Full text: Lübeckische Blätter. 1906 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1906 (48)

; IV. So lange dies nicht geschehen ist, hat die Lehrerschast es als ihre Pflicht zu betrachten, die an einer Reihe deutscher Hochschulen bestehenden Ferienkurse durch rege Teilnahme zu unterstützen, sowie dahin zu wirken, daß die bisher schon von vielen Stadt- und Kreis - Lehrervereinen getroffene Einrichtung durch Universsitätslehrer abgehaltener Vorlesungskurse immer weitere Verbreitung finde. Kommunale Arbeiterpolitik.*) Die Regelung des Arbeitsverhältnisses zwischen der Gemeinde als Arbeitgeberin und den dauernd in ihrem Dienst beschäftigten Arbeitern ist eine Seite des vielgestaltigen Problems der Stadtverwaltung, die in den letzten Jahren besondere Beachtung gefunden hat. Dies hängt zum Teil damit zusammen, daß, nachdem Frankfurt a. M. im Jahre 1897 den Anfang gemacht hatte, eine Reihe der wichtigsten deutschen Städte dazu geschritten sind, in allgemeinen, für alle Betriebe giltigen Arbeitssagungen die Rechte und Pflichten ihrer Arbeiter zusammenzustellen. Die Erlassung solcher Vorschriften ist für die Gemeinden schon eine verwaltungstechnische Notwendigkeit. Denn in den letzten zwei Jahrzehnten sind eine Reihe wichtiger Betriebe kommunalisiert worden, ~ es sei nur an die Straßenbahnen, die Gas-, Wasser- und Elektrizi- tätswerke, die Kanalisationen und die üsbrigen Zweige des Tiefbaus erinnere. – Es sind sehr verschiedenartige Betriebe, die oft auch verschiedenen Verwaltungsabteilungen unterstehen, in denen aber jedenfalls die Arbeiterpolitik von den gleichen Grundsätzen ausgehen muß. Hier die notwendige Einheitlichkeit zu sichern, ist die erste Aufgabe , der Arbeitsordnungen. Von allgemeinerem JInteresse werden diese Satzungen dadurch, daß sich in ihnen der sozialpoli- tische Standpunkt der einzelnen Stadtverwaltungen aufs schärfste ausprägt. Sie sind ein Kodex alles dessen, was die Städte in sozialer Beziehung für ihre Arbeiter zu tun gewillt sind. Es ist nun eine nicht uninteressante Tatsache, daß es bisher vor- wiegend süddeutsche und zwar südwestdeutsche Städte sind, die solche Arbeitssagungen eingeführt haben. Gerade in diesen wird die Stellung der Arbeiter in einem sozialpolitischen Sinne geregelt, der in seiner Fortschrittlichkeit den norddeutschen Städten ~ Char- lottenburg gehört zu den wenigen Ausnahmen + noch unbekannt ist. Wie denn überhaupt im deutschen Süden, wo die sozialen Gegensätze sich weniger zu- gespitt haben als im Norden, der einseitige Herren- standvunkt des Unternehmers sich seltener findet. *) Der Sozialen Praxis, Zentralblatt für Sozialpolitik, Herausgeber Prof. Dr. E. Francke, entnommen. Prüfen wir nun diese Saßzungen vom Standpunkt des Arbeiters aus, so bringen sie ihm zunächst den Vor- teil ++ und das ist ein Punkt, der in den Forderungen der Arbeiter immer miederkehrt ~ dap sie ihm volle Klarheit über seine Rechte und Pflichten ver- schaffen. Ferner werden zwar verschiedenartige, aber doch immer feste Grundsäte über die Entlohnung aufgestellt und den Arbeitern Steigerungen bei langer Dienstzeit und Aussicht auf Versorgung für sie und ihre Familien in Krankheit und Alter zugesichert. Damit wird die reichsgesetzliche staatliche Fürsorge für das materielle Wohl des Arbeiters bis zu wirklich ausreichender Höhe ergänzt. ~ Bisher ist aber auch allen Satzungen gemeinsam, daß die Vergünstigungen nach freiem Ermessen der Behörde gewährt werden. Nirgends ist dem Arbeiter ein Rechtsanspruch zuge- standen. Es ist dies ein Zug von einer modernen Abart patriarchalisch-wohlmeinender Gesinnung. An Stelle des privaten Arbeitgebers, von dessen gutem Willen die Erreichung günstiger Arbeitsbedingungen abhing, ist die unpersönlichere Verwaltung getreten, die ihre Gnadengeschenke nach Würdigkeit verteilt. Im einzelnen weichen die verschiedenen Arbeits- ordnungen naturgemäß voneinander ab. Wenn nun im folgenden auf die jüngste derselben, die Saßungen der Stadt Straßburg, die am 15. Oktober 1905 in Kraft getreten sind, näher eingegangen wird, so geschieht dies nicht deshalb, weil sie den Forderungen der Arbeiter in den meisten Punkten in höherem Maße entgegenkommt, als die meisten früheren, sondern weil hier zum ersten Male der Versuch gemacht wird, den gesamten Arbeitsvertrag nach einheitlichen, groß- zügig und modern gedachten Gesichtspunkten zu regeln. Die gegenwärtigen Existenzbedingungen und die daraus hervorgehenden Bedürfnisse der Arbeiterklasse bilden dabei den Ausgangspunkt und werden berück- sichtigt, soweit es die Interessen der städtischen Betriebe zulassen. Zugleich zeigt sich aber in den Satzungen selbst und der ihnen beigegebenen Begründung überall das Bestreben, Klarheit zu schafsen über die Bahnen, in denen die Entwicklung des Arbeits- verhältnisses künftig gehen wird. Und wo die so erkannten Ziele nicht sofort erreichbar sind, werden wenigstens Anfänge gegeben, an denen die weitere Entwicklung anseßen kann. Weitaus am wichtigsten ist die Regelung der Lohn- frage. Die Löhne der sstädtischen Arbeiter werden sich in Straßburg aus drei Elementen zusammen- seßen: den Grundlöhnen, die für das erste Dienst- jahr gelten, den bis zum 17. Dienstjahr steigenden Dienstalterszulagen und den für verheiratete Arbeiter dazutretenden Familienzulagen. Die Verwaltung verzichtet darauf, die Arbeiter- schaft, wie es in anderen Städten geschehen ist, in Lohnklassen einzureihen. Vielmehr wird der Lohn
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