Full text: Lübeckische Blätter. 1906 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1906 (48)

I51 Bedeutung ihre zunehmende Verbreitung an den deutschen Schulen gesehen haben, gehen wir jetzt einmal zur Betrachtung der Verhältnisse in Lübeck über. Es muß anerkannt werden, daß man die guten Ziele der Jugendspielbewegung von seiten unserer Behörden voll gewürdigt sieht und daß man bemüht ist, die Spiele bei uns zu fördern. Indessen bleibt da doch noch viel zu tun übrig. Sehen wir uns daraufhin einmal den letzten Jahresbericht der Oberschulbehörde an. Da heißt es von dem Katharineum: Die Turnspiele fanden wie bisher auf dem Burgfelde an jedem Sonnabend statt, unter steigender Beteiligung der Schüler. Der eben erschienene Schulbericht lautet freilich nicht mehr so günstig. Die Beteiligung an den Spielen ist von 73 auf 72% herabgegangen. Dagegen war die Beteiligung am Rudern günstiger, und das Fußballspiel vereinigte sogar 30 Schüler zu einem besonderen Fußballklub, der den ganzen Winter fast ununterbrochen spielte. Sehr wichtig ist aber die Bemerkung: Es zeigt sich immer deutlicher, daß das Burgfeld auf die Dauer dem Bedürfnis nicht mehr genügt. Beim Johanneum heißt es einfach: Die Turnspiele unter Leitung der drei Turnlehrer der Anstalt fanden im Sommer Mittwochs auf dem Burgfelde statt. Bei der 1905 gegründeten zweiten Realschule ist von Turnspielen nichts gesagt. Ebenso wird beim Bericht der Ernestinenschule und des Lehrerinnenseminars der Spiele keine Erwähnung getan. In dem Bericht über die fünf Mittelschulen heißt ez: Die I. Knabenmittelschule hielt auf dem Burgfeld regelmäßig Turnspiele ab. Noch schlimmer ist der Bericht über die 24 Volks- schulen. Etwas sicheres über die Turnspiele findet sich in dem Bericht überhaupt nicht. Es heißt nur: Turnspiele konnten nicht in allen Schulen gepflegt werden, da es zurzeit noch an ausreichendem Platz fehlt. Die Schüler der Marienknabenschule spielten y des Sommers ziemlich regelmäßig auf dem urgfelde. Bei den Schulen auf dem Lande ist von Spielen überhaupt keine Rede, ja, auch das Turnen scheint nur recht wenig betrieben zu werden. Es gab am Schlusse des Schuljahres auf dem Lande 1904 Schüler, von denen nur 969 Turnunterricht empfingen. Vom Lehrerseminar heißt es: Im Sommerhalb-. jahr wurden auch regelmäßig (einmal wöchentlich) Turnspiele abgehalten, und von der Präparandenanstalt wird gesagt: Auch fanden im Sommerhalbjahr jeden Dienstag von 5 z 7 Turnspiele auf dem Burgfelde statt. In dem Bericht über die vier Privatschulen findet sich nur bei der Reimannschen Schule folgendes: Während des Sommerhalbjahres wurden wieder unter der Leitung des geprüften Turnlehrers Hagemann an tedem Donnerstaa. von +71 Uhr von den Schülern der Klassen IV Turnspiele abgehalten. Gespielt wurde an 12 Nachmittagen mit durchschnittlich 60 Schülern Schlagball, Faustball und Fußball. Danach kann man die Verhältnisse in bezug auf das f: t"ziclL; Lues roh ritto" tw. im Jahre 1904-05 in der Stadt und den Vor- städten 16838 schulpflichtige Kinder; die oben in dem Jahresbericht angegebenen Schulen, an denen regelmäßig Turnspiele abgehalten wurden, zählen mur rt dt 16,1"; vr Uhu [sss wh urs uu sousice get: atrh gungsspiele eignen sich vorzüglich auch für den Winter, einige, wie z. B. der Fußball, sollten eigentlich überhaupt nur im Winter gespielt werden. In den Mädchen- schulen wird, wie es scheint, noch fast gar nicht gespielt, und doch sind die Bewegungsspiele für die Mädchen fast noch wichtiger wie für die Knaben. Schon durch die moderne Mädchenerziehung werden die Kinder gi. er t.e u. weiblich. Dann hat das ganze weibliche Geschlecht szver net unit de: uviclacu 1111 t'< 12.103! Reformkleidung, welche eine Zeitlang so viel Aufsehen machte, hat sich auch nicht als hygienisch einwandfrei herausgestellt und hat überdies auch wenig Verbreitung gefunden. Das weibliche Geschlecht bedarf in unseren Tagen erst recht der Kräftigung und Stärkung, denn nur gesunde und kräftige Weiber können auch einen gesunden und kräftigen Nachwuchs zur Welt bringen. Wie ich vor einigen Tagen in diesen Blättern las, beabsichtigt eine Privatmädchenschule von Frl. Freese, in diesem Sommer Bewegungsspiele im Freien einzu- führen. Hoffentlich findet dieses gute Vorgehen auch bald bei den staatlichen Mädchenschulen Nachahmung. Fragt man Jsich nun, woran es liegt, daß bei uns in Lübeck die Bewegungsspiele noch nicht genügend Eingang gefunden haben, so stößt man auf zwei Ursachen. Die erste Ursache liegt bei den Lehrern und die zweite bei den Spielpläßen. Die Lehrerschaft Lübecks hat meiner Überzeugung nach gewiß die genügende Einsicht in die Wichtigkeit der Spiele für die ihr anvertraute Jugend, aber es fehlt ihr offenbar an Zeit, um sich diesem wichtigen Zweck in genügender Weise zu widmen. Jetzt ist die Beteiligung der Lehrer an den Spielen gewissermaßen eine freiwillige, und ich muß gestehen, man kann es den Lehrern nicht verdenken, daß sie nicht gern regel- mäßig einen großen Teil ihrer freien Zeit für den Spielbetrieb opfern. Das muß aber anders werden. Der Kultusminister sagt in seinem Erlaß ausdrücklich,
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