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daß die ihr während der Dienstzeit anvertraute
Blüte der männlichen Jugend unseres Volkes mit
größtem Nutzen für die Pflege und Ausbildung des
Körpers die Schule des Heeres durchmacht.
Unsere Schulverwaltung und unsere Lehrer end-
lich haben bereits seit Jahren ihre Überzeugung, wie
wichtig Baden und Schwimmen für die Gesundheit
und die Erziehung der Schuljugend ist, betätigt.
Allein in der Badeanstalt im Krähenteiche sind von
den rund 770000 in den sechs Jahren ihres Be-
stehens abgegebenen Bädern mehr als hunderttausend
zu ermäßigten Preisen von Schulklassen im Klassen-
verbande unter Leitung der Lehrer genommen worden,
eine Einrichtung, die die Behörde auf Anregung des
hiesigen Schwimmvereins verfügt hat; auch in unseren
Frei-Badeanstalten werden alljährlich tausende solcher
Klassenbäder genommen. Seit einigen Wochen ist
hier mit Genehmigung der Behörde, von den
Schwimmwarten unseres Schwimmvereins geleitet,
ein Lehrkursus für Klassen-Schwimmunterricht im
Betriebe, woran 25 Lehrer und Seminaristen sich
beteiligen; durch die daselbst gelehrte Methode wird
der Schwimmlehrer instandgesezt, bis zwanzig
Schwimmschüler g le ich z e i t i g auszubilden.
Am 27. Juni wurde dem Bürgerausschuß ein
Senatsdekret vorgelegt, worin der Senat seine Ab-
sicht erklärt, zur Mitgenehmigung der Bürgerschaft
zu stellen, daß auf dem Grundstück Parade Nr. 1
ein Hallenschwimmba d, dessen Kosten auf
A 525000 veranschlagt werden, errichtet werde.
Wenn diese Anstalt, wie nun wohl demnächst mit
Sicherheit zu erwarten, bewilligt, erbaut und in
Betrieb gesezt sein wird, wird es auch nicht mehr
lange dauern, daß die Unterweisung im Schwimmen
in den obligatorischen Lehrplan der hiesigen Schulen
aufgenommen wird.
Wer aber die Jugend hat, der hat die Zukunft!
BG] .
Die Eröffnung der Idiotenanstalt.
Im Frühjahr 1903 hielt Herr Hauptlehrer
Strakerjahn auf einem Herrenabend der Gesellschaft
zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit einen Vortrag
über die Errichtung einer Idiotenanstalt in Lübeck.
Einige Monate später wurde ein Aufruf veröffentlicht,
der um Gaben für eine folche Anstalt bat. Sofort
gingen ansehnliche Beiträge ein, und dem bald darauf
gegründeten „Verein zur Fürsorge für Geistesschwache“
traten zahlreiche Mitglieder bei.
Allerdings wurden auch Einwendungen gegen den
geplanten Bau gemacht. Die erforderlichen Mittel, so
hörte man sagen, seien so bedeutend, daß die mit Bei-
trägen für gute Zwecke schon überlasteten Lübecker nicht
imstande seien, sie auch noch aufzubringen; mehrere
Jahrzehnte würden vergehen, ehe eine Anstalt eröffnet
werden könne. Eine besondere Anstalt für unseren
Staat, so meinten andere, sei ganz überflüssig; es gäbe
genügend Idiotenanstalten in Deutschland, dort möge
man die wenigen Schwachsinnigen aus dem lübeckischen
Gebiet unterbringen.
Beide Einwendungen sind jetzt durch die Tatsachen
widerlegt. Der unermüdlichen Arbeit des Vorstandes,
den reichen Gaben der Barmherzigkeit und der ver-
sländnisvollen Hülfe der Behörden ist es zu verdanken,
daß schon mit dem 1. Juli d. J. die praktische Tätig-
keit begonnen werden kann. Der Verein hat das im
Besitze des Staates befindliche Grundstück Kloster-
straße 10 gemietet und durch Umbau zu einer Anstalt
einrichten lassen. Am Sonnabend sind die ersten
Zöglinge in ihr neues Heim eingezogen, kaum drei
Jahre nach dem Erscheinen jenes ersten Aufrufs.
Auch als überflüssig darf man eine besondere An-
stalt für Lübeck nicht mehr bezeichnen. Einige Lübecker
Idioten waren ja in auswärtigen Anstalten, besonders
der Alsterdorfer, untergebracht. Doch wurden bis-
weilen auch Aufnahmegesuche wegen Überfüllung jener
Anstalten abgewiesen. Das Kostgeld für auswärtige
Zöglinge ist außerdem so hoch, daß nur wenige Eltern
imstande sind, es aufzubringen. Nehmen sie dazu
aber die Hülfe der Armenansstalt in Anspruch, so
verliert der Vater sein Wahlrecht. Viele dieser un-
glücklichen Kinder mußten deshalb bisher auf die
Unterbringung in einer Anstalt verzichten. Sie
blieben in einer für ihre Fortbildung und Erziehung
ungeeigneten Umgebung und bildeten eine traurige
Last für ihre Angehörigen. Von jetzt an steht auch
ihnen die segensreiche Anstaltserziehung offen. Tat-
sächlich sind viele Idioten für die neue Anstalt an-
gemeldet, von denen aber wegen des beschränkten
Raumes nur einige aufgenommen werden können.
Endlich ist es für die Eltern, deren Kinder bisher
auswärts untergebracht waren, eine große Wohltat, daß
es nun in Lübeck eine Anstalt für Schwachsinnige gibt.
Wie groß diese Wohltat ist, zeigt die hohe Freude
einer armen Witwe über die Nachricht, daß ihre Tochter
von der Alsterdorfer nach der Lübecker Anstalt über-
führt werden solle. Seit Jahren hat sie ihr Kind nicht
gesehen, weil sie die Ausgaben für eine Reise nach
Alsterdorf scheute und weil sie die anderen noch kleinen,
oft kranken Kinder nicht verlassen konnte. Jetzt wird
das schwachsinnige Kind in die neue Anstalt aufge-
nommen. Dann kann die Mutter es jeden Sonntag
besuchen. Ihr Kind war für sie schon so gut wie tot,
jetzt ist es ihr wiedergegeben. Kann man bei solchen
Erfahrungen den Bau einer Lübecker Idiotenanstalt
noch überflüssig nennen ?
.
rh