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ernstl. Verweiß gegeben, und selbige schuldig erkannt
worden, sich reciproce die Hände und eine Ehren-
erklärung zu geben, überdies aber annoch Beklagter
wegen verübter Thätlichkeit in 2 Thaler Strafe und
die Kosten dieser Klage verurtheilet.
Gemeinnühige Rundschan.
Die Zuwachssteuer in der Praxis. Wie wurden
die Forderungen der Bodenreformer (Steuer nach dem
gemeinen Wert, Wertzuwachssteuer, Erbbaurecht usw.)
noch vor einem Jahrzehnt bekämpft und bespöttelt!
Klein war die Zahl ihrer Anhänger, kleiner noch ihre
praktischen Erfolge. Und jetzt ? Ein großer mächtiger
Bund sorgt für die Ausbreitung der Bodeureformideen,
in der Presse und in den Parlamenten treten an die
Stelle von Gemeinpläten, mit denen man früher die
Bewegung glaubte abtun zu können, ernsthafte Unter-
suchungen, eine Stadt nach der anderen setzt den Ge-
danken der Bodenreformbewegung in die Praxis um.
Allein in Preußen haben bereite gegen 300 Ge-
meinden die Steuer nach dem gemeinen Wert einge-
führt, die mit dem Erbbaurecht gemachten praktischen
Versuche mehren sich, die Wertzuwachsssteuer schreitet
unaufhaltsam auf ihrem Siegeszuge vorwärts. Hierfür
nur einige Belege aus neuester Zeit. Die Zuwachs-
steuer war der Hauptgegenstand, mit dem sich vor
einigen Wochen der 23. braunschweigische Städtetag
beschäftigte. Nach dem Referat des Herrn Stadtrat
von Frankenberg, der lebhaft für diese Steuer eintrat,
wurde mit allen gegen vier Stimmen eine Entschließung
angenommen, die den Schwesterstädten empfiehlt, der
Einführung der Wertzuwachssteuer näherzutreten. Ein-
stimmig beschlossen die städtischen Kollegien von Leer,
die Zuwachssteuer dem Magistrat zur Erwägung
anheim zu stellee. In Essen ist die Wertzuwachs-
steuer angenommen, sie geht bis zu 15 %. Die Stadt-
gemeinde Hanau hat eine Wertzuwachssteuer eingeführt,
die 10% der 15% überschreitenden Wertsteigerung
beträgt, zuzüglich
2 % der Wertsteigerung über. 50 bis 75 %
4 . - - 75 „1008-
Vi t\...s 100 * „\150..
2- s- 150 - 200 -
15 .: J 200 %.
Die Wertsteigerung bis zu 15 % bleibt in Hanau
steuerfrei. Jn Dortmund bleibt nach einer Mitteilung
der ,„Deutschen Volksstimme" der erzielte Reingewinn
steuerfrei, solange er nicht über 10 % des Erwerbs-
preises beträüt. Von da ab werden erhoben :
3 % des Wertzuwachses, wenn dieser 10–015 %
des Erwerbspreises ausmacht,
4 % des Wertzuwachses, wenn dieser 15020 #
des Erwerbspreises ausmacht usw. Der höchste Satz
(15 ) wird von 80 % Wertsteigerung aufwärts be-
zahlt. Diese Sätze werden bei der Veräußerung von
unbebauten Grundstücken in jedem Falle voll erhoben,
bei bebauten Grundstücken aber treten je nach der
Besitzzauer Ermäßigungen ein. So sichern sich die
Gemeinden einen Teil des Wertzuwachses, den die
Allgemeinheit geschaffen hat und der sonst mühelos
und unverdient Einzelnen zufällt. Sollten wir uns
nicht auch hier in Lübeck ernsthafter als bisher mit
dieser Steuer befassen ? Das Beispiel vieler anderer
Städte weist uns den Weg.
Yo kale N o t iz e n.
— Der Senat hat den Regierungsassessor Hrn.
Erich Friedrich Günther Thorade zu Oldenburg i. Gr.
zum Senatssekretär ernannt und seinen Amtsantritt
auf den 8. August 1906 festgesetzt.
Der zum Konsul von Norwegen für die freie
und Hansesstadt Lübeck ernannte Kaufmannn Hr. James
Bertling hierselbst ist vom Senate in der gedachten
Amtseigenschaft anerkannt und zugelassen worden.
~ Am Dienstag den 17. d. M. hat nach einer
Mitteilung des Amtsblatts das Preisgericht getagt,
das berufen ist, um über das Ergebnis des beschränkten
Wettbewerbes zur Erlangung von Plänen für den
Bau eines Stadttheaters nebst Saalbau zu entscheiden.
Dem Preisgericht gehörten folgende Lübecker Herren
an : die Senatoren H. Eschenburg und Kulenkamp,
Erster Staatsanwalt Dr. Benda, Dr. med. Th.
Eschenburg, Baudirektor Baltzer und Baurat Deditius,
ferner von Auswärtigen die Herren Geheimer Baurat
Professor Dr. Walot-Dresden, Geheimer Baurat
von Großheim, Geheimer Oberbaurat Launer, Ober-
regisseur Max Grube-Berlin und Stadtbaurat Kullrich-
Dortmund. Zur Beteiligung an dem Bewerb waren
aufgefordert die Herren Professor Martin Dülfer-
Dresden, die Architekten Heilmann und Littmann in
München, Regierungsbaumeister C. Moritz in Köln
und Baurat H. Seeling in Berlin. Das Preisgericht
hat einstimmig den Entwurf des Professors Dülfer
zur Ausführung empfohlen. Dem Urteil des Preis-
gerichts hat die Theaterbaukommission sich einstimmig
angeschlossen. Die Pläne werden demnächst ausgestellt
und dann auch an dieser Stelle besprochen werden.
~– Am Sonntag und Montag dieser Woche wurde
auf dem Burgfeld das Volks- und Erinnerungsfest,
Allgemeines Scheibenschießen, in der üblichen Weise
gefeiert. Besondere Ehrungen brachte das diesjährige
Volksfest dem Kaufmann Hrn. Rudolf Möller hier-
selbst, der seit nunmehr 25 Jahren ununterbrochen dem
Volksfest-Komitee angehört hat.
~ Drittes Domorgelkonzert. Sonntag den
22. Juli 12 Uhr wird dasselbe eine Reihe zur Aus-
führung auf der Orgel neueren Systems geeigneter
und dafür übertragener Werke von Richard Wagner
bringen, darunter die Vorspiele zu Parsifal, Tristan
und Jsolde u. a. Da die gewählten Vorträge sämt-
lich der Tantiemepflicht unterliegen, ist es notwendig,
für das in Rede stehende Konzert den Preis des Pro-
grammes auf 20 Pf. zu erhöhen.