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überhaupt möglich war. Es kommen alle Seiten
der Tätigkeit Mildes zur Geltung; wir sehen ihn
als Schöpfer eigener Kompositionen mythologischen
und religiösen Inhalts, als Bildniszeichner und
„Maler, als treuen Darsteller lübeckischer Architektur,
als Altertumsforscher und naturwissenschaftlichen
Sammler und besonders als Glasmaler. Am besten
war er unstreitig als Zeichner, und als solcher hat
er namentlich auf dem Gebiete des Bildnisses
besonders Wertvolles geleistet. Als Glasmaler war
er gewissermaßen ein Bahnbrecher. An den Glas-
gemälden unserer Kirchen, die er wiederherstellte,
erlernte er die verloren gegangene Technik und er-
kannte früher als die meisten Glasmaler seiner Zeit
das erst jezt zur vollen Geltung gelangte eigentliche
Wesen der Glasmalerei. So hatte er auch der
Glasmalerei den bedeutendsten künstlerischen Erfolg
seines Lebens zu verdanken, den Auftrag, den ihm
der Kronprinz von Preußen, der nachmalige Kaiser
Friedrich, erteilte, ein großes Glasfenster für den
Kölner Dom zu malen. Die von ihm selbst kolorierten
Photographien dieses Fensters sind jetzt in der Aus-
stelung zu sehen, die auch eine stattliche Reihe von
farbigen Entwürfen zu anderen Glasgemälden enthält.
Milde gehörte jenem Kreise norddeutscher Künstler
an, die von Overbeck und den Nazarenern beeinflußt
jenen Zielen nachstrebten, die auch die Ziele Fiesole's,
Lo Spagna's und Perugino's, also der Vorläufer
Raffaels, waren. Zu diesem Kreise gehörten Oldach,
die Speckter, Rehbeniz u. a. Die Brldnisse dieser
Freunde Milde's sowie die von Rietschel, dem genialen
Bildhauer, und dem Kupferstecher J. C. Thaeter
werden gewiß lebhaftes Interesse erregen. Die
Ausstellung umfaßt über 300 Nummern. Eine
Reihe von wohlgefüllten Skizzenbüchern, die Milde
von seinen Studienreisen mitgebracht hat, vervoll-
ständigt die Ausstellung, die nach jeder Richtung
hin sehenswert ist. Es sei nur auf die verschiedenen
Skizzen aus Lübeck, die vieles Längstverschwundene
im Bilde festhalten, hingewiesen. Da die Milde-
Ausstellung nur einige Wochen dauern kann, hat die
Museums-Verwaltung in dankenswerter Weise be-
schlossen, für die Dauer der Ausstellung das Museum
täglich unentgeltlich offen zu halten. Es darf daher
auf einen recht regen Besuch der Milde-Ausstellung
gerechnet werden, damit Carl Julius Milde, der jetzt
auch auf der Jahrhundert-Ausstellung in Berlin zu
neuen Ehren gekommen ist, in der Stadt, die er
über alles liebte und der er ein treuer Sohn war,
ieje Anerkennung findet, die er als Künstler voll-
auf verdient.
r pr S
Pfingstversammlung
des Hansischen Geschichtsvereins in Lübeck.
In der diesjährigen Pfingsstwoche wird am Dienstag
und Mittwoch der nunmehr auf eine fünfunddreißig-
Ur ru...
deutsche Sprachforschung seine Jahresversammlung
in Lübeck abhalten.
Es ist das vierte Mal, daß der Hansische Geschichts-
verein in unserer Stadt tagt. Sie ist seine Wiege
gewesen, indem hier 1871 unter Prof. Wilhelm
Mantels anregender Leitung die konstituierende Ver-
sammlung stattfand und ebenfalls zu Lübeck im
folgenden Jahre der Kreis der anfänglich vorgesehenen
Aufgaben wesentlich erweitert wurde. Die dritte
hiesige Tagung im Jahre 1891 wird noch zahlreichen
Freunden des Vereins in guter Erinnerung stehen,
sie fand Senator Dr. Wilhelm Brehmer, der 1879
nach Mantels Ableben den Vorsiz übernommen hatte,
in der Vollkrast seines langjährigen verdienstvollen
Wirkens für den Verein; er war es auch, der die
Reihe der damaligen Vorträge mit einem „Überblick
über die Baugeschichte Lübecks“ eröffnete. j
Wie üblich wird bereits am Abend des Pfingst-
montags eine ungezwungene Zusammenkunft die von
auswärts eintreffenden Teilnehmer mit den hiesigen
Freunden in den Räumen des Hauses der Gesellschaft
zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit vereinigen.
Am Dienstag vormittag 9 Uhr findet eine ge-
meinsame Sitzung beider Vereine im Bürgerschafts-
saale statt. Auf die Begrüßung seitens der Stadt
und des Vereins für Lübeckische Geschichte und
Altertumskunde werden Vorträge der Vorsitzenden
beider tagenden Vereine folgen, und zwar ist der
Vortrag des Herrn Senator Dr. Fehling betitelt:
„Vor fünfzig Fahren. Zur Erinnerung an Friedrich
Krüger und Lübecks Politik am Sunde,“ während
Herr Geheimrat Professor Dr. Reifferscheid aus
Greifswald „Über ein neues Problem der nieder-
deutschen Philologie" sprechen wird. Um 12 Uhr
werden die beiden Vereine gesonderte Sißzungen im
Vortragssaale und im Bildersaale unseres Gesellschafts-
hauses abhalten. Die Mitglieder des Hansischen
Geschichtsvereins wird der Jahresbericht nebst weiteren
geschäftlichen Fragen beschäftigen, für den Verein
für niederdeutsche Sprachforschung sind nach Er-
ledigung des geschäftlichen Teils Mitteilungen in der
Mundart von Lübeck und Umgebung vorgesehen. Im
Anschluß an diese Sitzungen werden der Dom und
das Museum unter Führung des Konservators Herrn
Dr. Th. Hach besichtigt werden. Um 5 Uhr findet
das Festmahl im Ratsweinkeller (Germanistenkeller),