Full text: Lübeckische Blätter. 1906 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1906 (48)

3 3 5 des Herrn Dr. Zimmermann über Lehrerbildung selbst eng zusammen. Das Übermitteln der Lehrkunst ist nach seiner Meinung eine sehr einfache Sache: Der Lehrling guckt die nötigen Kniffe und Pfiffe seinem Meister ab; das Unterrichten wird zum Ab- richten. Wenn Herr Dr. Zimmermann selbst dieses sein Ideal als rückständig bezeichnet, so wage ich nicht, ihm hierin zu widersprechen. Tatsächlich ist dieses Verfahren der Heranbildung der Schullehrlinge und Schulgesellen durch die Schulmeister hier in Lübeck 800 Jahre lang im Schwange gewesen. Es scheint sich aber doch nicht so ganz bewährt zu haben. Das geht aus der historischen Tatsache hervor, daß immer und immer wieder Klagen über die mangelhafte Bildung der Lehrer ertönten, die endlich so eindringlich wurden, daß man vor nun fast 100 Jahren zur Gründung eines Lehrerseminars schritt. Es ist für mich nun sehr interessant zu konstatieren, daß dieses Seminar, wie es von edlen Männern der Gemeinnützigen Gesellschaft gegründet wurde, anfänglich nur eine allgemeine, aber keine Fachbildung vermittelte. Pädagogik fehlte, wie ich aus den mir vorliegenden alten Akten ersehe, vollkommen in den Lehrplänen der ersten Zeit. Sie wurde erst später eingeführt und war im Lehrplan des Seminars vor seiner Verstaatlichung mit sechs Wochenstunden insgesamt vertreten. Gegenwärtig werden im Seminar vierzehn Pädagogikstunden er- teilt. Die praktische Ausbildung der Seminaristen lag auch nach der Gründung des alten Seminars rst hu t o'. fer rut cthtetr Nat vorübergehend bestand von 1816-1836 eine eigene Übungsschule; das war die ebenfalls von der Gemein- nützigen Gesellschaft unterhaltene Sonntagsschule. Erst seit der Reorganisation unseres Schulwesens unter dem früheren Schulrat wurde Mitte der acht- ziger Jahre auch die praktische Ausbildung der Seminaristen in den Pflichtenkreis des Seminars mit einbezogen, insofern wöchentlich zweimal Probe- lektionen gehalten wurden. Gegenwärtig stehen den Seminaristen für ihre Lehrübungen fünfzehn Wochen- stunden zur Verfügung. Aus diesen geschichtlichen Tatsachen ergibt sich, daß das Seminar von Anfang an eine Anstalt war, die eine allgemeine Bildung vermitteln wollte, daß es erst sehr viel später und nur zu einem kleinen Teile eine Fachschule geworden ist und daß diese Verquickung von allgemeiner und Fachbildung jetzt ihren Höhepunkt t! hat. Herr Dr. Zimmermann aber ist über die früheren und die gegenwärtigen ' Verhältnisse augenscheinlich nicht genügend prientiert, daher kommt er zu der gegen- bite Le stiftlagtver Seminar ' sei eine Fach- schule gewesen. ! Bestehen nun schon über die Deutung der histo- rischen Tatsachen grundsätzliche Meinungsverschieden- heiten zwischen Herrn Dr. Zimmermann und mir, so ist ez selbstverständlich, daß unsere Ansichten über die zukünftige Entwicklung des Seminars noch weiter auseinandergehen. Herr Dr. Zimmermann möchte das Rad der Geschichte rückwärts drehen, ich ersstrebe eine Fortbildung unseres Seminarwessens, wie sie den Forderungen unserer Zeit entspricht. Diese aber laufen, wie ich schon früher ausgeführt habe, auf eine erhöhte wissenschaftliche Bildung und damit im Zusammenhange auf eine Trennung der unglücklichen Ehe zwischen allgemeiner und Fachbildung hinaus. Schon sind sie teilweise verwirklicht. Preußen z. B. hat durch seine neuen Seminarpläne von 1902 schon einen tüchtigen Schritt auf dem oben bezeichneten Wege zurückgelegt: Die wissenschaftlichen Anforde- rungen sind scharf in die Höhe geschranbt worden, und die Trennung der allgemeinen von der Fach- bildung ist, wenn sie auch noch nicht zu einer rein- lichen Scheidung geführt hat, doch dadurch schon sehr gefördert worden, daß die erstere in die Präparanden- anstalt und die unteren Klassen des Seminars ver- legt, leßtere vor allem der obersten Seminarklasse zugewiesen ist. Der Schritt von dieser Verfassung zu der von mir erstrebten ist kein allzu großer. Er wird und muß in absehbarer Zeit erfolgen. Die andern Staaten, namentlich die kleineren, werden dann wohl oder übel dem Beispiel ihres großen Nachbars folgen müsssen, wenn sie es nicht vorziehen, ihm hierin voranzugehen. ] Daß für unser Seminar eine Erweiterung der wissenschaftlichen Ausbildung der Seminaristen ,bei der schwankenden Vorbildung der- eintretenden Zög- linge“ trotz Vermehrung der akademischen Lehrkräfte nicht möglich sein wird, gebe ich Herrn Dr. Himmermann ohne weiteres zu und freue mich, damit einen Punkt gefunden zu haben, in dem wir beide einmal über- einstimmen, insofern diese eine Ausnahme die sonst allgemein giltige Regel unsrer Gegensäglichkeit be- stätigt. Herr Dr. Zimmermann hat aber, als er den vorstehenden Satz niederschrieb, augenscheinlich über- sehen, daß einer der wichtigsten Punkte in meinem Reformprogramm die Forderung ist, die Seminar- bildung auf der Mittelschulbildung aufzubauen. In andern Ländern, wo die Verhältnisse nicht so günstig liegen wie in unserm kleinen Staate, verlangt man dafür die Einlegung eines siebenten Seminarjahres. Troy aller seiner Verbesserungen wird aber dem Zukunftsseminar duch ein großer Mangel anhaften + wenigstens in den Augen Herrn Dr. Zimmer- manns; ich bin darüber natürlich gegenteiliger Meinung: ~~ es wird ein „Übergangsseminar“" sein. Dieser . Name schließkt eine irrige Anschauung
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