v. Wasmerschen Korps den Feldzug in Schleswig-Holsten im Jahre 1848 mitgemacht, und auch dieser Zeit verdanken wir verschiedene Zeich- nungen von bleibendem Interesse. Von nachhaltigem Einfluß waren auf ihn seine Reisen nach Dänemark und Norwegen, und. eine große Anzahl seiner reifsten Werke zeigt die künstlerische Ausbeute dieser Studien- fahrten. Mehr und mehr belebten sich seine Land- schaften, bis schließlich die Menschen und die sie um- gebende Landschaft in eins verschmolzen. Nun hatte er erreicht, was ihm als Ziel vorschwebte, der Meeres- strand und seine Bewohner schien seine Domäne werden zu wollen, seine ersten großen Erfolze erzielte er mit Bildern aus dem Seemannsleben, „Die letzte Ehre“ kaufte der König von Preußen (nachmals Kaiser Wilhelm), und so ist es begreiflich, daß Cordes größere Seereisen bis nach England unternahm, immer "Tt! ul. 1NU
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