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des Herrn Dr. Zimmermann über Lehrerbildung
selbst eng zusammen. Das Übermitteln der Lehrkunst
ist nach seiner Meinung eine sehr einfache Sache:
Der Lehrling guckt die nötigen Kniffe und Pfiffe
seinem Meister ab; das Unterrichten wird zum Ab-
richten. Wenn Herr Dr. Zimmermann selbst dieses
sein Ideal als rückständig bezeichnet, so wage ich
nicht, ihm hierin zu widersprechen. Tatsächlich ist
dieses Verfahren der Heranbildung der Schullehrlinge
und Schulgesellen durch die Schulmeister hier in
Lübeck 800 Jahre lang im Schwange gewesen. Es
scheint sich aber doch nicht so ganz bewährt zu
haben. Das geht aus der historischen Tatsache
hervor, daß immer und immer wieder Klagen über
die mangelhafte Bildung der Lehrer ertönten, die
endlich so eindringlich wurden, daß man vor nun
fast 100 Jahren zur Gründung eines Lehrerseminars
schritt. Es ist für mich nun sehr interessant zu
konstatieren, daß dieses Seminar, wie es von edlen
Männern der Gemeinnützigen Gesellschaft gegründet
wurde, anfänglich nur eine allgemeine, aber
keine Fachbildung vermittelte. Pädagogik fehlte,
wie ich aus den mir vorliegenden alten Akten ersehe,
vollkommen in den Lehrplänen der ersten Zeit. Sie
wurde erst später eingeführt und war im Lehrplan
des Seminars vor seiner Verstaatlichung mit sechs
Wochenstunden insgesamt vertreten. Gegenwärtig
werden im Seminar vierzehn Pädagogikstunden er-
teilt. Die praktische Ausbildung der Seminaristen
lag auch nach der Gründung des alten Seminars
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vorübergehend bestand von 1816-1836 eine eigene
Übungsschule; das war die ebenfalls von der Gemein-
nützigen Gesellschaft unterhaltene Sonntagsschule.
Erst seit der Reorganisation unseres Schulwesens
unter dem früheren Schulrat wurde Mitte der acht-
ziger Jahre auch die praktische Ausbildung der
Seminaristen in den Pflichtenkreis des Seminars
mit einbezogen, insofern wöchentlich zweimal Probe-
lektionen gehalten wurden. Gegenwärtig stehen den
Seminaristen für ihre Lehrübungen fünfzehn Wochen-
stunden zur Verfügung. Aus diesen geschichtlichen
Tatsachen ergibt sich, daß das Seminar von Anfang
an eine Anstalt war, die eine allgemeine Bildung
vermitteln wollte, daß es erst sehr viel später und
nur zu einem kleinen Teile eine Fachschule geworden
ist und daß diese Verquickung von allgemeiner und
Fachbildung jetzt ihren Höhepunkt t! hat. Herr
Dr. Zimmermann aber ist über die früheren und
die gegenwärtigen ' Verhältnisse augenscheinlich nicht
genügend prientiert, daher kommt er zu der gegen-
bite Le stiftlagtver Seminar ' sei eine Fach-
schule gewesen. !
Bestehen nun schon über die Deutung der histo-
rischen Tatsachen grundsätzliche Meinungsverschieden-
heiten zwischen Herrn Dr. Zimmermann und mir, so ist
ez selbstverständlich, daß unsere Ansichten über die
zukünftige Entwicklung des Seminars noch weiter
auseinandergehen. Herr Dr. Zimmermann möchte das
Rad der Geschichte rückwärts drehen, ich ersstrebe
eine Fortbildung unseres Seminarwessens, wie sie den
Forderungen unserer Zeit entspricht. Diese aber
laufen, wie ich schon früher ausgeführt habe, auf
eine erhöhte wissenschaftliche Bildung und damit im
Zusammenhange auf eine Trennung der unglücklichen
Ehe zwischen allgemeiner und Fachbildung hinaus.
Schon sind sie teilweise verwirklicht. Preußen z. B.
hat durch seine neuen Seminarpläne von 1902 schon
einen tüchtigen Schritt auf dem oben bezeichneten
Wege zurückgelegt: Die wissenschaftlichen Anforde-
rungen sind scharf in die Höhe geschranbt worden,
und die Trennung der allgemeinen von der Fach-
bildung ist, wenn sie auch noch nicht zu einer rein-
lichen Scheidung geführt hat, doch dadurch schon sehr
gefördert worden, daß die erstere in die Präparanden-
anstalt und die unteren Klassen des Seminars ver-
legt, leßtere vor allem der obersten Seminarklasse
zugewiesen ist. Der Schritt von dieser Verfassung
zu der von mir erstrebten ist kein allzu großer. Er
wird und muß in absehbarer Zeit erfolgen. Die
andern Staaten, namentlich die kleineren, werden
dann wohl oder übel dem Beispiel ihres großen
Nachbars folgen müsssen, wenn sie es nicht vorziehen,
ihm hierin voranzugehen. ]
Daß für unser Seminar eine Erweiterung der
wissenschaftlichen Ausbildung der Seminaristen ,bei
der schwankenden Vorbildung der- eintretenden Zög-
linge“ trotz Vermehrung der akademischen Lehrkräfte
nicht möglich sein wird, gebe ich Herrn Dr. Himmermann
ohne weiteres zu und freue mich, damit einen Punkt
gefunden zu haben, in dem wir beide einmal über-
einstimmen, insofern diese eine Ausnahme die sonst
allgemein giltige Regel unsrer Gegensäglichkeit be-
stätigt. Herr Dr. Zimmermann hat aber, als er den
vorstehenden Satz niederschrieb, augenscheinlich über-
sehen, daß einer der wichtigsten Punkte in meinem
Reformprogramm die Forderung ist, die Seminar-
bildung auf der Mittelschulbildung aufzubauen.
In andern Ländern, wo die Verhältnisse nicht so
günstig liegen wie in unserm kleinen Staate, verlangt
man dafür die Einlegung eines siebenten Seminarjahres.
Troy aller seiner Verbesserungen wird aber dem
Zukunftsseminar duch ein großer Mangel anhaften
+ wenigstens in den Augen Herrn Dr. Zimmer-
manns; ich bin darüber natürlich gegenteiliger
Meinung: ~~ es wird ein „Übergangsseminar“" sein.
Dieser . Name schließkt eine irrige Anschauung