Full text: Lübeckische Blätter. 1906 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1906 (48)

IAZ Als eine besonders glückliche Fügung betrachte ich es, in einem Augenblick in den Senat eintreten zu dürfen, in dem dank der Energie von Rat und Bürgerschaft Lübecks wirtschaftliches Leben sich auf einer aufsteigenden Kurve bewegt. Nachdem der Entschluß, den Stillstand, ja den mit Recht be- fürchteten Rückgang Lübects im Handel und Verkehr durch den Bau des Elbe-Trave.Kanals zu begegnen, zur Tat geworden war, trat für kurze Zeit eine gewisse Ruhepause in unserer Entwickelung ein. Dann aber kam man sehr bald zu der Erkenntnis, daß man auf halbem Wege nicht stehenbleiben dürfe, sondern auf der einmal betretenen Bahn weiterschreiten müsse. Großes ist in den letzten Jahren geschaffen und erreicht. Die Vertiefung und die Regulierung der Trave sichern uns im Verein mit dem Kanal den Verkehr auf dem Wasser, den weiter auszubauen der Tatkraft unserer Kauf- mannschaft unter Mitwirkung des Staates obliegt. Die Verlegung des Bahnhofs ermöglicht die so dringend notwendige Verbesserung unserer Verkehrs- verhältnisse zu Lande durch Einführung besserer Zugverbindungen und Aufnahme neuer Verkehrs- linien. Der Ankauf großer Ländereien am Ufer der Trave setzt uns in die Lage, Gelände für industrielle Anlagen zu annehmbaren Preisen zur Verfügung zu halten, und durch die erst kürzlich bewilligte Uferbahn erhalten diese Grund- stücke ihren wahren Gebrauchswert. Alle diese Unternehmungen sind Schritte vorwärts, aber keiner derselben bildet einen Abschluß, sondern jeder bedeutet nur den Anfang zu neuer Arbeit. Große Aufgaben stehen uns noch bevor, und es wird der Anspannung aller Kräfte bedürfen, um sie glücklich zu lösen. Wir haben neulich hier das stolze Wort gehört: Was wir sind, das sind wir durch uns selbst. In ihm liegt aber auch die Mahnung, was wir werden wollen, das müssen wir aus uns selbst werden. Bringen tut uns niemand etwas, im Gegenteil, wir befinden uns im lebhastesten wirtschaftlichen Wettbewerb. Wie ich aber im geschäftlichen Leben niemals die Kon- kurrenz gefürchtet habe, sondern in ihr nur den Ansporn zu neuer Energieentfaltung und dadurch zur Steigerung der eigenen Leistungsfähigkeit erblickt habe, so hoffe und glaube ich, wird auch unser Gemeinwesen aus diesem Wettbewerb ge- kräftigt hervorgehen. Wenn ich bisher im wesent- lichen die Fragen berührt habe, die für Handel Schiffahrt und Industrie in Betracht kommen, so geschah dies, weil wir uns augenblicklich in einer wirtschaftlichen Entwickelungsperiode befinden, wie Lübeck sie seit langer, langer Zeit nicht durch- gemacht hat. Dabei sollen aber die großen laufenden Aufgaben, welche die Verwaltung von Stadt und Land mit sich bringt, nicht gering ein- geschäßt werden, ebensowenig wie die Bedeutung von Gewerbe und Landwirtschaft. Der Staat hat die Verpflichtung, allen Berufszweigen und allen Volksschichten die gleiche Aufmerksamkeit zu widmen, denn wir alle zusammen bilden ein Ganzes. Krankt ein Glied, so krankt der ganze Körper. Arbeiten aber alle Teile gemeinsam unter wohlwollender Rücksichtnahme auf die be- rechtigten Eigenheiten der einzelnen, so werden wir zweifellos die vor uns liegenden Aufgaben lösen, und Lübeck wird auf dem Wege der günstigen Entwickelung fortschreiten. Daß dies geschehe, dazu werde ich nach Kräften das Meinige beizutragen versuchen. Milde-Ausstellung im Museum. Carl Julius Milde hat sich so große und bleibende Verdienste um Lübeck erworben, daß es eine Pflicht der Dankbarkeit ist, sein Andenken lebendig zu er- halten. Was er im Kunstleben unserer Stadt bedeutete, was er zur Erhaltung und Rettung unserer Kunstschäße getan hat, sein Wirken als Konservator der Naturhistorischen Sammlung, das alles ist noch unvergessen. Dagegen ist der Künstler Milde, der schon zu seinen Lebzeiten nur von wenigen erkannt wurde, allzu schnell einer unverdienten Vergessenheit anheimgefallen. Milde wurde am 16. Februar 1803 in Hamburg geboren, war erst Schüler von Suhr und Gerdt Hardorff, fand in der Familie Speckter neue Anregung und ging mit Erwin Speckter nach Dresden und München. Nachdem er auf zwei Studienreisen einen mehrjährigen Aufenthalt in Italien genommen hatte, ließ er sich im Jahre 1838 in Lübeck nieder und blieb hier bis zu seinem am 19. November 1875 erfolgten Tode. Lübeck wurde ihm zur zweiten Heimat, das Nölting’sche Haus, in dem er sein künstlerisches Schaffen begann, wurde sein Heim, und so darf er jezt mit gutem Recht für Lübeck in Anspruch genommen werden. Aus allen diesen Gründen hat der Vorstand der Gemälde- sammlung beschlossen, im Museum eine Ausstellung der Werke Mildes aus öffentlichem und privatem Besitze zu veranstalten, die heute eröffnet wird. Eine eingehendere Würdigung dieser Ausstellung soll einer der nächsten Nummern dieser Blätter vorbehalten bleiben; für heute sei nur erwähnt, daß die Ausstellung einen Überblick über das Lebenswerk des Künstlers gibt und so vollständig ist, als dies
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